"As-Salam Alaykum" heißt ein Muslim seinen Glaubensbruder gern willkommen. "Alaykum as-Salam", entgegnet der andere. Dieser Gruß ist auch auf den Straßen Berlins, Kölns oder Hamburgs immer wieder zu hören. Der eine oder andere Deutsche hat ihn sich eingeprägt. Und so wie er das italienischen Restaurant um die Ecke mit einem "Buon giorno" auf den Lippen betritt, mag er es für höflich halten, in einer Moschee "As-Salam Alaykum" zu grüßen. Ein falscher Schluss, meint Peter Heine, Islamwissenschaftler an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Das ist ein Gruß, den nur Muslime eigentlich untereinander verwenden. Das heißt ja wörtlich: "Frieden mit dir". Und wenn ich darauf antworte: "Auch mit dir Frieden", dann ist sozusagen zwischen uns eine Art von Vertrag geschlossen. Das heißt, wir haben damit deutlich gemacht, dass wir erstens mal beide Muslime sind und zweitens mal dass wir nichts gegeneinander unternehmen werden. Muslime weisen heute immer darauf hin, dass ja das Wort Salam für Frieden und Islam als Name der Religion zur gleichen Wurzel gehören, so dass man es mit einem ausgesprochen islamischen Gruß zu tun hat. Wir würden ja auch ohne weiteres in einer säkularen Gesellschaft, wie wir sie sind, niemanden mit "Gelobt sei Jesus Christus" begrüßen. Es sei denn, wir wissen von jemandem, er gehört zu unserer speziellen Religionsgemeinschaft, bei der das dann vielleicht so üblich ist.
Die Frage nach der angemessenen Begrüßung beantwortet Peter Heine ausführlicher in einem Kapitel seines Ratgebers für den alltäglichen Umgang mit Muslimen. Außerdem erzählt er in diesem Buch zum Beispiel, welche wirtschaftlichen Geschäfte durch Regeln des Korans eingeschränkt werden. Er beschreibt, welchen Sinn und Zweck bestimmte Kleiderordnungen erfüllen. Und er erklärt, warum Muslime die Gastfreundschaft so hoch schätzen oder was bestimmte Gesten und spezifische Namen bedeuten. Erschienen sind seine Beobachtungen und Ratschläge unter dem Titel "Kulturknigge für Nichtmuslime".
Also ich habe den gewählt, weil ich den Freiherrn von Knigge so gut finde. Das ist ja eigentlich ein Buch, in dem Leute lernen sollen, mit anderen umzugehen, ohne dass auffällt, dass sie von deren Lebensweise eigentlich gar keine Ahnung haben. Und das ist im Grunde ein ausgesprochen aufklärerisches Buch in seinem Ansatz. Und so habe ich meines auch verstanden.
Im täglichen Umgang mit Muslimen in Deutschland und während seiner Aufenthalte in islamischen Ländern sind Peter Heine immer wieder Situationen aufgefallen, die beide Seiten verwirrten. Solche Missverständnisse will er in seinem Buch aufklären.
"Bei Männern kann man in einigen Regionen des Nahen und Mittleren Ostens feststellen, dass sie bei der Begrüßung ihre Hand auf ihr Glied legen. Sie deuten damit an, dass die gute Beziehung zu dem Begrüßten auch für die Nachkommenschaft Geltung haben soll. Auch die Hände werden ineinander gelegt. Allerdings wird nicht fest zugegriffen und ein kräftiges Schütteln durchgeführt. Viele Orientalen empfinden diese westliche Praxis als unangenehm und peinlich."
Seine Schilderungen verknüpft Islamwissenschaftler Peter Heine mit Ratschlägen. So wird in einem Abschnitt zum Ramadan kurz beschrieben, wie sich das Fasten im Alltag der Muslime auswirkt, dass zum Beispiel Geschäfte und staatliche Behörden nur wenige Stunden dienstbereit sind. Danach heißt es:
"Falls ein Europäer aus geschäftlichen Gründen in die islamische Welt reisen will, sollte er diesen Zeitraum meiden. Auch für Touristen bedeutet der Ramadan, dass sie häufig vor verschlossenen Türen stehen, Baudenkmäler nicht betreten können und Museen nur beschränkt geöffnet sind. Zwar ist es heute in den meisten islamischen Ländern üblich, dass wenigstens einige Restaurants Gäste empfangen. Ihre Fenster sind jedoch verhängt, und die Beleuchtung bleibt auf ein unbedingt erforderliches Minimum reduziert. Man will auf diese Weise verhindern, dass die Fastenden durch den Anblick von Essern gestört werden. ... Man sollte sich als Europäer im Ramadan den Sitten bis zu einem gewissen Grade anpassen und auf keinen Fall auf der Straße essen oder rauchen."
Das Buch wirkt an einigen Stellen ein wenig altklug, belehrend. Ein Knigge eben. Ursprünglich für Touristen und Geschäftsreisende gedacht. Aber weil viele Muslime auch in Deutschland ihre Traditionen pflegen, zugleich ein Ratgeber für jeden, der sich intensiver mit der Lebensweise der türkischen oder marokkanischen Nachbarn auseinandersetzen möchte. Auf eine ganz andere Art stellt das "Handbuch Recht und Kultur des Islam in der deutschen Gesellschaft" die muslimische Lebensweise dar. Besticht der "Kulturknigge" durch anschauliche Erzählungen, so steht das Handbuch für detaillierte sachliche Informationen. Neben Peter Heine beschreibt hier vor allem der Islamwissenschaftler Adel Theodor Khoury, welche Pflichten und Gewohnheiten ein Gläubiger beachten muss. Im Kapitel zum Ramadan heißt es zum Beispiel über die verschiedenen Abstufungen beim Fasten:
"Das normale Fasten besteht in der Enthaltung von Speise und Trank; ... von Rauchen und Geschlechtsverkehr; und zwar von Sonnenaufgang bis zu Sonnenuntergang. Das besondere Fasten der Frommen beinhaltet die Übung folgender Tugenden: - Die Zügelung der Augen, denn so der Prophet Muhammad: 'Der Blick ist ein Giftpfeil von den Pfeilen des Teufels.' - Die Zügelung des Ohres, so dass man sich vom Bösen abwendet. - Die Kontrollnahme über die Glieder, so dass man alles meidet, was die Fastenpflicht verletzt, wie zum Beispiel das übermäßige Essen am Ende des Fasttages. - Endlich die Pflege der Gefühle des vertrauensvollen Begehrens und der demütigen Furcht vor Gott...
Es gibt auch eine Form des Fastens, die von den Propheten, den Heiligen und den besonders Frommen praktiziert wird. Sie besteht darin, das Herz von der Welt und den irdischen Dingen abzuwenden und auf Gott allein auszurichten."
Das Handbuch erfasst auch die religiöse Dimension des Fastens oder des Glaubensbekenntnisses, die Hintergründe der Begräbniszeremonien oder Kleiderordnungen. Alle Kapitel sind dabei kurz und überschaubar gehalten. Denn das Werk zielt vorwiegend auf Leser, die beruflich mit Muslimen zusammenkommen und sich schnell und zuverlässig über die Lebensregeln der Gläubigen orientieren möchten.
"Also wir müssen doch zum Beispiel sehen, es gibt Muslime bei der Bundeswehr, es gibt Muslime in Gefängnissen und in vielen anderen Bereichen, wo große Gruppen von Menschen zusammen sind, die auf 'ne bestimmte Art zum Beispiel auch mit Essen und Trinken versorgt werden, und dass da einfach jemand ist, der das liest, also sagen wir mal ein Bundeswehroffizier, der Muslime in seiner Truppe hat, der sagt, jetzt gucken wir einfach hier mal nach, wie ist das eigentlich. Denn es passiert häufig auch, dass manche Muslime sagen, dies und das ist Islam oder das sind unsere Regeln, und wir möchten daher entsprechend behandelt werden. Dann bietet das Buch natürlich nun auch die Möglichkeit jemandem, nachzuschauen und festzustellen, dass das möglicherweise gar nichts mit Islam zu tun hat, sondern statt dessen irgendwelche regionalen Regeln sind, die andere Muslime ganz anders sehen würden."
Die Autoren wollen auch Muslime mit dem Handbuch über Pflichten und Freiheiten des islamischen Rechts belehren. Das klingt zunächst etwas dreist. Schließlich sind die Autoren christlich sozialisiert. Der Anspruch erscheint erst verständlich, wenn die Grundlage des Nachschlagewerkes beachtet wird. Die Ausführungen basieren auf Urteilen muslimischer Rechtsgelehrter. Ihre Autorität verleiht dem Buch seine Verbindlichkeit. In diesem Zusammenhang führt der Titel "Recht und Kultur des Islam in der deutschen Gesellschaft" ein wenig in die Irre. Denn natürlich gelten die Entscheidungen der islamischen Gelehrten - und damit auch die Darlegungen in dem Handbuch - für Muslime in aller Welt. Nur das letzte Kapitel befasst sich speziell mit der Situation der Gläubigen in Deutschland. Der Jurist Janbernd Oebbecke hat dort den Stand der Gerichtsurteile zu Fragen der muslimischen Lebensweise beschrieben. Ansonsten tauchen spezifisch deutsche oder europäische Fragen nur am Rande auf. Viele von ihnen sind noch unzureichend gelöst, gibt Peter Heine zu.
Viele Probleme, die Muslime hier haben im täglichen Leben, können im Grunde nur von Rechtsgutachtern begutachtet werden, die die deutschen Kontexte gar nicht kennen, die hier nie gewesen sind oder nur mal kurz zu Besuch, die aber immer davon ausgehen, von einer Situation, wie sie bei ihnen zu Hause, in Ägypten, in Marokko, in Indonesien, herrscht. Und da wird es immer eine Differenz geben und ohne Zweifel sehr lange noch ein Problem für Muslime, damit umzugehen.
Es ist die gegenwärtige Situation der Gläubigen, die der "Kulturknigge für Nichtmuslime" und das "Handbuch Recht und Kultur des Islam in der deutschen Gesellschaft" hervorheben. Nur in kurzen Einleitungen berücksichtigen die Autoren auch die Ursprünge dieser Religion. Wer beispielsweise etwas mehr über die Geschichte ihres Stifters Mohammed erfahren möchte oder über unterschiedliche Färbungen des Islam, muss auf eines der zahlreichen Einführungsbücher zurückgreifen. Exemplarisch sei hier der DuMont Schnellkurs "Islam" von Walter Weiss erwähnt. Er bietet in besonders übersichtlicher Form Fakten: vom politischen Umfeld Mohammeds im 7. Jahrhundert an, über die Zeit der Kalifen, die Blüte der islamisch-arabischen Kultur oder den kämpferischen Mongolen Dschingis Khan bis hin zum heutigen Nahost-Konflikt. Alles auf knapp 200 Seiten.
"Einheit und Vielfalt - unter konsequenter Berücksichtigung dieser beiden nur scheinbar widersprüchlichen Phänomene wird im folgenden versucht, die großen religionsgeschichtlichen und, damit eng verknüpft, die politischen Entwicklungen nachzuzeichnen..."
schreibt der Autor im Vorwort.
"Parallel zu dieser chronologischen Darstellung werden ausführlich die Grundlagen des Glaubens - der Koran, die Scharia, die prophetische Überlieferung etc. - sowie die wichtigsten Aspekte des Alltags und die Rituale des Jahres- und Lebenslaufes behandelt. Auch so viel und kontrovers diskutierte Themen wie die Stellung der Frau und die weitverbreitete Tendenz zur Re-Islamisierung bleiben nicht ausgespart."
Der DuMont Schnellkurs erfüllt zwei Funktionen. Zum einen ist er ein kleines Lexikon. Über ein Sach- und Personenregister findet jeder Interessierte schnell, was er sucht. Zum anderen eignet sich das Buch als Einführungslehrgang. Aufgelockert durch zahlreiche Fotographien, Bilder, Karten und Statistiken liest es sich leicht von der ersten bis zur letzten Seite durch. Danach dürfte dem Leser klarer sein, warum der Islam stärker als zum Beispiel das Christentum den Alltag seiner Anhänger bestimmt.
"Da der Islam keine Trennung zwischen Religion und Alltagsleben kennt, regelt seine Glaubens- und Pflichtenlehre nicht nur die Handlungen der Gläubigen auf kultisch-rituellem Gebiet, sondern in sämtlichen Lebenslagen. Die Scharia ist das allumfassende Grundgesetz der göttlichen Weltordnung, durch das der Mensch auf Erden immerfort geleitet wird. ... Nach dem Tod des Propheten hatten die Theologen und Rechtsgelehrten drei Jahrhunderte lang in unzähligen Diskursen und Lehrzirkeln ein kompliziertes Regelwerk erarbeitet, das auf der Basis von Koran und Hadithen" - das ist die Propheten-Tradition - "alle nur erdenklichen Fragen und Probleme beantworten und lösen half."
Ähnlich wie Peter Heine mit seinem "Kulturknigge" will Walter Weiss mit seinem Islambuch vor allem aufklären. Er möchte dem verzerrten Bild des Islam in den Medien entgegenwirken und den Europäern ihr Misstrauen gegenüber der fremden Kultur nehmen. Lange vor dem 11. September hat er diesen Anspruch formuliert. Doch nach den Attentaten, so der Islamwissenschaftler Peter Heine, sei dieser Ehrgeiz nötiger denn je.
"Was wir zur Zeit haben, ist ja so etwas wie Islamophobie. Es gibt ganz viele Leute, die das bestreiten würden, aber ich bin wirklich davon überzeugt, dass sehr viele Leute einfach Angst haben; und diese Angst rührt zunächst mal von mangelnder Kenntnis her. Und wenn man also hingeht und sich informiert, dann kann man zunächst einmal seine eigene Angst abbauen. Man lernt dann auch zu differenzieren, man lernt festzustellen, dass es eben, wie überall in allen Gesellschaften; unterschiedliche Gruppen gibt, unterschiedliche Menschen, Einzelpersonen, und dass man dann vielleicht auch versucht, Kontakt mit irgend jemandem aufzunehmen und mit ihm dann zu diskutieren, was bedeutet das alles. Vielleicht erfährt man mehr dann auf diese Art als über die Bücher, das wäre zu hoffen."
Peter Heine: Kulturknigge für Nichtmuslime. Ein Ratgeber für den Alltag. Erschienen als überarbeitete Neuausgabe im Herder Verlag, Freiburg, 159 Seiten zum Preis von DM 19,90. Adel Theodor Khoury, Peter Heine, Janbernd Oebbecke: Handbuch Recht und Kultur des Islam in der deutschen Gesellschaft. Publiziert im Gütersloher Verlagshaus, 333 großformatige Seiten, DM 78,-- und Walter M. Weiss: Islam. DuMont Buchverlag Köln, 190 Seiten, zum Preis von DM 24,80.
Das ist ein Gruß, den nur Muslime eigentlich untereinander verwenden. Das heißt ja wörtlich: "Frieden mit dir". Und wenn ich darauf antworte: "Auch mit dir Frieden", dann ist sozusagen zwischen uns eine Art von Vertrag geschlossen. Das heißt, wir haben damit deutlich gemacht, dass wir erstens mal beide Muslime sind und zweitens mal dass wir nichts gegeneinander unternehmen werden. Muslime weisen heute immer darauf hin, dass ja das Wort Salam für Frieden und Islam als Name der Religion zur gleichen Wurzel gehören, so dass man es mit einem ausgesprochen islamischen Gruß zu tun hat. Wir würden ja auch ohne weiteres in einer säkularen Gesellschaft, wie wir sie sind, niemanden mit "Gelobt sei Jesus Christus" begrüßen. Es sei denn, wir wissen von jemandem, er gehört zu unserer speziellen Religionsgemeinschaft, bei der das dann vielleicht so üblich ist.
Die Frage nach der angemessenen Begrüßung beantwortet Peter Heine ausführlicher in einem Kapitel seines Ratgebers für den alltäglichen Umgang mit Muslimen. Außerdem erzählt er in diesem Buch zum Beispiel, welche wirtschaftlichen Geschäfte durch Regeln des Korans eingeschränkt werden. Er beschreibt, welchen Sinn und Zweck bestimmte Kleiderordnungen erfüllen. Und er erklärt, warum Muslime die Gastfreundschaft so hoch schätzen oder was bestimmte Gesten und spezifische Namen bedeuten. Erschienen sind seine Beobachtungen und Ratschläge unter dem Titel "Kulturknigge für Nichtmuslime".
Also ich habe den gewählt, weil ich den Freiherrn von Knigge so gut finde. Das ist ja eigentlich ein Buch, in dem Leute lernen sollen, mit anderen umzugehen, ohne dass auffällt, dass sie von deren Lebensweise eigentlich gar keine Ahnung haben. Und das ist im Grunde ein ausgesprochen aufklärerisches Buch in seinem Ansatz. Und so habe ich meines auch verstanden.
Im täglichen Umgang mit Muslimen in Deutschland und während seiner Aufenthalte in islamischen Ländern sind Peter Heine immer wieder Situationen aufgefallen, die beide Seiten verwirrten. Solche Missverständnisse will er in seinem Buch aufklären.
"Bei Männern kann man in einigen Regionen des Nahen und Mittleren Ostens feststellen, dass sie bei der Begrüßung ihre Hand auf ihr Glied legen. Sie deuten damit an, dass die gute Beziehung zu dem Begrüßten auch für die Nachkommenschaft Geltung haben soll. Auch die Hände werden ineinander gelegt. Allerdings wird nicht fest zugegriffen und ein kräftiges Schütteln durchgeführt. Viele Orientalen empfinden diese westliche Praxis als unangenehm und peinlich."
Seine Schilderungen verknüpft Islamwissenschaftler Peter Heine mit Ratschlägen. So wird in einem Abschnitt zum Ramadan kurz beschrieben, wie sich das Fasten im Alltag der Muslime auswirkt, dass zum Beispiel Geschäfte und staatliche Behörden nur wenige Stunden dienstbereit sind. Danach heißt es:
"Falls ein Europäer aus geschäftlichen Gründen in die islamische Welt reisen will, sollte er diesen Zeitraum meiden. Auch für Touristen bedeutet der Ramadan, dass sie häufig vor verschlossenen Türen stehen, Baudenkmäler nicht betreten können und Museen nur beschränkt geöffnet sind. Zwar ist es heute in den meisten islamischen Ländern üblich, dass wenigstens einige Restaurants Gäste empfangen. Ihre Fenster sind jedoch verhängt, und die Beleuchtung bleibt auf ein unbedingt erforderliches Minimum reduziert. Man will auf diese Weise verhindern, dass die Fastenden durch den Anblick von Essern gestört werden. ... Man sollte sich als Europäer im Ramadan den Sitten bis zu einem gewissen Grade anpassen und auf keinen Fall auf der Straße essen oder rauchen."
Das Buch wirkt an einigen Stellen ein wenig altklug, belehrend. Ein Knigge eben. Ursprünglich für Touristen und Geschäftsreisende gedacht. Aber weil viele Muslime auch in Deutschland ihre Traditionen pflegen, zugleich ein Ratgeber für jeden, der sich intensiver mit der Lebensweise der türkischen oder marokkanischen Nachbarn auseinandersetzen möchte. Auf eine ganz andere Art stellt das "Handbuch Recht und Kultur des Islam in der deutschen Gesellschaft" die muslimische Lebensweise dar. Besticht der "Kulturknigge" durch anschauliche Erzählungen, so steht das Handbuch für detaillierte sachliche Informationen. Neben Peter Heine beschreibt hier vor allem der Islamwissenschaftler Adel Theodor Khoury, welche Pflichten und Gewohnheiten ein Gläubiger beachten muss. Im Kapitel zum Ramadan heißt es zum Beispiel über die verschiedenen Abstufungen beim Fasten:
"Das normale Fasten besteht in der Enthaltung von Speise und Trank; ... von Rauchen und Geschlechtsverkehr; und zwar von Sonnenaufgang bis zu Sonnenuntergang. Das besondere Fasten der Frommen beinhaltet die Übung folgender Tugenden: - Die Zügelung der Augen, denn so der Prophet Muhammad: 'Der Blick ist ein Giftpfeil von den Pfeilen des Teufels.' - Die Zügelung des Ohres, so dass man sich vom Bösen abwendet. - Die Kontrollnahme über die Glieder, so dass man alles meidet, was die Fastenpflicht verletzt, wie zum Beispiel das übermäßige Essen am Ende des Fasttages. - Endlich die Pflege der Gefühle des vertrauensvollen Begehrens und der demütigen Furcht vor Gott...
Es gibt auch eine Form des Fastens, die von den Propheten, den Heiligen und den besonders Frommen praktiziert wird. Sie besteht darin, das Herz von der Welt und den irdischen Dingen abzuwenden und auf Gott allein auszurichten."
Das Handbuch erfasst auch die religiöse Dimension des Fastens oder des Glaubensbekenntnisses, die Hintergründe der Begräbniszeremonien oder Kleiderordnungen. Alle Kapitel sind dabei kurz und überschaubar gehalten. Denn das Werk zielt vorwiegend auf Leser, die beruflich mit Muslimen zusammenkommen und sich schnell und zuverlässig über die Lebensregeln der Gläubigen orientieren möchten.
"Also wir müssen doch zum Beispiel sehen, es gibt Muslime bei der Bundeswehr, es gibt Muslime in Gefängnissen und in vielen anderen Bereichen, wo große Gruppen von Menschen zusammen sind, die auf 'ne bestimmte Art zum Beispiel auch mit Essen und Trinken versorgt werden, und dass da einfach jemand ist, der das liest, also sagen wir mal ein Bundeswehroffizier, der Muslime in seiner Truppe hat, der sagt, jetzt gucken wir einfach hier mal nach, wie ist das eigentlich. Denn es passiert häufig auch, dass manche Muslime sagen, dies und das ist Islam oder das sind unsere Regeln, und wir möchten daher entsprechend behandelt werden. Dann bietet das Buch natürlich nun auch die Möglichkeit jemandem, nachzuschauen und festzustellen, dass das möglicherweise gar nichts mit Islam zu tun hat, sondern statt dessen irgendwelche regionalen Regeln sind, die andere Muslime ganz anders sehen würden."
Die Autoren wollen auch Muslime mit dem Handbuch über Pflichten und Freiheiten des islamischen Rechts belehren. Das klingt zunächst etwas dreist. Schließlich sind die Autoren christlich sozialisiert. Der Anspruch erscheint erst verständlich, wenn die Grundlage des Nachschlagewerkes beachtet wird. Die Ausführungen basieren auf Urteilen muslimischer Rechtsgelehrter. Ihre Autorität verleiht dem Buch seine Verbindlichkeit. In diesem Zusammenhang führt der Titel "Recht und Kultur des Islam in der deutschen Gesellschaft" ein wenig in die Irre. Denn natürlich gelten die Entscheidungen der islamischen Gelehrten - und damit auch die Darlegungen in dem Handbuch - für Muslime in aller Welt. Nur das letzte Kapitel befasst sich speziell mit der Situation der Gläubigen in Deutschland. Der Jurist Janbernd Oebbecke hat dort den Stand der Gerichtsurteile zu Fragen der muslimischen Lebensweise beschrieben. Ansonsten tauchen spezifisch deutsche oder europäische Fragen nur am Rande auf. Viele von ihnen sind noch unzureichend gelöst, gibt Peter Heine zu.
Viele Probleme, die Muslime hier haben im täglichen Leben, können im Grunde nur von Rechtsgutachtern begutachtet werden, die die deutschen Kontexte gar nicht kennen, die hier nie gewesen sind oder nur mal kurz zu Besuch, die aber immer davon ausgehen, von einer Situation, wie sie bei ihnen zu Hause, in Ägypten, in Marokko, in Indonesien, herrscht. Und da wird es immer eine Differenz geben und ohne Zweifel sehr lange noch ein Problem für Muslime, damit umzugehen.
Es ist die gegenwärtige Situation der Gläubigen, die der "Kulturknigge für Nichtmuslime" und das "Handbuch Recht und Kultur des Islam in der deutschen Gesellschaft" hervorheben. Nur in kurzen Einleitungen berücksichtigen die Autoren auch die Ursprünge dieser Religion. Wer beispielsweise etwas mehr über die Geschichte ihres Stifters Mohammed erfahren möchte oder über unterschiedliche Färbungen des Islam, muss auf eines der zahlreichen Einführungsbücher zurückgreifen. Exemplarisch sei hier der DuMont Schnellkurs "Islam" von Walter Weiss erwähnt. Er bietet in besonders übersichtlicher Form Fakten: vom politischen Umfeld Mohammeds im 7. Jahrhundert an, über die Zeit der Kalifen, die Blüte der islamisch-arabischen Kultur oder den kämpferischen Mongolen Dschingis Khan bis hin zum heutigen Nahost-Konflikt. Alles auf knapp 200 Seiten.
"Einheit und Vielfalt - unter konsequenter Berücksichtigung dieser beiden nur scheinbar widersprüchlichen Phänomene wird im folgenden versucht, die großen religionsgeschichtlichen und, damit eng verknüpft, die politischen Entwicklungen nachzuzeichnen..."
schreibt der Autor im Vorwort.
"Parallel zu dieser chronologischen Darstellung werden ausführlich die Grundlagen des Glaubens - der Koran, die Scharia, die prophetische Überlieferung etc. - sowie die wichtigsten Aspekte des Alltags und die Rituale des Jahres- und Lebenslaufes behandelt. Auch so viel und kontrovers diskutierte Themen wie die Stellung der Frau und die weitverbreitete Tendenz zur Re-Islamisierung bleiben nicht ausgespart."
Der DuMont Schnellkurs erfüllt zwei Funktionen. Zum einen ist er ein kleines Lexikon. Über ein Sach- und Personenregister findet jeder Interessierte schnell, was er sucht. Zum anderen eignet sich das Buch als Einführungslehrgang. Aufgelockert durch zahlreiche Fotographien, Bilder, Karten und Statistiken liest es sich leicht von der ersten bis zur letzten Seite durch. Danach dürfte dem Leser klarer sein, warum der Islam stärker als zum Beispiel das Christentum den Alltag seiner Anhänger bestimmt.
"Da der Islam keine Trennung zwischen Religion und Alltagsleben kennt, regelt seine Glaubens- und Pflichtenlehre nicht nur die Handlungen der Gläubigen auf kultisch-rituellem Gebiet, sondern in sämtlichen Lebenslagen. Die Scharia ist das allumfassende Grundgesetz der göttlichen Weltordnung, durch das der Mensch auf Erden immerfort geleitet wird. ... Nach dem Tod des Propheten hatten die Theologen und Rechtsgelehrten drei Jahrhunderte lang in unzähligen Diskursen und Lehrzirkeln ein kompliziertes Regelwerk erarbeitet, das auf der Basis von Koran und Hadithen" - das ist die Propheten-Tradition - "alle nur erdenklichen Fragen und Probleme beantworten und lösen half."
Ähnlich wie Peter Heine mit seinem "Kulturknigge" will Walter Weiss mit seinem Islambuch vor allem aufklären. Er möchte dem verzerrten Bild des Islam in den Medien entgegenwirken und den Europäern ihr Misstrauen gegenüber der fremden Kultur nehmen. Lange vor dem 11. September hat er diesen Anspruch formuliert. Doch nach den Attentaten, so der Islamwissenschaftler Peter Heine, sei dieser Ehrgeiz nötiger denn je.
"Was wir zur Zeit haben, ist ja so etwas wie Islamophobie. Es gibt ganz viele Leute, die das bestreiten würden, aber ich bin wirklich davon überzeugt, dass sehr viele Leute einfach Angst haben; und diese Angst rührt zunächst mal von mangelnder Kenntnis her. Und wenn man also hingeht und sich informiert, dann kann man zunächst einmal seine eigene Angst abbauen. Man lernt dann auch zu differenzieren, man lernt festzustellen, dass es eben, wie überall in allen Gesellschaften; unterschiedliche Gruppen gibt, unterschiedliche Menschen, Einzelpersonen, und dass man dann vielleicht auch versucht, Kontakt mit irgend jemandem aufzunehmen und mit ihm dann zu diskutieren, was bedeutet das alles. Vielleicht erfährt man mehr dann auf diese Art als über die Bücher, das wäre zu hoffen."
Peter Heine: Kulturknigge für Nichtmuslime. Ein Ratgeber für den Alltag. Erschienen als überarbeitete Neuausgabe im Herder Verlag, Freiburg, 159 Seiten zum Preis von DM 19,90. Adel Theodor Khoury, Peter Heine, Janbernd Oebbecke: Handbuch Recht und Kultur des Islam in der deutschen Gesellschaft. Publiziert im Gütersloher Verlagshaus, 333 großformatige Seiten, DM 78,-- und Walter M. Weiss: Islam. DuMont Buchverlag Köln, 190 Seiten, zum Preis von DM 24,80.