Er würde heute wieder eintreten, sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber. Als jenes Ereignis, das ihn im Teenager-Alter dazu bewogen habe, Mitglied der Jungen Union zu werden, nannte Tauber die deutsche Einheit.
Auch wenn die Zeiten des massenhaften Mitgliederzulaufes vorbei seien, wie in den 70er-Jahren, hielt Tauber fest: "Noch immer treten jeden Monat über 1.000 Menschen in die CDU ein."
Anstiege verzeichne man vor allem bei muslimischen Mitgliedern, "weil diese erkennen, dass die CDU auch ein Angebot für sie bereit hält." Manche Muslime schätzten an der CDU besonders die Familienpolitik, so Tauber. "Und auch das Bekenntnis zu einer religiösen Angehörigkeit."
Eine spannende Aufgabe für die CDU sei es, in vielen großen Städten wieder den Sessel des Oberbürgermeisters zu gewinnen.
Das Interview in voller Länge:
O-Ton Konrad Adenauer: "Der grundlegende Satz unseres Programms ist, an die Stelle der materialistischen Weltanschauung muss wieder die christliche treten, an die Stelle der sich aus dem Materialismus ergebenden Grundsätze diejenigen der christlichen Ethik. Sie müssen bestimmend werden für den Wiederaufbau des Staates und die Abgrenzung seiner Macht, für die Rechte und Pflichten der Einzelpersonen, für das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Leben, für das Verhältnis der Völker zueinander. Wir betrachten die hohe Auffassung des Christentums von der Menschenwürde, vom Wert jedes einzelnen Menschen als Grundlage und Richtschnur unserer Arbeit."
Christoph Heinemann: Adenauer haben wir gerade gehört, Erhard, Kiesinger, Kohl, Merkel - ihre Kanzler und deren Regierungen haben die Geschichte der Bundesrepublik geprägt. Die CDU feiert Geburtstag. Am 17. Juni 1945 wurden die Kölner Leitsätze festgelegt, das Programm der neuen Partei im Rheinland und in Westfalen. Heute vor 70 Jahren folgte in Berlin der Gründungsaufruf "Deutsches Volk!"
Sigmar Gabriel hat der CDU gratuliert. Das ist guter demokratischer Brauch. Der SPD-Chef hat seiner CDU-Kollegin geschrieben, wie keiner konservativen Partei zuvor in der deutschen Geschichte sei es der CDU gelungen, die regionalen und konfessionellen Grenzen des deutschen Bürgertums unter dem Dach einer Volkspartei zu überwinden.
Eine kleine Spitze steckt in diesen Zeilen, nämlich das Wort Konservativ, denn die CDU gründet nach ihrem Selbstverständnis auf drei Säulen, einer christlichen, einer liberalen und einer konservativen, ist also nach eigener Darstellung nur zu einem Drittel konservativ. - Am Telefon ist jetzt Peter Tauber, der Generalsekretär der CDU. Guten Morgen.
Peter Tauber: Einen schönen guten Morgen.
Heinemann: Herr Tauber, warum sind Sie in die CDU eingetreten?
Tauber: Für mich war der entscheidende Moment die deutsche Einheit. Ich habe den Fall der Mauer erlebt, da war ich 15 oder 16 Jahre alt, und diese Bilder, bei denen sich Menschen lachend und weinend zugleich in den Armen lagen, weil sie frei waren, und die Art und Weise, wie die CDU damals sich zu dieser Einheit positioniert hat, und Helmut Kohl natürlich als Kanzler der Einheit, das hat mich zunächst in die Junge Union und dann in die CDU geführt.
Heinemann: Ist lange her. Würden Sie heute noch mal eintreten?
Tauber: Ja aber klar!
Heinemann: Warum?
Tauber: Heute würde ich eintreten, weil ich die CDU als eine Partei erlebe, die auch in langen Linien denkt, ohne die täglichen Probleme aus dem Blick zu verlieren. Wenn wir an Europa denken, das ist für Deutschland nach wie vor das zentrale Projekt, an dem wir uns beteiligen müssen. Wenn ich an wertegebundene Debatten denke, wie aktuell die Frage der Sterbehilfe, oder auch an Zukunftsfragen wie die Digitalisierung, da, finde ich, ist meine Partei auch ganz gut aufgestellt.
Heinemann: Andere doch auch.
Tauber: Andere auch, aber eben anders. Wir haben eben Adenauer gehört und vieles von dem, was er beschrieben hat, können Sie auf diese Fragen bis heute runterbrechen, sodass die CDU immer vor der Herausforderung steht, neue Antworten auf neue Probleme zu geben, aber auch zu erklären, wo wir das hernehmen, was sozusagen unser geistiges Rüstzeug ist, und davon hat sich vieles seit 70 Jahren bewährt und daran halten wir auch fest.
Heinemann: Warum folgen so wenige Ihrem Beispiel?
Tauber: Ach, so wenige sind es gar nicht. Jeden Monat treten über tausend Menschen in die CDU ein. Wir verlieren trotzdem tendenziell Mitglieder, aber Gott sei Dank nicht so viele wie die anderen Parteien. Wir sind wieder die größte Partei in Deutschland, obwohl es uns in Bayern gar nicht gibt. Wir stehen aber vor der Herausforderung, dass es in den 70er-Jahren eine große Welle gab. Damals, als Biedenkopf und Geißler Generalsekretäre waren und Helmut Kohl die Führung der Partei übernommen hatte, sind in kurzer Zeit über 200.000 Mitglieder neu dazugekommen. Damals ist die CDU auch wirklich Volkspartei und Mitgliederpartei geworden und diese Mitglieder sind heute 70 Jahre alt und älter, und jetzt neue Menschen für die CDU zu begeistern ist eine Herausforderung. Aber tausend kommen jeden Monat neu dazu, das ist ja nicht so schlecht.
Heinemann: Was haben Biedenkopf und Geißler besser gemacht als Peter Tauber, Herr Tauber?
Tauber: Das ist eine gute Frage. Ich bin ja jetzt auch erst ein Jahr Generalsekretär. Ich schaue mir natürlich auch an, was meine Vorgänger gemacht haben, und von Biedenkopf und Geißler kann man sicherlich auch lernen. Ich tue das oder versuche das. Aber ich glaube auch, dass Generalsekretäre in ihrer jeweiligen Zeit Aufgaben haben, die den Vergleich schwerer machen. Schauen Sie, allein die Art, wie wir heute kommunizieren, soziale Netzwerke, eine Flut von Medien, privates Fernsehen und privater Rundfunk, das gab es alles damals in der Zeit nicht. Botschaften ins Volk zu tragen, das war damals anders oder vielleicht auch manchmal leichter. Von daher beschäftige ich mich eher mit der Frage, was kann ich heute tun, um diesen Herausforderungen mich zu stellen, gemeinsam natürlich mit anderen in der CDU.
Heinemann: CDU-Mitglieder sind im Durchschnitt männlich, alt und zumindest äußerlich weiß. Wo ist das Volk in Ihrer Volkspartei?
Tauber: Na ja. Ob jemand mit 59 sich zum alten Eisen zählen lassen wollen würde, da habe ich leise Zweifel. 60 ist das neue 40. Insofern haben Sie aber Recht: Das Durchschnittsalter der CDU-Mitglieder liegt bei 59 Jahren. Unser weiblicher Mitgliederanteil liegt bei knapp 26 Prozent. Und in der Tat müssen wir uns dann fragen, wo können wir attraktiver werden für junge Leute, für Frauen, aber auch angesichts der Tatsache, dass 15 Millionen Menschen in unserem Land eine Einwanderungsgeschichte haben, für diese. Die sind noch unterrepräsentiert in der CDU. Aber wir erleben gerade, dass sich da unheimlich viel tut, gerade bei zum Beispiel muslimischen Mitgliedern. Da steigt die Zahl deutlich an, weil die erkennen, dass die CDU auch ein Angebot für sie bereithält.
Heinemann: Trotz oder wegen des C?
Tauber: Das kommt sehr darauf an. Es gibt Mitglieder, die zum Beispiel türkeistämmig sind, die hier ein Unternehmen gegründet haben, die eher wegen der sozialen Marktwirtschaft und wirtschaftspolitischen Fragen zu uns kommen, andere, weil sie sagen, die CDU steht für eine Familienpolitik, wie wir sie gut finden. Aber es gibt auch gläubige Muslime, die wegen des C eintreten und sagen, das C ist ein Signal, dass in der Union Religionsfreiheit einen hohen Stellenwert hat und Menschen auch mit einem religiösen Bekenntnis wertgeschätzt werden, und das ist ja in einer Gesellschaft, in der eine zunehmende Zahl gar keiner Religionsgemeinschaft mehr angehört, auch ein Wert an sich.
Heinemann: Wir haben eben Konrad Adenauer gehört, der ja gesagt hat, an die Stelle der materialistischen Weltanschauung müsse wieder die christliche treten. Wie viel C hat denn die CDU überhaupt noch zu bieten? Oder anders gefragt: Materialistischer als im Moment geht es doch kaum noch.
Tauber: Das sehe ich anders. Wenn wir in der nächsten Woche im Deutschen Bundestag über die Sterbehilfe reden, wenn wir sehen, wie viel Geld wir jetzt zusätzlich in die Hospizbewegung und in die Palliativversorgung investieren, dann können Sie das auch aus der christlichen Nächstenliebe, aus der Verantwortung und der Mitmenschlichkeit, aus der Solidarität, wenn Sie so wollen, herleiten. Gerade diese gesellschaftliche Debatte fußt ja auf dem C, zumindest für uns Christdemokraten. Das was wir tun im Bereich der Pflege, was Hermann Gröhe da als Gesundheitsminister auf den Weg gebracht hat, um eine letzte Lebensphase in Würde möglich zu machen, auch das können Sie aus dem C herleiten. Es gibt auch in der Tagespolitik ganz viele Fragen, die uns immer wieder auf unsere Wurzeln als Union zurückführen.
"Es ist eine spannende Aufgabe, auch den Sessel des Oberbürgermeisters zu gewinnen"
Heinemann: Sie sprachen eben davon, die CDU müsse attraktiver werden. Heißt attraktiver beliebiger? Das ist ja auch ein Vorwurf, der aus den eigenen Reihen immer wieder zu hören ist.
Tauber: Ja, den teile ich aber nicht, weil ich glaube, dass es ein paar Dinge gibt, die sich in der CDU seit 70 Jahren nicht verändert haben. Das ist das Bekenntnis zum C, daraus abgeleitet auch das christliche Menschenbild und die Werte, die dafür stehen, die auch für Menschen, die keiner christlichen Konfession angehören, wichtig und attraktiv sind, die soziale Marktwirtschaft, die Liebe zu unserem Land. All das sind Konstanten, die uns seit 70 Jahren begleiten, und die Herausforderung ist immer, Antworten für heute zu geben, bei denen die Menschen in Deutschland das Gefühl haben, wir sind bei der CDU gut aufgehoben. Das ist die große Kunst und vor der stehen wir, wenn Sie so wollen, jedes Jahr neu und deswegen sind wir immer wieder gefordert, neue Antworten zu geben. Und das, was heute oft beschrieben wird als das Zentrale in der Geschichte der Union, die deutsche Einheit, wie sie geworden ist, die Durchsetzung der sozialen Marktwirtschaft, wenn man sich das historisch noch mal anschaut, stellt man fest, das war damals auch in der Partei und in der Gesellschaft oft jeweils hoch umstritten.
Heinemann: Was bleibt von der CDU, wenn man Angela Merkel abzieht?
Tauber: Dann bleiben 470.000 Männer und Frauen, die überzeugte und begeisterte Christdemokraten sind, viele, die in den Kommunen, in den Rathäusern Verantwortung tragen, und irgendeiner von denen wird irgendwann Angela Merkel folgen.
Heinemann: Nur leider, dass kaum noch eine Großstadt von der CDU regiert wird.
Tauber: Wir haben in vielen Großstädten auch die größte Fraktion in den Räten. Aber Sie haben Recht: Es ist eine spannende Aufgabe, auch den Sessel des Oberbürgermeisters zu gewinnen. Da arbeiten wir dran. Jetzt sind in Nordrhein-Westfalen in vielen großen Städten demnächst Oberbürgermeisterwahlen, in Bonn, in Köln und auch in Essen und anderen. Wuppertal, da sitzen wir im Rathaus mit Peter Jung, und da arbeiten wir jetzt dran, dass wir auch mal wieder eine Wahl gewinnen. Das ist eines der Projekte für die Zukunft. Also wir feiern nicht nur Geburtstag, wir schauen auch nach vorne.
Heinemann: Aber ohne Merkel ist da nicht mehr viel.
Tauber: Ich glaube, das sehen ganz viele ganz anders. Sie haben gerade Konrad Adenauer zitiert. Konrad Adenauer hat die CDU auf eine Art und Weise geprägt und repräsentiert. Wahrscheinlich haben damals auch welche gesagt, wenn Adenauer weg ist, dann bleibt nicht viel von der CDU, und dann kamen andere große Persönlichkeiten. Vielleicht ist es gerade das, was andere, die der Union nicht so nahestehen, auch die Sozialdemokraten so umtreibt, dass sie keine charismatischen Führungspersönlichkeiten in ihren Reihen haben, und deswegen sind wir sehr stolz, dass wir Angela Merkel als Parteivorsitzende haben.
Heinemann: Ist für die Schwarzen die Hoffnung grün, wenn man an künftige Koalitionen denkt?
Tauber: Ach, ich glaube, die Union tut gut daran, daran zu arbeiten, so stark zu sein, dass es ohne uns nicht geht, und dann freuen wir uns auch, wenn es wieder künftig Liberale in den Parlamenten gibt. Aber wir erleben auch, dass es in Hessen eine gut funktionierende schwarz-grüne Koalition gibt, und wenn die Grünen das auch merken, dann ist das sicherlich auch an anderen Stellen im Land möglich.
Heinemann: CDU-Generalsekretär Peter Tauber - danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
Tauber: Sehr gerne! Tschüss!
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