Bernhard Kaster sieht den "Petersburger Dialog" als Plattform, "die weiter genutzt werden sollte". Die aktuellen Themen müssten aber mit großer Offenheit und Kritik angesprochen werden.
Die Abwesenheit von Offiziellen hält der CDU-Politiker für unproblematisch: "Der Petersburger Dialog war immer ein Symbol für auch einen zivilgesellschaftlichen Dialog - nicht ausschließlich auf der Regierungsebene." Die Entscheidung, dass derzeit keine Regierungskonsultationen stattfänden, sei richtig.
Der "Petersburger Dialog" findet in der Regel im Umfeld der deutsch-russischen Regierungskonsultationen statt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte diese Gespräche nach der Übernahme der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland jedoch abgesagt.
Mario Dobovisek: Am Telefon begrüße ich den parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Bernhard Kaster. Guten Tag, Herr Kaster!
Bernhard Kaster: Schönen guten Tag!
Dobovisek: Sie sind auch Vorsitzender der Deutsch-Russischen Parlamentariergruppe, Herr Kaster. Wir haben jetzt gerade gehört, dass Russland enttäuscht über die Form des Petersburger Dialogs ist, die abgespeckte Form – ist der Dialog noch ein wirklicher Dialog?
Kaster: Ich denke, dass diese Plattform durchaus weiter genutzt werden sollte. Es gab schon vollkommen unabhängig von der jetzigen Krise in der Vergangenheit Kritik in der Ausgestaltung dieses Dialogs und gewissen Entwicklungen, die dort stattgefunden haben. Das kam eben auch in einem Beitrag rüber. Das ist auch berechtigt. Aber dennoch denke ich, in dieser Zeit sollte man die Gespräche fortführen und dann aber auch zeigen, dass dieser Dialog ein echter Dialog ist, in dem man mit großer Offenheit und auch sehr kritisch miteinander die aktuellen Themen auch sehr offen bespricht.
Dobovisek: Wie ist der Dialog möglich, wenn die wichtigsten Protagonisten fehlen?
Kaster: Der Petersburger Dialog war immer ein Symbol für auch einen zivilgesellschaftlichen Dialog, nicht ausschließlich auf der Regierungsebene. Dass auf der Regierungsebene auch die Regierungskonsultationen im Moment nicht stattfinden, das ist eine richtige Entscheidung. Das wird auch breit getragen, aber auch den Gebieten des zivilgesellschaftlichen Miteinanders, auf den Gebieten Wirtschaft, Kultur et cetera sollte das Gespräch fortgeführt werden. Und ich erinnere einmal auch an die Ursprünge des Petersberger Dialogs. Bei den Ursprüngen, da sollten wir vielleicht doch noch mal überlegen, wie wir dahin wieder zurückkommen, als ein Dialog, der sich auch besinnt darauf, in Richtung gleiche Werte zu arbeiten, was Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte angeht. Und da sollte man einen solchen Dialog und auch solche Gespräche von heute nutzen, ein Zeichen zu setzen, dass hier nicht nur, ich sag jetzt einmal Regierungslobbyismus betrieben wird, sondern dass hier ganz offen die Dinge angesprochen werden, was in den Ländern vor sich geht und wie angespannt die Lage ist. Das sollte man hier schon nutzen.
Dobovisek: Was bringt der Dialog denn, wenn die Delegation aus Russland, die ja, wie Sie sagen, auch zivilgesellschaftlich widergespiegelt werden soll, handverlesen ist von der russischen Führung?
Kaster: Was ist denn die Alternative? Es gilt das zu kritisieren. Ich sage auch, wir müssen bei dem Petersburger Dialog Überlegungen anstellen, es hat hier gewisse Entwicklungen gegeben, die haben sich verselbstständigt. Das muss kritisiert werden. Aber dann zu sagen, wir führen auch den jetzt im Moment überhaupt nicht mehr fort, würde ich jetzt für falsch halten. Wir sollten das offen ansprechen, und wir müssen dafür sorgen, dass hier Gesprächspartner von allen Seiten mit dabei sind, verschiedene Haltungen, und von daher halte ich es schon für richtig, dass man das miteinander anspricht. Es muss aber in Offenheit dann auch geschehen.
Dobovisek: Ist mit Russland dieser Tage überhaupt ein ernsthafter Dialog möglich?
Kaster: Ja, die Frage ist jetzt zu stellen – mit Russland. Mit Russland, das heißt, mit der Kreml-Spitze ist das alles außerordentlich schwierig. Man hat hier Europa und die Welt in die schwerste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg gestürzt. Das ist eine hoch angespannte, gefährliche Situation, und man muss froh sein für jeden, der hier sehr verantwortungsvoll und behutsam mit umgeht. Will aber sagen, und da können solche Dialogforen auch eine Chance sein, dass es ja viele Entwicklungen in Russland gibt, in der Zivilgesellschaft, nicht nur im wirtschaftlichen Bereich. Es hat sich eine Bürgergesellschaft dort entwickelt. Bei den Städtepartnerschaften, im Jugendbereich, da sage ich, da ist die Gesellschaft in Russland schon ein erhebliches Stück weiter als die Kreml-Spitze. Und mich bedrückt das Ganze, diese politische Entwicklung, dass hier positive Entwicklungen, die es in der Gesellschaft gegeben hat, hier auch zurückgeworfen werden. Und da müssen wir unseren Beitrag zu leisten, dass hier nicht alles zerstört wird, alles kaputt gemacht wird, dass diese positiven Entwicklungen, die es gegeben hat, dass man da noch mit dran bleibt.
Dobovisek: Die Annexion der Krim belastet das Verhältnis schwer. Der Westen sieht darin einen Bruch des Völkerrechts, doch die Abspaltung von der Ukraine ist ein Fakt. Müssen Sie diesen zunächst einmal akzeptieren, um wieder in den ernsthaften Dialog zurückzufinden?
Kaster: Von akzeptieren kann hier keine Rede sein. Wir müssen diese Dinge in aller Offenheit und mit – wir müssen die Dinge benennen, was sie sind. Es ist Bruch des Völkerrechtes. Und ich sage das jetzt auch mal als Vorsitzender der Deutsch-Russischen Parlamentariergruppe: In den Gesprächen auch zwischen Abgeordneten des Deutschen Bundestages und der Duma muss sich jetzt zeigen, dass wir hier offen die Dinge ansprechen und überlegen, wie kann die Entwicklung weitergehen. Ich sehe das alles mit großer Sorge, wie auch hier Russland sich letztendlich isoliert. Das ist zu einem ganz großen Schaden für Russland, ist auch nicht gut für Europa und für Deutschland. Und da müssen wir, jeder auf seiner Ebene, sei es im Petersburger Dialog, sei es bei den Parlamentariern, jeder seinen Beitrag leisten. Die Parlamentarier und auch die Parlamentariergruppe sehen sich immer als auch eine Brücke zwischen den Parlamenten, aber auch eine Brücke zwischen Parlamenten und Regierungen. Und da sollte jeder, angesichts der Bedeutung und der Situation, die wir im Moment haben, seinen Beitrag leisten.
Dobovisek: Der Petersburger Dialog findet nur in abgespeckter Form statt. Regierungskonsultationen gibt es keine. Ruht denn auch die Arbeit der Parlamentariergruppen?
Kaster: Die Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag ist sich derzeit am Konstituieren. Es hat aber schon bereits eine Vielzahl auch von Gesprächen gegeben. Kolleginnen und Kollegen, die bereits auch in Russland waren, sagen mir, dass das auch sehr schwierig ist. Hier ist auch viel Emotion mit dabei, aber ich denke, gerade in einer solch angespannten Situation kann das Prinzip der Parlamentariergruppen, die es eben in den Parlamenten gibt, auch der Deutsch-Russischen Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag in Verbindung mit der Duma hier ganz besonders einen Beitrag leisten. Und mein Bemühen auch als Vorsitzender ist es, hier mit den Kolleginnen und Kollegen in Moskau im Gespräch zu bleiben und ins Gespräch weiter zu kommen.
Dobovisek: Kiew und Moskau werfen sich gegenseitig vor, das Abkommen von Genf zu missachten. Wen sehen Sie momentan am Zuge?
Kaster: Es muss in der jetzigen Situation ein eindeutiges Zeichen hier von Russland kommen. Es ist auf beiden Seiten Handeln angesagt. Aber angesichts der Entwicklungen, und das ist ja bei solchen Spannungsfällen so, wenn man sich vereinbart hat, und wir müssen froh sein, dass es zu diesen Ergebnissen in Genf kam, aber jetzt muss sich auch zeigen, dass Zug um Zug hier auch Umsetzungen erfolgen. Und jeder weiß an seinem Platz, was zu tun ist. Und hier muss endlich wirklich ein Zeichen auch von Russland kommen.
Dobovisek: Wie sollte das aussehen, das Zeichen Russlands?
Kaster: In einem Einwirken in der Ostukraine, was die entsprechenden Gruppen dort angeht, dass hier abgerüstet wird, dass es hier zu Deeskalationen kommt. Dass, so wie es auch vereinbart ist – ich sage aber auch, es muss dann Zug um Zug, auch Kiew ist hier gefordert, aber die Situation ist so brisant, dass hier wirklich von Russland jetzt auch ein Zeichen einmal gesetzt werden muss.
Dobovisek: Bedarf es schärferer Sanktionen, wenn das Zeichen ausbleibt?
Kaster: Man hat sich hier auf Vereinbarungen ja auch verständigt, auf den Dreiklang, von dem auch die Bundesregierung immer spricht. Ich wünsche, und ich habe eben schon gesagt, wie mich die ganze Situation auch bedrückt im Verhältnis zwischen Deutschland und Russland, in den Entwicklungen, man darf das ja nicht nur auf der Regierungsebene sehen, sondern muss auch einfach mal die beiden Völker sehen im Miteinander. Ich hoffe sehr, dass es nicht noch zu weiteren Sanktionen kommen muss, die dann dazu führen, die auch Wirkungen entfalten werden. Man muss in so einer Situation auch sich Sanktionen vorbehalten, aber sie führen zu Schaden, sie führen zu großem Schaden in Russland, sie führen zu einer Isolation. Ich hoffe, dass hier wirklich die Vernunft, die Verantwortung hier noch siegt und dass man hier zu Lösungen kommt, die ein Zeichen setzen, dass man diesen weiteren Schritt für noch weitere Sanktionen nicht gehen muss.
Dobovisek: Der CDU-Außenpolitiker Bernhard Kaster, Vorsitzender der Deutsch-Russischen Parlamentariergruppe. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Kaster: Ja. Danke ebenfalls!
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