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Petersburger Dialog
Stabile Differenzen zwischen Deutschland und Russland

Beide Seiten meiden zwar nicht das Gespräch, haben sich aber im bekannten Dissenz eingerichtet - das ist der Eindruck aus den Eröffnungsreden beim Petersburger Dialog, der die deutsch-russischen Beziehungen fördern soll. Ronald Pofalla, Vertreter von deutscher Seite, spricht sogar von Rückschritten.

Von Thielko Grieß |
    Im Hotel Ukraina in Moskau findet der diesjährige Petersburger Dialog statt
    Gespräche ja, Einigkeit nein - das sind die ersten Eindrücke vom Petersburger Dialog (dpa/Martina Katz)
    Die Musikgruppe, "BIS-QUIT" aus Sankt Petersburg, vollbringe bei jedem Auftritt einen, "musikalischen Umsturz", heißt es auf dem ausgeteilten Programmblatt zur Eröffnung des Petersburger Dialogs im Moskauer Hotel Ukraina. Im Unterschied zur Musik hatten die Eröffnungsreden jedoch kaum Neues zu bieten. Der Eindruck: Beide Seiten, Deutschland und Russland, haben sich in ihrem bekannten Dissens eingerichtet, meiden zwar nicht das Gespräch miteinander, aber führen es ohne allzu großen Enthusiasmus. Michail Schwydkoj, der Sonderbeauftragte des russischen Präsidenten für internationale kulturelle Zusammenarbeit formulierte die inzwischen eingeübte Sprachregelung:
    "Sie werden das, was auf der Krim passiert ist, Annexion nennen. Wir sprechen davon, dass sich die Krim mit Russland wiedervereinigt hat."
    Schwierige Lage der Zivilgesellschaft
    Gut eine halbe Stunde zuvor hatte Ronald Pofalla, der dem Petersburger Dialog von deutscher Seite aus vorsteht, Moskaus Krim-Politik, die Unterstützung für Separatisten in der Ostukraine und die schleppende Aufklärung der Skripal-Affäre kritisiert. "Russlands Verhalten in wichtigen Dossiers nehmen wir in Deutschland als Rückschritt wahr."
    Pofalla sprach auch die nach wie vor schwierige Lage der vom Staat bedrängten Zivilgesellschaft in Russland an. Im März, kurz vor der Präsidentschaftswahl, war die deutsche Nichtregierungsorganisation "Europäische Plattform für demokratische Wahlen" vom russischen Justizministerium als Ausländischer Agent eingestuft worden. Ihre Arbeit ist seither deutlich erschwert.
    "Das ist für viele, auch für mich persönlich, das sage ich hier ganz deutlich, nicht nachvollziehbar."
    Einigkeit bei umstrttener Erdgaspipeline
    Angesichts dieser stabilen Differenzen fiel ins Auge, wie einig sich jedenfalls die Redner des Abends zum Bau der umstrittenen Erdgaspipeline "Nord Stream 2" äußerten. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sieht die Interessen der Ukraine, die um Durchleitungsgebühren in Milliardenhöhe bangt, gesichert, nachdem nach seiner Vermittlung Gespräche zwischen Kiew und Moskau in Gang gekommen seien. Deutschland, das absehbar aus der Atomkraft aussteige und seinen CO2-Ausstoß verringern wolle, benötige mehr Erdgas auch aus Russland.
    "Es wird ein enormer Bedarf an Gas auch in Zukunft bestehen. Und deshalb ist die Realisierung dieses Projekts nicht im Gegensatz zu einer Diversifizierung der Gasversorgung in Europa insgesamt."
    Dieses Argument ist unter osteuropäischen EU-Ländern umstritten. Die amerikanische Drohung, Firmen wie Wintershall oder Uniper, die den Bau der Pipeline mitfinanzieren, mit Sanktionen zu belegen, ist weiter nicht gänzlich vom Tisch. Russlands Präsident Wladimir Putin hat deshalb bereits erkennen lassen, sein Land könnte die Kosten für die Röhre auch allein tragen.
    Wirtschaftsbeziehungen für Russen im Vordergrund
    Aus den Bemerkungen der russischen Gastgeber war herauszulesen: Für sie stehen die Wirtschaftsbeziehungen im Vordergrund. Wiktor Subkow, der Vorsitzende der russischen Seite des Petersburger Dialogs:
    "Immer mehr wird in Deutschland verstanden, dass der Abbau der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland schädlich und nicht richtig ist. In erster Linie für Deutschland, für seine Wirtschaft."
    Beim Treffen in Moskau war zu beobachten, dass die deutsche Seite hochrangige vertreten ist, etwa mit dem Bundeswirtschaftsminister. Auf russischer Seite hingegen zeigte sich wenig politische Prominenz.
    Dennoch bahnt sich wohl eine neue Kooperation an: Zum Schutz und zur Rekonstruktion historischer Stätten in Syrien könnte eine Kooperation zwischen russischen und deutschen Archäologen und Historikern konkreter werden – wenn der Krieg im Land beendet ist.