Am Mittwoch hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Rand der Kabinettssitzung den Außenminister zur Seite genommen, so berichten Spiegel und Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Ein Ergebnis des Gesprächs mit Frank-Walter Steinmeier hatte am Freitag schon Regierungssprecher Steffen Seibert bestätigt: Der Petersburger Dialog wird verschoben.
"Eine Mitgliederversammlung zum jetzigen Zeitpunkt hätte die Chancen für Reformen nach unserer Auffassung geschmälert."
Und in welche Richtung Reformen gehen sollten, auch das machte Seibert klar.
"Es ist wichtig, dass der zivilgesellschaftliche Dialog mit Russland fortgeführt wird. Es muss dabei ein Weg gefunden werden, in dem auch bedeutende Vertreter der deutschen Zivilgesellschaft sich in diesem Dialog wiederfinden können, sich nicht marginalisiert finden können, in diesem Petersburger Dialog."
Kritik am Format des Petersburger Dialogs, an sich gedacht als Plattform der Zivilgesellschaften, gab es von Anfang an. Auf russischer Seite sei das Format geprägt von Personen, die dem Kreml nahe stünden. Auf deutscher Seite beklagten Menschenrechtsorganisationen, Interessen wie die des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft gäben den Ton an. Je mehr kritische Nichtregierungsorganisationen in Russland unter Druck gerieten, desto lauter wurde die Kritik, nachdem verschiedene Organisationen ihr Kommen abgesagt hatten, war schon das für Oktober geplante Treffen in Sotschi abgesagt worden. Diesmal geht es nicht um eine kurzfristige Verschiebung. Denn, so muss man Regierungssprecher Seibert wohl verstehen: Erst kommt die Reform.
"Es ist auch nicht an der Bundesregierung, einen Zeitrahmen zu nennen. Es ist an den Verantwortlichen des Petersburger Dialogs, die nötigen Diskussionen und Gespräche zu führen."
"Raum für kritische Auseinandersetzungen mit der russischen Politik"
Ganz so unbeteiligt ist die Bundesregierung aber offenbar nicht. Am Wochenende wurde ein Papier bekannt, das konkrete Reforminhalte vorgibt, es soll die Unterstützung der Kanzlerin haben. Verfasst haben die Eckpunkte laut Frankfurter Allgemeiner Sonntagszeitung der CDU-Außenpolitiker Andreas Schockenhoff, die Grüne Marieluise Beck, der Vize-Generalsekretär der Konrad-Adenauer-Stiftung, Gerhard Wahlers, und der Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, Ralf Fücks. Schon die Namen zeigen den Kurs an. Denn alle vier stehen in unterschiedlicher Weise für eine kritische Auseinandersetzung mit Russland. Sie schlagen laut FAS unter anderem Strukturveränderungen vor, mit deutlich mehr Vorstandsmitgliedern und einer zeitlichen Entkoppelung von den deutsch-russischen Regierungskonsultationen.
Insgesamt soll es, so zitiert das Blatt, "Raum für kritische Auseinandersetzungen mit der russischen Politik" geben. Stiftungen und zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich in Russland engagieren, sollten mehr Gewicht bekommen. Wie die Zeitung und auch der Spiegel schreibt, soll sich der Wandel auch im Führungspersonal abbilden. Lothar de Maiziere, der letzte DDR-Ministerpräsident, der derzeit an der Spitze des Lenkungsausschusses steht, gelte im Kanzleramt als zu unkritisch. Tatsächlich waren Spannungen in den vergangenen Tagen deutlich geworden. Die Kanzlerin habe ihn zur Absage der Mitliederversammlung gedrängt, hatte er der FAZ gesagt, das habe er "ungern" getan.
Die angedachten Strukturveränderungen würden einem weiteren derzeitigen Hauptakteur den Einfluss nehmen: Mathias Platzeck. Der leitet das deutsch-russische Forum, an das der Dialog derzeit angebunden ist. Stattdessen, das wiederum schreibt die FAS, dächte man in der Bundesregierung darüber nach, die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik oder eine parteiunabhängige Stiftung zu betrauen. Außenminister Steinmeier, so heißt es, billige die Reformgedanken.