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Petition
Neues Referendum soll "Brexit" verhindern

Die Zahl der Unterschriften steigt weiter: Rund drei Millionen Briten unterstützen eine Petition mit der Forderung nach einem zweiten Referendum. Der Geschäftsführer der "Vote Leave"-Kampagne, Matthew Elliott, lehnt dies aber strikt ab. Auch einem schottischen Unabhängigkeitsreferendum räumt er keine Chancen ein. Unterdessen ist in der Labour-Party ein Machtkampf ausgebrochen.

Von Gerwald Herter |
    Ein Demonstrant hält ein Schild gegen den Brexit hoch.
    Sie wollen nicht aufgeben: EU-Befürworter fordern ein zweites Referendum und sammeln derzeit Stimmen für eine Petition (AFP/Tallis)
    Durch das Vereinigte Königreich geht nach dem Ergebnis des Brexit-Referendums ein tiefer Riss. Rund 3 Millionen Britinnen und Briten unterstützen eine Petition mit der Forderung nach einem zweiten Referendum. Allerdings zwingt das die Regierung zu nichts. Rein rechtlich muss das Parlament lediglich eine Debatte in Erwägung ziehen, wenn die Schwelle von 100-Tausend Unterstützern überschritten wird.
    Der prominente Brexit-Befürworter Matthew Elliott von der "Vote Leave"-Kampagne sagte dem Deutschlandradio in London, dass diese Initiative keine Chance hat.
    "Mehr als 17 Millionen Menschen haben für den Brexit gestimmt. Das ist das bedeutendste demokratische Mandat für eine Entscheidung, die es jemals im Vereinigten Königreich gegeben hat. Die Regierung muss das jetzt durchführen. Es wird kein zweites Referendum stattfinden."
    Matthew Elliot ist der Geschäftsführer von "Vote Leave" – auf der politischen Seite gehört Boris Johnson dazu - der ehemalige Londoner Bürgermeister – er wird schon als neuer Premier gehandelt, außerdem Justizminister Michael Gove und die Labour Abgeordnete Gisela Stuart.
    Elliott gilt als geschickter politischer Lobbyist. Gestern abend feierte er seinen Erfolg mit einigen Mitstreitern ausgerechnet in einer deutschen Kneipe nahe der Themse:
    Matthew Elliott: "Wir sind der größte Exportmarkt"
    "Jetzt müssen wir nach vorne blicken und sicherstellen, dass ein Abkommen zustande kommt, dass für uns, Deutschland und die anderen EU-Staaten gut ist. Wir sollten eine gute Nachbarschaft pflegen. Angela Merkel hat die richtige Antwort gefunden, als sie sagte, es gehe um Marktzugang ohne Zollschranken. Das wollen auch die deutschen Wirtschaftsverbände. Deutschland verkauft vieles hierher, nicht zuletzt Autos. Wir sind der größte Exportmarkt. Und die Menschen wollen mit Deutschland Geschäfte machen."
    Der bald scheidende Premier David Cameron nahm gestern eine Truppenparade ab, ohne ein Wort zum Brexit zu sagen. Auch Boris Johnson hüllt sich in Schweigen. Die schottische Ministerpräsidentin Nicolas Stuergeon will hingegen ein zweites Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands von Großbritannien. Aus ihrer Sicht ist sie dazu verpflichtet, weil die Schotten mehrheitlich dafür gestimmt hatten in der Europäischen Union zu bleiben. Doch auch diesem Referendum räumt Elliot von "Vote Leave" keine Chancen ein:
    "Grundsätzlich: Wenn ein Referendum in Schottland stattfinden soll, müsste das britische Parlament dem zustimmen. Ich glaube nicht daran, denn beim Referendum vor zwei Jahren wurde die Unabhängigkeit abgelehnt, mit 55 Prozent. Seitdem ist der Ölpreis zusammengebrochen. Wenn man das mit wirtschaftlicher und steuerlicher Vernunft betrachtet, ist die schottische Unabhängigkeit unmöglich geworden."
    Schottland ist eine Hochburg der britischen Labour-Party. In der Partei ist nun ein Machtkampf ausgebrochen. Wegen mangelnder Loyalität hat Jeremy Corbyn seinen Schatten-Außenminister Benn abgesetzt. Die Sprecherin der Partei für Gesundheitsfragen Alexander ist zurückgetreten. Eine bedeutende Gruppe von Labour-Abgeordneten wirft Corbyn vor, nicht entschlossen genug gegen den Brexit gekämpft zu haben. In den ärmeren Regionen von England und Wales hatten viele Labour-Anhänger für den Brexit gestimmt.