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Pferdeauktionen in Frankreich
Wie man Träume ersteigert

Ein Rennpferd ist ein Investitionsobjekt. Die Aussicht auf Prestige und hohe Gewinne schwingt mit, wenn Käufer auf einer Pferdeauktion um einen Hoffnungsträger bieten. Experten aus aller Welt erliegen regelmäßig dem Zauber der Versteigerungen im normannischen Deauville.

Von Suzanne Krause | 04.04.2019
Ein Händler präsentiert ein Pferd auf der Pferdeauktion in Deauville in Frankreich
Versteigerung in Deauville: "Bei so einer Auktion kauft man zwar ein Pferd. Aber eigentlich ersteht man einen Traum", sagt Rennbahnchef Franck Le Mestre (AFP/ Charly Triballeau)
Ein vorfrühlingshafter Mittwoch – rund um die Auktionshalle, ein zweistöckiger moderner Rundbau aus Holz und Glas, drängt sich ein buntgemischtes Publikum. Auf einer Koppel vor der Halle führen Züchter und Stall-Burschen ihre Tiere vor, kritisch beäugt von den Besuchern, die am Koppelzaun Spalier stehen. Dank der Lautsprecher lässt sich draußen das Versteigerungsgeschehen drinnen mitverfolgen.
Dieser Beitrag gehört zur fünfteiligen Reportagereihe "Pferderennsport in Frankreich - Tradition vor Hindernissen".
Franck Le Mestre bahnt sich einen Weg durch die Menge. Der athletisch wirkende Bretone ist Direktor der Rennbahn direkt gegenüber. Und von Berufs und Hobby wegen Stammgast bei den Pferdeauktionen:
"Bei so einer Auktion kauft man zwar ein Pferd. Aber eigentlich ersteht man einen Traum. Man setzt auf ein Potenzial. Auf die Hoffnung, dass ein Tier viel Gewinn einspielt. Natürlich braucht es den richtigen Blick. Das beste Pferd ist nicht unbedingt das mit dem teuersten Angebotspreis. Sondern zumeist das, bei dem sich mindestens zwei Käufer gegenseitig überbieten. Bei jeder Auktion sind Cracks, wahre Kanonen dabei. Es braucht etwas Glück, Gefühl, eine gewisse Kenntnis, um auf das richtige Pferd zu setzen. Das genau macht den Zauber solcher Versteigerungen aus."
Fußballer Griezmann ist Rennpferd-Narr
Ein Zauber, dem auch immer wieder Stars erliegen. Franck Le Mestre nickt bekräftigend:
"Antoine Griezmann, der Star aus der Fußball-Nationalelf, ist ein Rennpferd-Narr. Er hat schon mehrere Tiere erstanden. Pferde, die gut im Rennen liegen. Und er selbst ist immer wieder auf Rennplätzen zu sehen."
Drinnen bei der Versteigerung geht es Schlag auf Schlag. Gerade kommt ein Fohlen unter den Hammer, pausenlos heben Käufer die Hand, geht der Preis nach oben. Innerhalb einer Minute von 3.000 Euro hoch auf 17.000. Der absolute Rekord in Deauville liegt bei 2,6 Millionen Euro – die blätterte 2016 ein arabischer Scheich für einen Vollblut-Jährling auf den Tisch.
500.000 Euro für eine vielversprechende Stute - "ein Schnäppchen"
Da kann Larissa Kneip nicht mithalten. Obgleich sie, im Auftrag eines deutschen Kunden, gerade 500.000 Euro ausgegeben hat. Für Losnummer 119: "Graciously" - eine trächtige Stute aus bestem Stall, von einem Top-Hengst gedeckt. Ein Schnäppchen, meint Larissa Kneip:
"Sehr gutes Pedigree, aus einer sehr, sehr schönen Familie, selbst auch gute Rennleistungen. Und das erste Produkt der Stute, die Zweijährige, ist bereits im Training. Ich kenne den Trainer und habe ihn angerufen. Und der hat mir gesagt, es wäre eine sehr, sehr vielversprechende junge Stute. Und insofern kann man sich die Mutter ja mal kaufen und sehen, ob da noch was kommt."
"Leidenschaft muss dahinter sein"
Im Gestüt von Larissa Kneip nahe Deauville stehen fünf Deckhengste und 80 Zuchtstuten: die stämmige Mittvierzigerin züchtet und trainiert Traber und hat früher als Amateur-Springreiterin manchen Pokal gewonnen. Damals arbeitete die Luxemburgerin als TV-Journalistin, auch für deutsche Sender. Bis sie sich 2009 einen Herzenswunsch erfüllte und ein Gestüt in der Normandie aufbaute – der Wiege der Pferdezucht, sagt Larissa Kneip. Sie ist schon sehr gespannt, wie sich das Fohlen von "Graciously" entwickeln wird - wenn es endlich mal da ist.
"Es kommt nächstes Jahr auf die Welt. Dann dauert es noch mal drei Jahre, bis es dann endlich Rennen laufen kann. Es ist schon ein Metier, wo man sehr viel Zeit mitbringen muss. Man muss immer die Ruhe bewahren, klaren Kopf behalten. Aber ganz klar, Leidenschaft muss auch dahinter sein, sonst ist es einfach zu teuer, zu schwierig, zu anstrengend. Wenn man nicht mit Leidenschaft dabei ist, dann sollte man besser die Finger von dem Business lassen."
Erstes Galopprennen 1863 am Strand von Deauville
Das Business kennt Philippe Augier in- und auswendig: Lange Jahre leitete der dynamische Endsechziger ein Auktionshaus für Vollblüter. Nun konzentriert er sich auf sein Amt als Bürgermeister von Deauville. Augier, salopp-elegant gekleidet, steht an der berühmten Uferpromenade, zu Füßen des Casinos und lässt den Blick über den weiten Sandstrand schweifen – ein geschichtsträchtiger Ort. Hier fand 1863 das erste Galopprennen statt:
"Als Graf Charles de Morny, ein Pferdenarr, 1860 Deauville auf trockengelegten Mooren erbauen ließ, hat er von Anfang an geplant, hier Pferderennen zu veranstalten. Damit wollte er vor allem der Pariser Bourgeoisie, die in der Belle Epoque das Strandleben als neue Mode entdeckte, eine Freude machen. Die Rennbahn ließ er noch vor der Kirche bauen. Deshalb ist in Deauville die Pferdeleidenschaft unsere erste Religion."
Und die dazugehörige Branche gilt als ein, im wahrsten Sinne des Wortes, Zugpferd der lokalen und regionalen Wirtschaft. Neben Kursen und Veranstaltungen in sämtlichen Pferdesportarten bietet Deauville auch Blicke hinter die Kulissen wie Besichtigungen von Rennställen und Reitbahnen. Seit Kurzem setzt Bürgermeister Augier auf eine neue Klientel: begüterte Chinesen. Die würden gerade ihre Liebe zu französischen Vollblütern und Pferderennen entdecken. Philippe Augier grinst.
"Als ich meine Auktions-Gesellschaft verkauft habe, sagte ich meinen Nachfolgern: Sie können mit Jahrzehnten voller Wachstum rechnen. Weil alle Schwellenländer Pferde-begeistert sind. Denn das Pferd gehört rund um den Globus zur Kultur."
Bei den Auktionen in Deauville werden also weiterhin Träume verkauft werden.