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Pestizideinsatz im großen Stil

"In Puerto Guzmán im Putumayo ist einfach alles besprüht worden - darunter Johannisbrot-Bäume und Koppeln für das Vieh. Leute hatten sich in Banken Pesos geliehen, um die Qualität von Weiden und Wiesen zu verbessern, und dann wurden sie Opfer der Sprühaktionen. Die Leute sind ruiniert, obendrein sind sie bei der Bank verschuldet. Ich weiß nicht, wie sie damit zurecht kommen werden. Ich sehe eine Menge von Angriffen dieser Art auf unsere Bevölkerung zukommen."

von Karl-Ludolf Hübener |
    Germán Martinez ist Ombudsmann in Puerto Asís, der Hauptstadt des kolumbianischen Departments Putumayo. Die Provinz liegt im Amazonasbecken und ist Zielscheibe des milliardenschweren "Plan Colombia". Mit Helikoptern und Pflanzenschutzmitteln sollen die verbotenen Drogenpflanzen, Coca und Schlafmohn, vernichtet werden.

    Schon seit einigen Jahren versprühen Flugzeuge im Tiefflug ihre giftige Last. Über Coca-Sträucher und Mohnblumen, aber auch Bananenstauden, Maisbüschel, Kartoffel- und Maniokpflanzen. Nicht nur im Putumayo, sondern auch in angrenzenden Provinzen. Wie im Cauca, wo Kaffeesträucher wachsen und wo die Agronomin Beatriz Fischersworring Kleinbauern betreut:

    "Die Erträge sind allgemein so gering, dass die Leute eben nicht ausschließlich vom Kaffee leben können und dort haben sie deswegen meistens in ihren Betrieben einen Viertelhektar, ein Achtelhektar Coca, die dann vier Mal im Jahr gepflückt werden kann."

    Nach den Sprühaktionen breitet sich gelbbraune ungesunde Farbe aus. Die Menschen berichten über Fieberanfälle, Kopfschmerzen, Durchfall. Tiere verenden, Wasserquellen werden vergiftet.

    Es sind bereits äußerst schädliche Gifte ausprobiert worden. Seit mehr als zehn Jahren wird nun "Glyfosat" gesprüht. Die Regierung in Bogotá behauptet, dieses Herbizid sei ungefährlich.

    Es wird gar als umweltverträglich angepriesen. Ein Generalstaatsanwalt in New York hat dem Unternehmen, dem Multi "Monsanto", allerdings untersagt, mit Begriffen wie "biologisch abbaubar" und "ökologisch" zu werben. In der Gebrauchsanweisung für "Glyfosat" heißt es: das Gift dürfe unter keinen Umständen aus mehr als zehn Metern Höhe versprüht werden.

    "Wenn uns gesagt wird von mancher Seite, das seien doch recht harmlose Stoffe, dann kann ich nur darauf hinweisen: wenn ich handelsübliche Stoffe im Laden kaufe, steht meistens drauf: stow away from children, also "wegstauen vor Kindern" steht meistens drauf, die Haut und die Augen und ähnliches möglichst nicht besprühen. Wie man das aus der Luft kontrolliert, hat mir noch keiner erklären können. Also da haben wir große Bedenken."

    Georg Boomgarden ist Lateinamerika-Beauftragter der Bundesregierung. Seine Bedenken gegen Sprühaktionen werden von vielen europäischen Regierungen geteilt. Diese möchten die verbotenen Pflanzen lieber manuell vernichten lassen.

    "Das andere ist, dass Sprühaktionen dieser Art von uns als nicht nur umweltschädlich, schädlich auch für die Menschen, sondern gleichzeitig auch noch als unwirksam angesehen wird."

    300 Millionen Dollar hat Kolumbien bislang für Sprühaktionen ausgegeben. Damit wurden über 100 000 Hektar besprüht. Doch seit 1995 hat sich die Anbaufläche verdoppelt!

    "Es gibt den einen Effekt, dass die besprühten Gebiete dann verlassen werden und man eben weiter in den Tropenwald vordringt und dort neue Gebiete anlegt. Das ist für die Umwelt auch nicht gerade ein Fortschritt."

    "Die einzige Schlussfolgerung, die man daraus ziehen kann, ist aber nicht, dass das Sprühen neue Felder fördert, sondern: die Dynamik des Pflanzens übertrifft die Dynamik des Sprühens. Die bisherige Politik war also nicht effizient genug."

    Gonzalo de Francisco ist Präsidentenberater und Spezialist für den Drogenbekämpfungsplan. Effizient heißt für ihn noch mehr Flugzeuge und Pflanzengifte.

    Tatsächlich sind seit Beginn des Jahres im Putumayo fast 30 000 Hektar mit giftigen Nebelschwaden überzogen worden. Das ist mehr als doppelt so viel wie im ganzen vergangenen Jahr. Die Piloten nahmen keine Rücksicht auf Maisfelder, Schulen, Häuser und Wasserquellen. Der "Nationale Drogenrat" hat deshalb einen sofortigen Sprühstopp verlangt.

    Das umweltverträgliche Ausreißen von illegalen Pflanzen wird wohl die Ausnahme bleiben. Die USA, weltgrößter Markt für Kokain und Heroin, drängen auf massive Herbizideinsätze. Große Gebiete im Amazonas-Becken drohen verseucht zu werden.

    Es klingt deshalb fast zynisch, wenn sich der Präsidentenberater, der den Kleinbauern wirtschaftliche Alternativen anbieten will, begeistert:

    "Was für eine Freude wäre es doch, wenn die deutsche Bevölkerung würzige Kräuter und Heilpflanzen aus dem Putumayo konsumieren würde - produziert von Bauern im Putumayo, die sich von der Coca abgewandt haben."