Wieder einmal wird das Klimapaket, das SPD-Vize Olaf Scholz für einen Großen Wurf hält, zum Bumerang, diesmal geht es um die Windkraft. Seit Tagen kochen die Gemüter hoch bei Industrie- und Umweltverbänden, in den Kommunen und in vielen Landesregierungen. Ihre scharfe Kritik richtet sich an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier von der CDU.
"Was Herr Altmaier in den letzten Tagen vorgelegt hat, mag möglicherweise gut gemeint sein, es ist aber grottenschlecht gemacht", findet Reiner Hoffmann, Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Auch der Bund Deutscher Industrie und der Verband kommunaler Unternehmen sind aufgebracht. Der Streit entzündet sich vor allem an der geplanten Abstandsregelung für Windräder.
Casus knacksus: Abstandsregelung für Windräder
Sie sollen künftig einen Mindestabstand von tausend Metern zur nächsten Wohnsiedlung haben, so sieht es der Gesetzentwurf zum Kohleausstieg vor. Das Wirtschaftsministerium legt in diesem Entwurf zugleich Alternativen vor, die den Kohlestrom künftig ersetzen sollen.
"Ich meine, man muss doch jetzt schauen, dass man die Windkraft befördert, und nicht noch erschwert", verlangt ein aufgebrachter Winfried Kretschmann, Ministerpräsident in Baden-Württemberg. Die Landesregierung steht jedoch selbst in der Kritik, denn ausgerechnet im grün-schwarz regierten Ländle wurden in diesem Jahr bislang gerade einmal zwei Anlagen in Betrieb genommen – Umweltminister Franz Untersteller von den Grünen fordert mehr Geld:
"Unsere Türme sind halt zwanzig, dreißig Meter höher als in Norddeutschland. Ich habe einen höheren Aufwand, um diese Standorte zu erschließen, denn ich muss den Berg rauf, während die Kollegen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein gar keinen Berg haben."
Hinzu kommen schleppende Genehmigungsverfahren, und nicht ausreichend bereitgestellte Flächen. Windkraft-Gegner blockieren den Bau neuer Windparks immer wieder, weil sie Gefahren für Mensch und Tier sehen. Es droht ein neuer Stadt-Land-Konflikt.
Windkrafträder "treiben Sie in den Wahn"
"Der Infra-Schall von Windkraft-Anlagen ist ein erwiesenes Phänomen, und parallel haben wir eine Schallemission, die für die Menschen sehr, sehr lästig ist. Und wenn dieses Wusch, Wusch, Wusch auch noch so leise ist, es treibt Sie in den Wahn", sagt Detlef Ahlborn vom Dachverband der Bürgerinitiativen gegen Windkraft.
Auch der Koalitionspartner SPD protestiert jetzt gegen die Pläne des CDU-geführten Wirtschaftsministeriums.
"Wir haben uns auf 1.000 Meter geeinigt, wir müssen jetzt aber die Details klären, weil das Ziel vollkommen klar ist", sagt Sozialdemokratin und Bundesumweltministerin Svenja Schulze. "In 2030 wollen wir 65 Prozent Energien aus erneuerbaren Energien, aus Wind und aus Sonne haben. Dazu trägt das, was bisher vorliegt, noch nicht ausreichend bei."
Die Grünen in Bund und Ländern werfen Peter Altmaier gar eine "Lex Windenergie" vor, für Braunkohlentagebaue und Steinkohlekraftwerke gebe es schließlich auch keine Abstandsregelungen. Und wenn schon, dann sind 700 statt 1.000 Metern völlig ausreichend, meint Franz Untersteller, grüner Umweltminister in Stuttgart.
Potentielle Standorte "gehen über die Wupper"
"Die Planungsträger können, wenn sie es planungsrechtlich begründen können, auch nach oben hin abweichen. Und von dieser Kann-Regelung will man jetzt übergehen und sagen, es müssen tausend Meter vorhanden sein. Und das wird bedeuten, dass eine ganze Reihe von potentiellen Standorten in Deutschland, um es mal plastisch zu sagen, über die Wupper gehen."
Der massenhafte Job-Abbau beim Windanlagen-Bauer Enercon verschärft den Streit jetzt noch mehr. Für Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer geht es nicht nur um Arbeitsplätze, sondern auch um die zunehmende Abhängigkeit von Energiequellen aus dem Ausland:
"Ich habe nie verstanden, wie Menschen es verteidigen können, wenn wir Gas von Herrn Putin oder Öl von irgendwelchen Scheichs in Saudi-Arabien für 90 Milliarden im Jahr verdienen können, wenn wir einen Großteil dessen auch hier machen können."
Oliver Krischer sieht inzwischen die gesamte Energiewende gefährdet.