Dirk-Oliver Heckmann: Ausgerechnet im polnischen Kattowitz findet sie statt, die nächste Klimakonferenz, bei der es darum geht, die Beschlüsse des Pariser Abkommens in konkrete Taten zu übersetzen. Die Tagung wird ausgerechnet in einem EU-Land abgehalten, das am stärksten an der Kohleenergie festhält. Ohnehin scheint das Interesse eher unterentwickelt zu sein. Nur 30 Staats- und Regierungschefs haben ihr Kommen angemeldet.
Nur 30 Staats- und Regierungschefs haben ihr Kommen zur Klimakonferenz in Kattowitz angekündigt und auch Kanzlerin Merkel spart sich die Anreise. Wo ist denn eigentlich der Anspruch der angeblichen Klimakanzlerin geblieben? Das habe ich Joachim Pfeiffer von der CDU gefragt. Er ist wirtschafts- und energiepolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion.
"30 Prozent CO2-Reduktion seit 1990"
Joachim Pfeiffer: Ich glaube, Deutschland muss sich hier nicht verstecken, sondern ganz im Gegenteil. Während die CO2-Emissionen, die durch den Menschen verursacht wurden, seit 1990 bis 2018 sich mehr als verdoppelt haben, von 20 auf über 40 Milliarden Tonnen, hat Deutschland seine Emissionen von 1,3 Milliarden in 1990 auf 900 Millionen Tonnen reduziert, also um über 30 Prozent reduziert, und das bei einem Wirtschaftswachstum, wo die Produktions- und Wirtschaftsleistung sich mehr als verzweieinhalbfacht hat seit 1990.
Heckmann: Da hat allerdings, Herr Pfeiffer, der Zusammenbruch der Industrie in Ostdeutschland kräftig zu beigetragen, muss man dazu sagen.
Pfeiffer: Ja, auch! Aber wenn Sie mal sehen, was wurde denn erreicht: Wir haben in Deutschland die Emissionen im Strombereich kräftig reduziert durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien, durch höhere Effizienz bei Kohlekraftwerken, wo die Wirkungsgrade drastisch erhöht wurden. Im Verkehrsbereich haben zum Beispiel deutsche Hersteller ihre Emissionen in den letzten zehn Jahren mehr als um ein Viertel reduziert. Wir haben den Heizölverbrauch beispielsweise mehr als halbiert in den letzten 20, 25 Jahren, ohne dass in Deutschland jemand frieren muss. Die Industrie leistet Herausragendes.
Industrie leistet "Herausragendes"
Ich will mal hier ganz aktuell das Beispiel BASF nennen. BASF hat seit 1990 seinen CO2-Ausstoß industriell und bei der Stromerzeugung um mehr als 50 Prozent reduziert, will zukünftig CO2-neutral wachsen. Das ist, glaube ich, die Vorbildwirkung, die wir brauchen. BASF geht nach USA, geht nach China und exportiert dort diese Energieeffizienz und damit leisten wir weltweit einen Beitrag zum Klimaschutz, weil Deutschland allein kann die Welt nicht retten. Wir haben weniger als zwei Prozent der Erzeugung.
Heckmann: Herr Pfeiffer, Sie würden allen Ernstes sagen, Deutschland ist weiter Vorreiter in der Klimapolitik?
Pfeiffer: Ja, selbstverständlich sind wir Vorreiter. Wir betreiben hier eine nationale Nabelschau, die überhaupt nicht weiterhilft. Ob jetzt hier über die Reduktion der Kohle – Wir reduzieren den Stromverbrauch aus Kohle, wir reduzieren die Kohleproduktion, die Steinkohleproduktion wird Ende diesen Jahres in Deutschland beendet beispielsweise. Aber unser Vorbild muss doch sein, dass wir die Welt mitnehmen und unseren technologischen Beitrag leisten. Deutschland hat weniger als zwei Prozent der weltweiten Emissionen. Wir haben ja schon kräftig reduziert. Das heißt: Selbst wenn wir unsere Emissionen auf null reduzieren, würde das dem Weltklima nur beschränkt helfen. Deshalb ist die deutsche Vorreiterfunktion eine andere.
Heckmann: Die Nabelschau kann ich Ihnen nicht ersparen. Ich möchte mal ein paar Punkte aufgreifen. Zum Beispiel: Die EU-Kommission hatte vor, das Klimaschutz-Ziel für die Europäische Union zu verschärfen. Angela Merkel hat gebremst. Dann wollte die EU-Kommission die Vorgaben für den Schadstoffausstoß von Autos verschärfen. Wer blockierte? – Angela Merkel. – Um die Klimaschutz-Ziele zu erreichen, müssten jetzt gleich mehrere Kohlekraftwerke abgeschaltet werden. Fehlanzeige! Die Große Koalition hat eingeräumt, dass sie ihre selbstgesteckten Ziele bis 2020 nicht erreichen wird. Und die sogenannte Kohlekommission verschiebt ihre Empfehlung für einen geordneten Kohleausstieg. Was hat das noch mit ambitionierter Klimapolitik zu tun?
Kritik an der E-Mobilität
Pfeiffer: Die Dinge, die Sie jetzt so darstellen, sind im internationalen Zusammenhang und bei dem, was man beschreibt, nicht falsch und nicht richtig. Was nützen uns noch höhere Reduktionsziele bei CO2 im Verkehr, wenn wir damit die weltweit führende deutsche Automobilindustrie im Verbrennungsmotor an die Wand fahren.
Heckmann: Das heißt, die Autoindustrie ist wichtiger als das Klima?
Pfeiffer: Nein! Unser Beitrag kann darin liegen, dass wir die besten Motoren, die energieeffizientesten bauen und die exportieren. Ohne Verbrennungsmotor wird weltweit das Klima sicher nicht gerettet. Auch der Elektromotor, den ja viele im Munde führen, der hat sicher eine Perspektive und hat einen Beitrag. Wenn aber der Strom aus Kohle erzeugt wird, oder die Produktion der Batterien sehr CO2-intensiv ist, dann hilft dieses auch nicht.
Heckmann: Das heißt, die Autoindustrie ist wichtiger als das Klima?
Pfeiffer: Nein! Die Autoindustrie leistet einen Beitrag zum Klimaschutz. Es hilft ja nichts, wenn wir in Deutschland die Industrien gegen die Wand fahren, die weltweit mit Energieeffizienz den Klimaschutz erreichen können. Ich habe Ihnen ja gerade ein paar Beispiele gesagt. Das ist ja in der Tat die nationale Nabelschau, die wir betreiben, indem wir meinen, wir würden in Deutschland noch die letzten Prozent und Promille dort optimieren müssen, und damit helfen wir dem Klima nicht weiter. Was haben wir denn davon, wenn in Deutschland zum Beispiel effiziente, energieeffiziente, mit hohem Wirkungsgrat erzeugte Stahl- oder Aluminiumproduktion oder Kupferproduktion ins Ausland verlagert wird und dort viel höhere Emissionen machen wird.
"Deutschland gibt Geld, Technologie und Know-how"
Heckmann: Und so zeigt jedes Land auf das andere.
Pfeiffer: Nein, überhaupt nicht! Wir zeigen überhaupt nicht auf andere. Deutschland leistet seinen Beitrag. Wir haben jetzt gerade zum Beispiel die Mittel für den Klimaschutz-Fonds, der weltweit hier entsprechende Wiederaufforstung oder Energieeffizienz-Projekte vorantreiben will, verdoppelt. Deutschland ist weltweit dabei. Das Problem müssen wir weltweit lösen. Deutschland ist bei jeder Konferenz dabei. Deutschland gibt Geld, Deutschland gibt Technologie, Deutschland gibt Know-how. Aber wir werden nicht mit links-grünem Alarmismus, wie er in Deutschland gerade mal wieder stattfindet, das Weltklimaproblem lösen. Ganz im Gegenteil!
Heckmann: Kommen wir noch mal zurück auf die sogenannte Kohlekommission. Die wollte ja im Dezember eigentlich ihre Empfehlungen für einen Braunkohleausstieg vorlegen und auch ein Ausstiegsdatum vorschlagen. Das Ganze ist jetzt verschoben worden, und zwar in den Februar hinein. Der Klimaexperte Mojib Latif hat heute Früh bei uns im Deutschlandfunk gesagt, das gäbe Polen beispielsweise eine wunderbare Gelegenheit, sich hinter Deutschland zu verstecken, denn Polen setzt ja auch weiterhin stark auf die Kohlekraft. Ist an dieser Kritik nicht was dran?
Pfeiffer: Nein, das sehe ich überhaupt nicht so, sondern das muss man jetzt mal ein bisschen auseinanderdividieren. 2010 hat sich Deutschland ein sehr hohes CO2-Reduktionsziel verordnet mit 40 Prozent, weit über alle internationalen Verpflichtungen hinaus.
"Wir haben weltweit die besten Wirkungsgrade bei Heizkesseln"
Heckmann: Wird ja nicht erzielt! Wird ja nicht erreicht!
Pfeiffer: Damals waren wir der Meinung, Kernenergie zu verlängern. Dann ist man aus der Kernenergie ausgestiegen, sehr schnell, und damit war klar, dass der Ausbau der Erneuerbaren die Kernenergie ersetzt und nicht die Kohle. Deshalb war dieses 40-Prozent-Ziel dann schon gar nicht mehr realistisch. Deshalb wird jetzt im Moment aus der Kernenergie ausgestiegen, und auch hier wieder dieser einseitige Fokus rein auf die Kohle hilft uns doch nicht weiter. Neben dem CO2 und dem Klimaschutz gibt es auch Versorgungssicherheit.
Wir wollen und brauchen in Deutschland eine gesicherte Stromversorgung für den Verbraucher und für die Wirtschaft und wir brauchen akzeptable wettbewerbsfähige Energiepreise. Sonst können wir die Produkte, zum Beispiel deutsche Heizkessel – wir haben in Deutschland in den letzten 20 Jahren den Heizölverbrauch halbiert. Wir haben die weltweit besten Wirkungsgrade bei Heizkesseln. Wenn wir die exportieren, dann können wir weltweit einen Beitrag leisten und zunehmend die Erneuerbaren ausbauen.
Gleichzeitiger Ausstieg aus Kohle und Atomenergie "unmöglich"
Heckmann: Das heißt, der Kohleausstieg soll möglichst weit nach hinten verschoben werden?
Pfeiffer: Da gibt es überhaupt nichts zu verschieben, sondern es ist eine resultierende und wir werden nicht von heute auf morgen aus der Kohle aussteigen können, sondern wir brauchen die Kohle weiter im Energiemix, insbesondere die Braunkohle, die sehr wettbewerbsfähig ist, auch noch andere Vorteile hat, und es wird eine schrittweise Reduktion geben. Aber es kann keinen Ausstieg aus der Kohle von heute auf morgen geben. Das haben im Übrigen alle, die damals auch für den sofortigen Ausstieg aus der Kernenergie waren, Grüne, Linke und wie sie alle heißen, gesagt: Das ist klar, wir können nicht gleichzeitig aus der Kernenergie und aus der Kohle aussteigen. Da erinnert sich heute keiner mehr dran. Das gehört auch zur Wahrheit dazu.
Im Übrigen sage ich noch mal: Wir in Deutschland haben über 30 Prozent CO2 reduziert. Weniger als zwei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen kommen aus Deutschland. Deshalb kann das deutsche Vorbild nur darin liegen, dass wir mit deutscher Technologie, sei es in den Gebäuden, sei es im Verkehr, sei es in der Industrie, sei es in der Stromerzeugung, Produkte und Dienstleistungen anbieten, mit denen wir weltweit einen Beitrag leisten können, dass CO2 reduziert wird. Das ist der richtige Weg und keine nationale Nabelschau, die weder dem Klima hilft, noch unseren Arbeitsplätzen oder der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie und der Energiepreise dient.
Heckmann: Soweit die Meinung von Joachim Pfeiffer von der CDU, wirtschafts- und energiepolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion. Herr Pfeiffer, danke Ihnen für das Gespräch!
Pfeiffer: Bitte schön!
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