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Sendeverbot in Russland
Intendant Limbourg: "Die Deutsche Welle kennt diese Situationen"

Das Ausstrahlungsverbot für die Deutsche Welle in Russland hält deren Intendant Peter Limbourg für einen Akt reiner Willkür. Als Auslandssender kenne man sich aber aus mit Sperrungen und Restriktionen und werde die russische Bevökerung dennoch weiter mit ausgewogenen Berichten versorgen, sagte er im Dlf.

04.02.2022
Der Auslandssender Deutsche Welle musste am 3. Februar 2022 sein Moskauer Büro schließen und erhielt Sendeverbot
Der Schritt gilt als Vergeltung für den Ausstrahlungsstopp des russischen Fernsehkanals RT DE in Deutschland (AFP / Yuri KADOBNOV)
Russland hat dem Auslandssender Deutsche Welle am Donnerstag, 03.02.2022 die Sendelizenz entzogen. Das Büro des Auslandssenders in Moskau muss schließen, alle Mitarbeiter verlieren ihre Akkreditierung. Der Schritt gilt als Vergeltung für den Ausstrahlungsstopp des russischen Fernsehkanals RT DE in Deutschland.
Die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) hatte die Verbreitung des RT-Kanals vollständig verboten - auch per Live-Stream im Internet oder per App und begründete den Schritt damit, dass dem Sender die "erforderliche medienrechtliche Zulassung" fehle. RT – früher Russia Today – sieht sein Programm als Beitrag zur Meinungsvielfalt in Europa. Kritiker werfen dem Sender dagegen Kremlpropaganda und Desinformation vor.

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Peter Limbourg ist Intendant der Deutschen Welle. Er spricht beim Ausstrahlungsverbot seines Senders in Russland von einem „wirklichen Anschlag auf die Pressefreiheit“. Man prüfe derzeit den Rechtsweg. Gleichzeitig zeigte er sich zuversichtlich, dass die Deutsche Welle weiter im russischen Markt präsent sein werde. Man sei sehr stark im Internet und in den sozialen Medien mit einem russischsprachigen Angebot vertreten. „Ich glaube, wir sind gut aufgestellt.“
Limbourg fügte hinzu, dass die Deutsche Welle Restriktionen und Sperrungen etwa seiner Internetangebote auch in anderen Staaten erfahre. „Das erleben wir im Iran, das erleben wir in China und wir erleben es auch jetzt in Belarus.“ Der Nutzung von Angeboten auf YouTube und anderen sozialen Kanälen in Belarus habe das aber nicht geschadet.

Das Interview im Wortlaut:

Jürgen Zurheide: Herr Limbourg, was passiert um neun Uhr? Das war die Uhrzeit, die ich mir aufgeschrieben habe, die mir genannt wurde. Was passiert um neun Uhr in Moskau?
Limbourg: Jetzt ist gerade die Frist abgelaufen, in der wir aus Moskau aus unserem Büro, aus unserem Studio berichten können. Das heißt, im Moment passiert da jetzt erst mal nichts. Die Kollegen werden sich heute Vormittag dort versammeln, aber sie dürfen nicht mehr journalistisch arbeiten. Bis 16 Uhr müssen Sie ihre Akkreditierung abgegeben haben.
Der Intendant der Deutschen Welle, Peter Limbourg
DW-Indendant Peter Limbourg: Es wird weiterhin ein breites russischsprachiges Angebot geben (picture alliance/dpa/Oliver Berg)

"Wir hoffen, dass der Rechtsweg offensteht"

Zurheide: Wie bewerten Sie das? Sie sind empört, das ist keine Frage.
Limbourg: Ich glaube, das ist eine völlig überzogene Reaktion, und das ist ein wirklicher Anschlag auf die Pressefreiheit und hat mit rechtsstaatlichem Vorgehen nichts zu tun. Das ist ein reiner Willkürakt.
Zurheide: Welche Möglichkeiten haben Sie? Der Rechtsweg steht Ihnen offen, das haben Sie in einer ersten Erklärung gestern gesagt. Was versuchen Sie da?
Limbourg: Wir hoffen, dass der Rechtsweg offensteht. Wir haben eine Anwältin beauftragt in Moskau. Die wird sich heute darum kümmern und ist auch schon im Gespräch mit unseren Kolleginnen und Kollegen. Wir werden versuchen, Einspruch einzulegen, aber die Chancen sind nicht sehr hoch, aber wir werden das probieren, denn auch der russische Staat muss natürlich begründen, warum er uns die Lizenz erzieht, warum er uns zum ausländischen Agenten erklärt und warum er unser Büro schließt.

Starkes russischsprachiges Angebot im Internet

Zurheide: Die Frage ist, ob es auf dem Rechtsweg irgendwelche Möglichkeiten gibt, dagegen vorzugehen. Oder müssen Sie nicht fürchten, dass Sie eine Art diplomatische Verhandlungsmasse werden und dass an Ihrem Beispiel ein Exempel statuiert wird?
Limbourg: Damit müssen wir leben als Auslandsrundfunk, dass die Gefahr immer besteht. Aber wir kennen uns aus. Die Deutsche Welle ist fast 70 Jahre alt und kennt diese Situationen auch und ich glaube, wir werden die richtigen Antworten finden im Programm und werden das auch mit einer gewissen Gelassenheit versuchen zu lösen. Aber für die Kolleginnen und Kollegen vor Ort ist es eine echte Belastung und auch gerade für die, die das Land verlassen müssen, oder die, die jetzt in Russland als russische Staatsbürger möglicherweise Schwierigkeiten bekommen werden.
Zurheide: Wie werden Sie weiter berichten? Das war ja auch Ihre erste Reaktion, dass das die Berichte ja kaum verhindern wird. Wie berichten Sie und welche Möglichkeiten wird es vor allen Dingen im Ausland geben, noch auf Sie zuzugreifen? Oder müssen Sie dort auch fürchten, abgeknipst zu werden?
Limbourg: Das wird man sehen. Wir sind nach wie vor und sehr stark im Internet mit unserem russischsprachigen Angebot vertreten. Wir haben sehr viele Videos auf Social Media. Ich glaube, wir sind gut aufgestellt. Wir haben eine starke Redaktion in Bonn und viele Kollegen auch in Berlin, in Kiew, in den baltischen Staaten. Wir sind gut aufgestellt, aber natürlich kann man nicht von heute auf morgen ein funktionierendes Büro wie das Studio Moskau kompensieren. Aber ich bin ganz zuversichtlich, dass wir dann auch alles daransetzen werden, um die russische Bevölkerung nach wie vor mit ausgewogenen Berichten zu versorgen, denn das ist unser Markenzeichen.

Limbourg: Restriktionen kennen wir schon aus dem Iran, China und Belarus

Zurheide: Welche Abspielwege stehen Ihnen zur Verfügung, oder müssen Sie nicht fürchten, dass auch da dann möglicherweise der eine oder andere Abspielweg abgeknipst wird?
Limbourg: Das kann sein, dass es Restriktionen gibt gegen unsere Website, Sperrungen. Aber auch da, muss ich sagen, kennen wir das. Das erleben wir im Iran, das erleben wir in China und wir erleben es auch jetzt in Belarus. In Belarus hat es nicht zu einer signifikanten Einschränkung der Nutzung geführt. Wir sind nach wie vor sehr stark auf YouTube und anderen sozialen Kanälen. Ich bin nach wie vor zuversichtlich, dass wir jetzt nicht in der Versenkung verschwinden werden, sondern wir werden alles daransetzen, weiter präsent zu sein im russischen Markt, und wenn es geht auch sogar noch stärker als vorher.
Zurheide: Ganz kurz zum Schluss. Was erwarten Sie von der Bundesregierung?
Limbourg: Ich glaube, die Bundesregierung tut das ihre und hat dagegen auch protestiert. Ansonsten sehen wir gelassen, was jetzt passiert, und sind sicher, dass die Bundesregierung uns auch wie bisher unterstützt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.