Transgeschlechtliche Para-Sprinterin Petrillo
Wer darf als Athletin starten?

Bei den Paralympics könnte es Diskussionen über das Geschlecht von Athletinnen geben. Die italienische Para-Sprinterin Valentina Petrillo wurde als Junge großgezogen. Sie nimmt geschlechtsangleichende Hormonpräparate und läuft bei Frauen-Wettbewerben mit.

Von Sebastian Trepper |
    Valentina Petrillo läuft mit vor Anstrengung verzerrtem Gesicht.
    Valentina Petrillo gewann bei den Para-Leichtathletik-Weltmeisterschaften zwei Bronze-Medaillen. (IMAGO / PanoramiC / IMAGO / JB Autissier)
    Nach der großen Aufregung um die Boxerinnen Imane Khelif und Lin Yu-Ting bei den Olympischen Spielen in Paris, könnte es bei den Paralympics eine ähnliche Debatte geben. Auch wenn die Fälle gänzlich unterschiedlich sind, bleibt der Kern der Debatte diese eine Frage: Wie wird entschieden, ob ein Mensch an Sportwettbewerben für Frauen teilnehmen darf?
    Die Voraussetzungen bei der italienischen Sprinterin Valentina Petrillo sind klar, da sie sich offen zu ihrer Transgeschlechtlichkeit äußert. Außerdem nahm sie bis zum Beginn ihrer Hormontherapie an Männer-Wettbewerben teil und gewann dabei italienische Meistertitel.
    Petrillo erklärt, sie habe sich schon als Kind als Frau gefühlt. Über 40 Jahre lebte sie öffentlich dennoch als Mann. Dann begann sie sich als Frau zu kleiden und startete die Hormontherapie.

    Klare Verschlechterung durch die Hormonbehandlung

    Petrillos Zeiten über 200 Meter (+2,5 Sekunden) und 400 Meter (+11 Sekunden) hätten sich danach drastisch verschlechtert, sagt sie. Außerdem habe sie etliche körperliche Veränderungen bemerkt, etwa deutlich weniger Kraft und eine Gewichtszunahme zu Beginn der Therapie.
    Petrillo startet als sehbehinderte Athletin. Auch ihre deutsche Kontrahentin Katrin Müller-Rottgardt sagte gegenüber Medien der Axel-Springer-Gruppe: „Sie läuft keinesfalls alles in Grund und Boden.“ Müller-Rottgardt erklärt: Bei der Weltmeisterschaft habe ihr sehender Laufpartner über die 200 Meter das Verbindungsband zwischen ihm und ihr zu früh losgelassen. Deshalb wurde sie disqualifiziert. Petrillo übernahm nur so den Bronzeplatz der in diesem Rennen schnelleren Deutschen.
    Dennoch gibt es Zweifel an der Fairness eines Rennens zwischen Petrillo und Cis-Frauen, also Menschen, die mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen geboren werden und sich auch als Frau fühlen. Petrillo ist 1,82 groß und wirkt für eine Frau sehr muskulös und kräftig.

    Wunsch nach klareren Regeln

    Müller-Rottgardt kann aufgrund ihrer Sehbehinderung das Äußere ihrer Konkurrentin nicht beurteilen. Sie sagt: „Sie hat lange als Mann gelebt und trainiert, da steht im Raum, dass da körperliche Voraussetzungen anders sind als bei jemandem, der als Frau zur Welt kam. Sie könnte somit Vorteile haben.“

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    Wie viele Athletinnen und Athleten wünscht sich Müller-Rottgardt klare Regelungen der internationalen Verbände.
    Dafür gibt es aktuell verschiedene Optionen: Das Internationale Olympische Komitee (IOC) beurteilte die umstrittenen Boxerinnen in Paris nach dem legalen Status ihres Geschlechts – also dem Eintrag in ihrem Pass. Grundsätzlich will das IOC aber – wie das Internationale Paralympische Komitee (IPC) – die Entscheidung über die Kriterien gar nicht selbst treffen. Das sollen die einzelnen Sportverbände für ihre Disziplinen tun.

    Starke Unterschiede bei den Regeln

    Der für Petrillo zuständige Para-Leichathletik-Verband hat keine klare Regel, sondern richtet sich ebenfalls nach dem Eintrag im Pass. Die Regeln der verschiedenen Verbände unterscheiden sich allerdings stark.
    Auch nach der früher verbreiteten Testosteron-Regel kann Petrillo teilnehmen. Die besagt, dass Athletinnen einen bestimmten, für Frauen üblichen, Testosterongehalt im Blut nicht überschreiten dürfen. Testosteron gilt als männliches Sexualhormon und hilft unter anderem beim Aufbau von Muskulatur.
    Durch ihre Hormontherapie ist der Testosteron-Gehalt in Petrillos Blut aber klar unter dem Richtwert. Diese Regel war etwa die Grundlage für den Ausschluss der intersexuellen Läuferin Caster Semenya. Die wollte ihren Testosteronspiegel nicht mit Medikamenten drücken, um ihren Körper nicht unnötig zu belasten oder zu verändern.

    Leichtathletik-Weltverband für Nicht-Behinderte würde Petrillo ausschließen

    Würde Petrillo in der Leichtathletik der Nicht-Behinderten starten, wäre sie dagegen von Frauen-Wettbewerben ausgeschlossen. Denn die Regel des Leichtathletik-Weltverbands besagt seit 2023, dass Trans-Frauen nicht teilnehmen dürfen, wenn ihr Körper die männliche Pubertät durchlaufen hat.
    Der Weltverband stützte sich auf Untersuchungen, bei denen Trans-Athletinnen trotz einer hormonellen Geschlechtsanpassung höhere Kraft- und Ausdauerwerte aufwiesen.

    Fairness oder Inklusion?

    Die beiden moralischen Werte, die bei den verschiedenen Regelungen aufeinandertreffen, sind Inklusion und Fairness. Der Präsident des Welt-Leichtathletik-Verbandes, Sebastian Coe, hat das für seinen Verband klar beantwortet: Die Integrität der Frauen-Wettbewerbe sei der entscheidende Punkt. Vor allem müsse die Fairness für weibliche Athletinnen gegeben sein.

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    Für die Zulassung von Trans-Athletinnen spricht die Inklusion. Valentina Petrillo sagte gegenüber dem Magazin Der Spiegel, das Laufen habe ihr in schwierigen Phasen Kraft gegeben. Die Teilnahme von Trans-Athletinnen bei großen Wettbewerben könnte auch ein Signal für eine größere Offenheit der Sportwelt sein und damit ein Schritt zu mehr Inklusion und Diversität.
    Viele Verbände sind durch die Debatten aufmerksam geworden. Der deutsche Behindertensportverband will sich etwa im Herbst positionieren. Ein Ende der teils sehr verletzenden öffentlichen Diskussionen um die Teilnahmeberechtigung von Sportlerinnen kann nur eine möglichst klare Regel schaffen. Da die Fälle sich aber sehr unterscheiden, wird es auch weiterhin individuelle Entscheidungen geben müssen.