Peter Kapern: Woche der Wahrheit für die schwarz-gelbe Koalition. Am Donnerstag wird der Bundestag über die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms beraten. Dass es eine Mehrheit geben wird, ist klar. Schließlich haben ja auch die SPD und die Grünen ihre Zustimmung angekündigt. Doch wird die Koalition auch eine eigene Mehrheit haben? Angela Merkel, die Bundeskanzlerin, müht sich seit geraumer Zeit, die Skeptiker davon zu überzeugen, dass der Rettungsschirm richtig und notwendig ist. Auf einer Reihe von Regionalkonferenzen hat sie geredet und gestern Abend war sie bei Günther Jauch im Ersten zu Gast.
O-Ton Angela Merkel: "… sind ungewöhnlich schwierige Zeiten. Lehman Brothers hat man auch mal Pleite gehen lassen und dann anschließend hat sich die Welt gewundert, dass sie in eine tiefe Krise hineingestürzt ist. Was wir lernen müssen ist, dass wir nur Schritte gehen, die wir wirklich kontrollieren können. Das Wort Schuldenschnitt alleine sagt sich leicht. Meine Kompassnadel steht vergleichsweise fest. Und was machen wir jetzt mit dem Stabilisierungsmechanismus, der dauerhaft ist' Dort wird ein entscheidender Nachteil des jetzigen Rettungsschirms beseitigt, nämlich dass wir dann die Möglichkeit haben, die viel besprochene Umschuldung, die Insolvenz eines solchen Staates haben kann. Ich schließe überhaupt nicht aus, dass wir irgendwo auch einmal die Frage haben – und deshalb ja, dieser permanente Rettungsmechanismus -, dass man die Insolvenz von Staaten genauso machen kann wie von Banken. Ich mache das, was jetzt ich für richtig halte. Man muss unterscheiden zwischen der Berliner FDP, die hatte schon die ganze Zeit lang einen sehr Euro-skeptischen Kurs, den hat sie dann noch richtig plakatiert in der Endphase, und das ist nicht der Kurs der Bundes-FDP. Natürlich hat eine Regierung immer den Anspruch, durch die sie tragenden Fraktionen dann auch die Mehrheit zu bekommen, und ich bin sehr zuversichtlich, dass uns das auch diesmal gelingt."
Kapern: Statements der Bundeskanzlerin gestern Abend bei Günther Jauch. Wie viele Abgeordnete der Koalition unter den Zuschauern waren, das weiß natürlich niemand, aber wie es um die eigene Mehrheit steht, das ahnt zumindest der parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion im Bundestag, Peter Altmaier. Guten Morgen.
Peter Altmaier: Ja guten Morgen, Herr Kapern.
Kapern: Herr Altmaier, erleben wir diese Woche den Anfang vom Ende der schwarz-gelben Koalition?
Altmaier: Ich glaube, dass wir diese Woche eine wichtige Klärung erwarten, und zwar zunächst einmal europäisch und international, was die Position von Deutschland angeht in der Euro-Krise. Es wird ein starkes Signal an die Märkte. Zweitens aber auch innenpolitisch, weil es der Koalition gelingen wird, eine große und deutliche eigene Mehrheit zu Stande zu bringen, und wir werden gemeinsam dann mit SPD und Grünen eine überwältigende Mehrheit haben für den neuen verbesserten Mechanismus. Das heißt dann, dass wir sowohl nach innen wie nach außen als handlungsfähig und geschlossen erscheinen.
Kapern: Von welcher eigenen Mehrheit, Herr Altmaier, reden Sie da? Ist das die Kanzlermehrheit?
Altmaier: Nun, das Grundgesetz schreibt klar vor, wie Gesetze zu verabschieden sind, nämlich mit der Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen, und da müssen wir ganz einfach mehr Stimmen haben als SPD, Grüne und Linke zusammen, das heißt die komplette Opposition, wenn sie denn mit Nein stimmen würde. Das ist das, was bei allen Gesetzen zu allen Zeiten erwartet worden ist, und das kann man auch von der Regierung zurecht erwarten. Diese Mehrheit werden wir aufbringen und wir werden noch, denke ich, eine Schippe drauflegen.
Kapern: Die Rechtslage, was die Verabschiedung von Gesetzen angeht, Herr Altmaier, das ist ja das eine. Aber wäre es nicht ein Makel für die Koalition, ein Makel für die Kanzlerin, wenn in der möglicherweise wichtigsten Abstimmung dieser Legislaturperiode eben dann doch keine Kanzlermehrheit zu Stande käme?
Altmaier: Also nun warten wir den Donnerstag einmal ab. Unsere Ziellatte ist die eigene Mehrheit. Gerhard Schröder wäre übrigens froh gewesen, er hätte bei allen Abstimmungen sich auf die eigene Mehrheit verlassen können. Es wird auch übrigens in Europa nicht darüber diskutiert, ob wir eine eigene Mehrheit oder eine Kanzlermehrheit haben, die meisten Menschen kennen den Unterschied gar nicht, sondern es wird von uns Führung erwartet. Das was Angela Merkel gestern Abend bei Günther Jauch geleistet hat, war ja gerade, dass sie auch gegenüber sehr, sehr vielen Menschen nicht nur vor den Fernsehbildschirmen, sondern auch international über die Grenzen hinweg gesagt hat, ja, wir stehen zu unserer europäischen Verantwortung, aber wir bestehen darauf, dass wir eine Stabilitätskultur schaffen in ganz Europa. Diese beiden Teile ein und derselben Botschaft, die werden wir in dieser Woche verbreiten. Das ist das Entscheidende, worauf es ankommt, nicht die Frage, ob wir zwei Stimmen mehr oder weniger haben.
Kapern: Könnte die Kanzlerin ohne eigene Mehrheit weiter regieren?
Altmaier: Lieber Herr Kapern, es ist Aufgabe ihrer Fraktion, dafür zu sorgen, dass genau dieser Fall nicht eintritt, und deshalb erübrigen sich alle weiteren Spekulationen. Ich will nur darauf hinweisen: Wir haben bei allen Abstimmungen in dieser Wahlperiode als Koalition jedes Mal eine deutliche eigene Mehrheit gehabt. Das war übrigens auch notwendig, weil sich die SPD und leider teilweise auch die Grünen mehrfach bei der Frage des Euro in die Büsche geschlagen haben. Sie haben sich der Stimme enthalten, weil sie die Verantwortung für notwendige Maßnahmen nicht übernehmen wollten. Im Augenblick sind SPD und Grüne dabei, das zu korrigieren, weil sie erkannt haben, dass man seriöse Politik so nicht machen kann. Das ist ein riesiger Fortschritt und ich sage Ihnen voraus, diese Woche wird die Koalition stabilisieren, zumal ja auch die FDP-Führung in den letzten Tagen deutliche proeuropäische Statements gemacht hat. Das heißt, es ist jetzt ganz klar, die Koalition ist in der europäischen Frage geeint, und das wird es im übrigen noch leichter machen, eine klare Mehrheit zu erreichen.
Kapern: Bei Probeabstimmungen vor gar nicht so langer Zeit, Herr Altmaier, hat es in den Koalitionsfraktionen keine Mehrheit für diese Ausweitung des Euro-Rettungsschirms gegeben. Was hat denn den Meinungsumschwung unter den Abgeordneten bewirkt, von dem Sie jetzt ausgehen?
Altmaier: Das ist zum einen so nicht richtig, denn es gab keine Probeabstimmungen über die Verabschiedung des Gesetzes, sondern es ist über die Einbringung abgestimmt worden. Das sind zwei ganz verschiedene Paar Schuhe. Aber es hat sich in der Tat dreierlei geändert. Das erste ist: Wir haben in den letzten Wochen durch die Diskussionen über die notwendigen Sparmaßnahmen in Griechenland und Italien gesehen, wie wichtig es ist, dass wir auf klaren Sparvorgaben bestehen. Deshalb wiederholt ja auch Herr Gabriel seinen Vorschlag mit den Eurobonds nicht mehr öffentlich. Man hat nämlich gesehen, sobald der politische Druck nachlässt, wird es auch für die Regierungen dort sehr viel schwieriger, Mehrheiten in den Parlamenten und in der Regierung zu finden.
Zweiter Punkt: Es ist deutlich geworden, wie viel auf dem Spiel steht. Das hat auch gestern Abend Angela Merkel noch mal sehr eindrücklich gesagt. Es geht eben nicht nur um Griechenland; es geht darum, dass wir verhindern, dass ein Land nach dem anderen angesteckt und dann auch in Schwierigkeiten kommt. Niemand könnte absehen, welche Wirkungen das für die deutsche Volkswirtschaft und damit auch für den Wohlstand in Deutschland hätte.
Und das dritte, was klar geworden ist: Wir haben im Umgang mit dem Gesetzesvorhaben im Deutschen Bundestag in der letzten Woche eine sehr umfassende Parlamentsbeteiligung vereinbart. Das ist wahrscheinlich ein Modell für andere Länder in Europa mit. Und das alles hat dazu geführt, dass sehr viele Kolleginnen und Kollegen gesagt haben, sie hatten zwar mit der Einbringung ihre Probleme, aber sie werden bei der Verabschiedung des Gesetzes zustimmen.
Kapern: Die "Welt am Sonntag" berichtete gestern von massivem Druck, der auf die Koalitionsabgeordneten ausgeübt würde. Über Neinsager wie Wolfgang Bosbach und Frank Schäffler würde zum Beispiel kolportiert, sie seien nur beleidigt, weil sie kein Ministeramt in der Regierung bekommen hätten. Ist das auch Teil der Disziplinierung gewesen?
Altmaier: Ich müsste das ja wissen! Ich müsste das ja wissen, ich bin nun seit zwei Jahren erster parlamentarischer Geschäftsführer. Und so wie unter meinen Vorgängern im übrigen auch machen wir keine Disziplinierungen, indem wir solche Dinge sagen würden, sondern wir reden, wir argumentieren und vor allen Dingen wir diskutieren in unserer Fraktion. Wir werden morgen noch einmal eine ausführliche Fraktionssitzung haben. Am Ende wird es deutlich werden, dass es den gemeinsamen Willen der Koalition gibt, diese Abstimmung nicht nur zu bestehen, sondern sie auch zu einem positiven Signal zu machen.
Kapern: Eine Umfrage, Herr Altmaier, hat ergeben, dass drei Viertel der Deutschen gegen die Ausweitung des Rettungsschirms sind. Stimmt der Bundestag diese Woche gegen die Deutschen ab?
Altmaier: Mit Sicherheit nicht! Wir haben aber eine repräsentative Demokratie. Das heißt, wir müssen im Deutschen Bundestag immer das verabschieden, wovon wir überzeugt sind, dass es das richtige ist in der gegebenen Situation. Ich bin ganz fest überzeugt, dass nach dem gestrigen Auftritt von Angela Merkel, dass nach den Debatten, die wir in dieser Woche im Bundestag führen werden, es auch einen klaren Umschwung in der öffentlichen Meinung geben wird. Die Menschen wollen, dass der Euro als gemeinsame Währung erhalten bleibt, das wollen sie jetzt schon mit Mehrheit. Sie wollen auch nicht, dass die Krise auf andere Länder übergreift. Und es wird deutlich werden, dass das, was wir an Veränderungen am europäischen Rettungsschirm machen, ja genau dem Ziel dient, diese ungewünschten Folgen zu vermeiden, und deshalb wird die Unterstützung für diese Maßnahme in den nächsten Tagen wachsen.
Kapern: Der Euro-Rettungsschirm ist noch nicht unter Dach und Fach, und da wird schon wieder in Frage gestellt, ob er überhaupt taugt und ausreicht. Das ist deutlich geworden beim Jahrestreffen von IWF und Weltbank in Washington am Wochenende. Nun wird zum Beispiel darüber nachgedacht, die Beteiligung privater Gläubiger noch mal aufzustocken. Das heißt doch, Herr Altmaier, im Umkehrschluss, das worüber abgestimmt werden soll ist ziemlich unausgegoren.
Altmaier: Nein, das heißt es auf gar keinen Fall. Wir haben seit eineinhalb Jahren die Situation, dass wir alle notwendigen Maßnahmen Schritt für Schritt vereinbaren und auch im Deutschen Bundestag abstimmen. Das geht auch nicht anders, wenn der Spardruck auf die Schuldenländer aufrecht erhalten bleiben soll. Wir stimmen jetzt ab über die Änderungen, die wir für richtig halten, die wir als Parlament auch schon einmal begrüßt haben, und dann wird man sehen, welche weiteren Vereinbarungen notwendig sind. Dazu brauchen wir beispielsweise den Bericht der EU-Troika über Griechenland, dazu brauchen wir auch einige andere Erkenntnisse. Wir wollen den permanenten Rettungsmechanismus dann bis Ende dieses Jahres, Anfang nächsten Jahres verabschieden. Das sind noch eine Reihe von Maßnahmen, weil diese Krise, die über 20, 30 Jahre entstanden ist, durch unverantwortliche Haushaltspolitik in einigen Ländern, diese Krise wird nicht über Nacht zu lösen sein und deshalb ist die Abstimmung am Donnerstag eine sehr wichtige. Die Beschäftigung mit dem Thema Euro, mit dem Thema Schuldenkrise wird uns aber noch einige Monate begleiten.
Kapern: Peter Altmaier war das, der parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion im Bundestag. Herr Altmaier, danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Auf Wiederhören!
Altmaier: Ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Kapern: Statements der Bundeskanzlerin gestern Abend bei Günther Jauch. Wie viele Abgeordnete der Koalition unter den Zuschauern waren, das weiß natürlich niemand, aber wie es um die eigene Mehrheit steht, das ahnt zumindest der parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion im Bundestag, Peter Altmaier. Guten Morgen.
Peter Altmaier: Ja guten Morgen, Herr Kapern.
Kapern: Herr Altmaier, erleben wir diese Woche den Anfang vom Ende der schwarz-gelben Koalition?
Altmaier: Ich glaube, dass wir diese Woche eine wichtige Klärung erwarten, und zwar zunächst einmal europäisch und international, was die Position von Deutschland angeht in der Euro-Krise. Es wird ein starkes Signal an die Märkte. Zweitens aber auch innenpolitisch, weil es der Koalition gelingen wird, eine große und deutliche eigene Mehrheit zu Stande zu bringen, und wir werden gemeinsam dann mit SPD und Grünen eine überwältigende Mehrheit haben für den neuen verbesserten Mechanismus. Das heißt dann, dass wir sowohl nach innen wie nach außen als handlungsfähig und geschlossen erscheinen.
Kapern: Von welcher eigenen Mehrheit, Herr Altmaier, reden Sie da? Ist das die Kanzlermehrheit?
Altmaier: Nun, das Grundgesetz schreibt klar vor, wie Gesetze zu verabschieden sind, nämlich mit der Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen, und da müssen wir ganz einfach mehr Stimmen haben als SPD, Grüne und Linke zusammen, das heißt die komplette Opposition, wenn sie denn mit Nein stimmen würde. Das ist das, was bei allen Gesetzen zu allen Zeiten erwartet worden ist, und das kann man auch von der Regierung zurecht erwarten. Diese Mehrheit werden wir aufbringen und wir werden noch, denke ich, eine Schippe drauflegen.
Kapern: Die Rechtslage, was die Verabschiedung von Gesetzen angeht, Herr Altmaier, das ist ja das eine. Aber wäre es nicht ein Makel für die Koalition, ein Makel für die Kanzlerin, wenn in der möglicherweise wichtigsten Abstimmung dieser Legislaturperiode eben dann doch keine Kanzlermehrheit zu Stande käme?
Altmaier: Also nun warten wir den Donnerstag einmal ab. Unsere Ziellatte ist die eigene Mehrheit. Gerhard Schröder wäre übrigens froh gewesen, er hätte bei allen Abstimmungen sich auf die eigene Mehrheit verlassen können. Es wird auch übrigens in Europa nicht darüber diskutiert, ob wir eine eigene Mehrheit oder eine Kanzlermehrheit haben, die meisten Menschen kennen den Unterschied gar nicht, sondern es wird von uns Führung erwartet. Das was Angela Merkel gestern Abend bei Günther Jauch geleistet hat, war ja gerade, dass sie auch gegenüber sehr, sehr vielen Menschen nicht nur vor den Fernsehbildschirmen, sondern auch international über die Grenzen hinweg gesagt hat, ja, wir stehen zu unserer europäischen Verantwortung, aber wir bestehen darauf, dass wir eine Stabilitätskultur schaffen in ganz Europa. Diese beiden Teile ein und derselben Botschaft, die werden wir in dieser Woche verbreiten. Das ist das Entscheidende, worauf es ankommt, nicht die Frage, ob wir zwei Stimmen mehr oder weniger haben.
Kapern: Könnte die Kanzlerin ohne eigene Mehrheit weiter regieren?
Altmaier: Lieber Herr Kapern, es ist Aufgabe ihrer Fraktion, dafür zu sorgen, dass genau dieser Fall nicht eintritt, und deshalb erübrigen sich alle weiteren Spekulationen. Ich will nur darauf hinweisen: Wir haben bei allen Abstimmungen in dieser Wahlperiode als Koalition jedes Mal eine deutliche eigene Mehrheit gehabt. Das war übrigens auch notwendig, weil sich die SPD und leider teilweise auch die Grünen mehrfach bei der Frage des Euro in die Büsche geschlagen haben. Sie haben sich der Stimme enthalten, weil sie die Verantwortung für notwendige Maßnahmen nicht übernehmen wollten. Im Augenblick sind SPD und Grüne dabei, das zu korrigieren, weil sie erkannt haben, dass man seriöse Politik so nicht machen kann. Das ist ein riesiger Fortschritt und ich sage Ihnen voraus, diese Woche wird die Koalition stabilisieren, zumal ja auch die FDP-Führung in den letzten Tagen deutliche proeuropäische Statements gemacht hat. Das heißt, es ist jetzt ganz klar, die Koalition ist in der europäischen Frage geeint, und das wird es im übrigen noch leichter machen, eine klare Mehrheit zu erreichen.
Kapern: Bei Probeabstimmungen vor gar nicht so langer Zeit, Herr Altmaier, hat es in den Koalitionsfraktionen keine Mehrheit für diese Ausweitung des Euro-Rettungsschirms gegeben. Was hat denn den Meinungsumschwung unter den Abgeordneten bewirkt, von dem Sie jetzt ausgehen?
Altmaier: Das ist zum einen so nicht richtig, denn es gab keine Probeabstimmungen über die Verabschiedung des Gesetzes, sondern es ist über die Einbringung abgestimmt worden. Das sind zwei ganz verschiedene Paar Schuhe. Aber es hat sich in der Tat dreierlei geändert. Das erste ist: Wir haben in den letzten Wochen durch die Diskussionen über die notwendigen Sparmaßnahmen in Griechenland und Italien gesehen, wie wichtig es ist, dass wir auf klaren Sparvorgaben bestehen. Deshalb wiederholt ja auch Herr Gabriel seinen Vorschlag mit den Eurobonds nicht mehr öffentlich. Man hat nämlich gesehen, sobald der politische Druck nachlässt, wird es auch für die Regierungen dort sehr viel schwieriger, Mehrheiten in den Parlamenten und in der Regierung zu finden.
Zweiter Punkt: Es ist deutlich geworden, wie viel auf dem Spiel steht. Das hat auch gestern Abend Angela Merkel noch mal sehr eindrücklich gesagt. Es geht eben nicht nur um Griechenland; es geht darum, dass wir verhindern, dass ein Land nach dem anderen angesteckt und dann auch in Schwierigkeiten kommt. Niemand könnte absehen, welche Wirkungen das für die deutsche Volkswirtschaft und damit auch für den Wohlstand in Deutschland hätte.
Und das dritte, was klar geworden ist: Wir haben im Umgang mit dem Gesetzesvorhaben im Deutschen Bundestag in der letzten Woche eine sehr umfassende Parlamentsbeteiligung vereinbart. Das ist wahrscheinlich ein Modell für andere Länder in Europa mit. Und das alles hat dazu geführt, dass sehr viele Kolleginnen und Kollegen gesagt haben, sie hatten zwar mit der Einbringung ihre Probleme, aber sie werden bei der Verabschiedung des Gesetzes zustimmen.
Kapern: Die "Welt am Sonntag" berichtete gestern von massivem Druck, der auf die Koalitionsabgeordneten ausgeübt würde. Über Neinsager wie Wolfgang Bosbach und Frank Schäffler würde zum Beispiel kolportiert, sie seien nur beleidigt, weil sie kein Ministeramt in der Regierung bekommen hätten. Ist das auch Teil der Disziplinierung gewesen?
Altmaier: Ich müsste das ja wissen! Ich müsste das ja wissen, ich bin nun seit zwei Jahren erster parlamentarischer Geschäftsführer. Und so wie unter meinen Vorgängern im übrigen auch machen wir keine Disziplinierungen, indem wir solche Dinge sagen würden, sondern wir reden, wir argumentieren und vor allen Dingen wir diskutieren in unserer Fraktion. Wir werden morgen noch einmal eine ausführliche Fraktionssitzung haben. Am Ende wird es deutlich werden, dass es den gemeinsamen Willen der Koalition gibt, diese Abstimmung nicht nur zu bestehen, sondern sie auch zu einem positiven Signal zu machen.
Kapern: Eine Umfrage, Herr Altmaier, hat ergeben, dass drei Viertel der Deutschen gegen die Ausweitung des Rettungsschirms sind. Stimmt der Bundestag diese Woche gegen die Deutschen ab?
Altmaier: Mit Sicherheit nicht! Wir haben aber eine repräsentative Demokratie. Das heißt, wir müssen im Deutschen Bundestag immer das verabschieden, wovon wir überzeugt sind, dass es das richtige ist in der gegebenen Situation. Ich bin ganz fest überzeugt, dass nach dem gestrigen Auftritt von Angela Merkel, dass nach den Debatten, die wir in dieser Woche im Bundestag führen werden, es auch einen klaren Umschwung in der öffentlichen Meinung geben wird. Die Menschen wollen, dass der Euro als gemeinsame Währung erhalten bleibt, das wollen sie jetzt schon mit Mehrheit. Sie wollen auch nicht, dass die Krise auf andere Länder übergreift. Und es wird deutlich werden, dass das, was wir an Veränderungen am europäischen Rettungsschirm machen, ja genau dem Ziel dient, diese ungewünschten Folgen zu vermeiden, und deshalb wird die Unterstützung für diese Maßnahme in den nächsten Tagen wachsen.
Kapern: Der Euro-Rettungsschirm ist noch nicht unter Dach und Fach, und da wird schon wieder in Frage gestellt, ob er überhaupt taugt und ausreicht. Das ist deutlich geworden beim Jahrestreffen von IWF und Weltbank in Washington am Wochenende. Nun wird zum Beispiel darüber nachgedacht, die Beteiligung privater Gläubiger noch mal aufzustocken. Das heißt doch, Herr Altmaier, im Umkehrschluss, das worüber abgestimmt werden soll ist ziemlich unausgegoren.
Altmaier: Nein, das heißt es auf gar keinen Fall. Wir haben seit eineinhalb Jahren die Situation, dass wir alle notwendigen Maßnahmen Schritt für Schritt vereinbaren und auch im Deutschen Bundestag abstimmen. Das geht auch nicht anders, wenn der Spardruck auf die Schuldenländer aufrecht erhalten bleiben soll. Wir stimmen jetzt ab über die Änderungen, die wir für richtig halten, die wir als Parlament auch schon einmal begrüßt haben, und dann wird man sehen, welche weiteren Vereinbarungen notwendig sind. Dazu brauchen wir beispielsweise den Bericht der EU-Troika über Griechenland, dazu brauchen wir auch einige andere Erkenntnisse. Wir wollen den permanenten Rettungsmechanismus dann bis Ende dieses Jahres, Anfang nächsten Jahres verabschieden. Das sind noch eine Reihe von Maßnahmen, weil diese Krise, die über 20, 30 Jahre entstanden ist, durch unverantwortliche Haushaltspolitik in einigen Ländern, diese Krise wird nicht über Nacht zu lösen sein und deshalb ist die Abstimmung am Donnerstag eine sehr wichtige. Die Beschäftigung mit dem Thema Euro, mit dem Thema Schuldenkrise wird uns aber noch einige Monate begleiten.
Kapern: Peter Altmaier war das, der parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion im Bundestag. Herr Altmaier, danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Auf Wiederhören!
Altmaier: Ich danke Ihnen!
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