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Petition gegen Verschleierung
"Terre des Femmes" fordert Verbot des Kinderkopftuchs

Die Menschenrechtsorganisation "Terre des Femmes" fordert in einer Petition ein gesetzliches Verbot des sogenannten Mädchenkopftuchs an Schulen und in Kitas. Die Kinderverschleierung sei keine religiöse Pflicht im Islam, sondern "Missbrauch von Kindern für fundamentalistische Zwecke".

Von Sebastian Engelbrecht |
    Ein Mädchen mit Kopftuch sitzt über ein Arbeitsblatt gebeugt an einem Pult im Klassenraum. im Hintergrund weitere Schüler.
    Aus Syrien geflüchtete Kinder lernen in einer Schule in Halle/Saale (Sachsen-Anhalt). (dpa/Sebastian Willnow)
    Für die Frauenrechtlerinnen von "Terre des Femmes" ist das "Kinderkopftuch" eine Kinderrechtsverletzung. Mädchen sollen gleichberechtigt, selbstbestimmt und frei aufwachsen können, unabhängig von ihrer Religion. Wenn schon kleine Kinder ein Kopftuch tragen müssen, dann ist das aus der Sicht der Bundesgeschäftsführerin der Organisation, Christa Stolle, eine geschlechtsspezifische Diskriminierung. Im Internet würden schon Videos verbreitet, die Babies im Hijab zeigten. Das sei "Missbrauch von Kindern für fundamentalistische Zwecke".
    Muslimische Eltern halten den Frauenrechtlerinnen die Religionsfreiheit entgegen, die von der Verfassung garantiert wird. Dagegen argumentiert die Rechtsanwältin Seyran Ates: "Es gibt zunächst einmal überhaupt keine religiöse Pflicht für Kinder, ein Kopftuch zu tragen. Deshalb können sich all diese Eltern, all diese Leute überhaupt nicht auf Religionsfreiheit berufen, und wir als Gesellschaft müssen uns auf den Kinderschutz berufen."
    Kinderverschleiderung "Phänomen des modernen Islamismus"
    Ates ist Mitbegründerin der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin und versteht sich als liberale Muslimin. Sie steht seit 2006 unter Polizeischutz und wurde auch bei der Pressekonferenz in Berlin von mehreren Personenschützern bewacht.
    "Wenn man Kindern Kopftücher aufsetzt, dann fängt man mit der Geschlechterapartheid bereits im Kindergarten und in der Grundschule an, so dass die Kinder sich dann im Teenageralter und im Erwachsenenalter daran gewöhnt haben. Und diese Entwicklung der islamischen Gesellschaften können wir ja von Marokko bis Indonesien beobachten. Das Kopftuch ist in diesen Ländern ein großes Problem. Man kann in Europa, im Westen das nicht lediglich als religiöses Symbol betrachten und unter dem Minderheitenschutz", sagt Ates.
    Die Kinderverschleierung sei "Teil der fundamentalistischen Agenda" und berühre nicht den Wesenskern der Religion, erklärt "Terre des Femmes" in einem Argumentationspapier. Die Verschleierung sei keine religiöse Pflicht im Islam, "sondern ein Phänomen des modernen Islamismus". Daher unterliege sie nicht dem Grundrecht der Religionsfreiheit.
    Politik Terre des Femmes Kinderkopftuch Pressekonferenz der Menschenrechtsorganisation Terre des Femmes am Donnerstag den 23. August 2018 in Berlin, anlaesslich ihrer Petition Den Kopf frei haben! , die sich fuer ein Verbot des sogenannten Kinderkopftuch fuer Maedchen unter 18 Jahren einsetzt.
    Das "Kinderkopftuch" eine "Kinderrechtsverletzung" sagen die Frauenrechtlerinnen von "Terre des Femmes" (imago stock&people)
    Tendenz zur zunehmenden Verschleierung
    Die Frauenrechtlerinnen stellen eine Tendenz der zunehmenden Verschleierung von Mädchen bis 18 Jahren in Deutschland fest. Diese lasse sich nur durch ein Gesetz umkehren, meint Necla Kelek. Sie ist Mitglied im Vorstand von "Terrre des Femmes": "Wir brauchen dringend dieses Gesetz, ohne Gesetz werden wir nicht weiterkommen, weil diese Eltern sind nicht nur Eltern, sondern auch Fundamental-Ideologieträger. Sie werden diese Religionsfreiheit nutzen und immer weiter auf ihre Kinder und Frauen setzen, um dieses Recht durchzusetzen."
    Ziel von "Terre des Femmes" sind 100.000 Unterschriften - es erscheint allerdings schwer erreichbar zu sein. Denn viele Menschen hätten die Sorge, als rassistisch oder rechtspopulistisch abgestempelt zu werden, wenn sie sich gegen das "Kinderkopftuch" positionierten, heißt es bei "Terre des Femmes". Aus der Sicht von Eva Quistorp, ehemaliges Mitglied des Europäischen Parlaments für die Grünen, ist das unverständlich.
    Quistorp: Kopftuch für Minderjährige ist Rückschritt
    "Nachdem wir für die Koedukation gestritten haben, dafür gestritten haben, dass Mädchen auch Schwimmen lernen, dass Mädchen Fahrrad fahren lernen, dass Mädchen auf Bäume klettern können, dass Mädchen auch eine Hose anziehen dürfen - also wir haben all das ja selber in Europa und in Deutschland, in Europa und innerhalb der Kirchen erstritten, dass es Frauen- und Mädchenrechte gibt. Deshalb halte ich das Kopftuch für Mädchen bis zu 18 Jahren für einen vollkommenen Rückschritt", sagt Quistorp.
    Die Frauenrechtlerinnen von "Terre des Femmes" verweisen auch auf die guten Erfahrungen, die man in Frankreich durch das Verbot von Kopftüchern an Schulen gemacht habe.