In großen weißen Lettern auf rotem Hintergrund steht Mitte Januar auf der dritten Jahresausgabe des "Stern": "Pflege braucht Würde". Darüber groß das Gesicht der Pflegerin Franziska Böhler, die auch online zu Wort kommt.
"Eine Pflege in Würde ist für mich die vollumfängliche individuelle Versorgung meiner Patienten ohne Zeitdruck."
Prominente unterstützten "Stern"-Petition
In einem weiteren Video, einem Zusammenschnitt mehrerer Stimmen, die auch auf dem Print-Cover zu sehen sind, erklären unter anderem TV-Größen wie Eckart von Hirschhausen, Elke Heidenreich oder Ulrich Wickert, warum sie dieses Thema wichtig finden. Und alle betonen:
"Ich habe unterschrieben." "Ich habe unterschrieben." "Ich fordere alle anderen auf, auch zu unterschreiben." "Für eine Pflege in Würde." "Für eine Pflege in Würde."
Ihr Appell zielt auf eine Bundestagspetition, in der es heißt: "Wir fordern: endlich bessere Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte." Gut 250.000 Menschen werden das Papier bis Ende der Frist digital und per Post unterschrieben haben.
Aktivismus statt Journalismus?
"Die Reaktion war wirklich überwältigend", freut sich Florian Gless, einer von drei Chefredakteuren des Magazins.
"Wir sind, was die Online-Petition angeht, heute schon die größte Online-Petition, die es bisher im Deutschen Bundestag gegeben hat."
Ein Erfolg für den "Stern" - aber nicht alle sehen das Projekt so positiv: "Können Journalistinnen und Journalisten nicht einfach weiter Journalismus machen?" fragte etwa Investigativjournalist Daniel Drepper zum Start der Aktion auf Twitter.
Noch lauter war die brancheninterne Kritik wenige Monate zuvor, als der "Stern" eine Ausgabe gemeinsam mit der Klimabewegung "Fridays for Future" gestaltet hatte. Die "Neue Zürcher Zeitung" erkannte darin einen Abschied vom Journalismus. Auch andere fanden, das Magazin habe nun die Grenze zum Aktionismus überschritten.
Einmischen aus Tradition
Den Begriff "Aktionismus" findet Chefredakteur Florian Gless zu negativ, der "Stern" habe sich halt schon immer eingemischt:
"Es geht uns bei bestimmten Punkten, die wir uns sehr, sehr genau angeguckt haben in der Recherche, dann tatsächlich um die Sache. Und da sind wir dann auch bereit, den Spielfeldrand zu verlassen und aufs Spielfeld zu gehen."
So hat sich etwa "Stern"-Gründer Henri Nannen in den 70er-Jahren für eine neue Ostpolitik stark gemacht oder hat das Magazin im Jahr 2000 eine Initiative gegen Rechtsextremismus initiiert. Und dann ist da natürlich "Wir haben abgetrieben", der Protest gegen Paragraph 218, der Schwangerschaftsabbrüche bis heute grundsätzlich unter Strafe stellt. Eine Aktion, die auch Wiebke Loosen vom Hans-Bredow-Institut für Medienforschung als Erstes einfällt:
"Also da sehe ich schon eine gewisse Tradition und Entwicklung in diesem Zusammenhang. Und man kann vielleicht sogar auch sagen, dafür gibt’s auch ein paar gute Argumente, das jetzt zu tun."
Erwartungen an Journalismus ändern sich
Loosen hat im vergangenen Jahr eine Studie mit der Überschrift "Was Journalisten sollen und wollen" mit vorgelegt. Darin hat die Kommunikationswissenschaftlerin untersucht, was Deutsche von dem Berufsstand erwarten. Ein Ergebnis: "Das, was Journalisten wollen, ist auch im Wesentlichen das, was sie sollen, in den Augen der Bevölkerung."
Wichtig ist beiden vor allem die Rolle der unparteiischen Beobachterin und des objektiven Berichterstatters. Aber auch andere Facetten würden zunehmend wichtiger:
"Da sieht man, dass also die Erwartung, dass ein Journalismus, der über Probleme berichtet, auch auf Lösungen verweist, recht hoch ausgeprägt ist auf Bevölkerungsseite. Oder auch für sozialen Wandel Eintreten auch eine recht hohe Zustimmung hat, positive Ideale eine recht hohe Zustimmung haben. Also Dinge, wo wir sagen würden, die stehen jetzt eher nicht für so nen objektiven Journalismus, sondern die stehen eher für das, was wir jetzt so gerne Haltungsjournalismus nennen."
"Haltung muss im Journalismus erlaubt sein"
Dinge, die der "Stern" schon lange für sich reklamiert. Was aber nichts am Anspruch ändere, sauber und ausgewogen zu berichten, betont Chefredakteur Gless:
"Wenn jetzt zum Beispiel 'Fridays for Future', wenn dieses Kollektiv irgendetwas Merkwürdiges tun würde, dann würden wir natürlich kritisch darüber berichten, auch wenn wir mit denen ein Heft gemacht haben."
Grundsätzlich müsse Haltung im Journalismus erlaubt sein, solange sie transparent gemacht werde. Und an diesem Kurs werde der "Stern" auch künftig festhalten.