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Pferderennen in Frankreich
Mittags schnell ins Wettcafé

PMU - in Frankreich kennt jeder das Kürzel für den traditionsreichen Anbieter von Pferdewetten. In den Wettcafés des Monopolisten werden Pferderennen auf Großbildschirmen übertragen. Hier treffen sich die einfachen Leute, um auf ihre Favoriten zu setzen. Doch der Online-Wettmarkt zieht Kunden ab.

Von Suzanne Krause |
Spieler verfolgen ein Pferderennen in einem Wettbüro des französischen Anbieters PMU in Lyon
Spieler verfolgen ein Pferderennen in einem Wettbüro des französischen Anbieters PMU (AFP/ Jean-Philippe Ksiazek)
Mittags herrscht in der Wettstube Hochbetrieb. Im Nebensaal des Cafés "Le Cheval Noir" drängen sich mehrere Dutzend Turfistes, wie die Fans von Pferderennen in Frankreich genannt werden. Ihre Blicke kleben an dem unter der Decke installierten Flachbildschirm: Live, aber stumm, wird da ein Rennen übertragen. Vor den Wettautomaten darunter stehen die Spieler Schlange. Fast nur Männer, jung und älter, viele mit dunkler Hautfarbe. Das Viertel gilt als Hochburg afrikanischer Einwanderer.
Das Rennen ist gelaufen, die Nummern der Sieger flimmern über den Bildschirm, Mamadou Diallos Mundwinkel verziehen sich missmutig: "Da habe ich auf das falsche Pferd gesetzt. Dabei hatte ich auf meinen Lieblings-Jockey gewettet."
Dieser Beitrag gehört zur fünfteiligen Reportagereihe "Pferderennsport in Frankreich - Tradition vor Hindernissen".
"Ich mache noch schnell eine Wette, bevor es zurück an die Arbeit geht", ruft Diallo seinem Chef zu, mit dem er hier die Mittagspause verbringt. Hektisch lässt der Turfiste auf dem Automaten-Bildschirm die Teilnehmerliste des nächsten Rennens defilieren, tippt immer energischer Kennnummern von Pferden am Start ein: "Und noch das Pferd und das! Ich komme gleich, Chef! Mit der Kombination müsste ich gewinnen können."
Außenansicht der Bar "Le Cheval Noir" in Paris mit Wett-Café der Gesellschaft PMU
In die PMU-Bar "Le Cheval Noir" in Paris kommen schon mittags viele Turfistes, wie die Fans von Pferderennen in Frankreich (Deutschlandradio/ Suzanne Krause)
"Es ist ein guter Zeitvertreib"
Am Nachbar-Automat steht Rachid Bensoussan.
"Wer nicht wagt, der nicht gewinnt! Man muss sich ein bisschen auskennen, wissen, welche Pferde oft rennen und wie sie rennen. Auch die Streckenlänge spielt eine Rolle. Wenn ein Pferd normalerweise 1.200 Meter läuft und plötzlich 50 Meter mehr bewältigen muss, ist nicht sicher, dass es durchhält. Na ja, man muss auch Glück haben. Es ist ein guter Zeitvertreib. Bei einer Vierer-Wette habe ich mal die vier Sieger-Pferde in der richtigen Reihenfolge getippt. Der Wettschein hat 1,30 Euro gekostet – und 20.400 Euro eingebracht."
Die Automaten spucken Wettschein über Wettschein aus. An den Tischen rundum studieren viele Gäste das Turf-Fachblatt. Im Gastraum, dem linken Flügel des Café "Le Cheval Noir", sucht sich ein sportlich-eleganter Mann um die Anfang Fünfzig einen Platz: Aymeric Verlet, Auslands-Direktor bei der Wettgesellschaft PMU. Verlet belässt es bei einem doppelten Espresso, seine Zeit ist knapp:
"Seit Jahresbeginn setzen wir unsere neue Strategie um. Wir konzentrieren uns wieder voll darauf, Pferdewetten ganz nach den Wünschen der Spieler anzubieten."
"Buchmacher sorgten für zu viel Schummelei"
Der PMU ist eine traditionsreiche Einrichtung, 1930 aus der Taufe gehoben von den beiden Pferderenn-Gesellschaften "France Galop" sowie "Le Trot". Damals erlaubte der Staat, auch außerhalb der Rennanlagen Pferdewetten zu tätigen. Buchmacher-Aktivitäten hingegen waren auch schon vorher verboten. Das regelte ein Gesetz von 1891. Verlets Blick schweift in die Ferne:
"Weil die Buchmacher einfach für zu viel Schummelei beim Rennbetrieb sorgten. Erlaubt sind seither bei uns nur noch Wetten, die auf dem Prinzip von Gegenseitigkeit beruhen. Die Wetteinnahmen gehen alle in denselben Topf. Damit bestreitet der Rennveranstalter seine Kosten und verteilt den Rest an die Gewinner."
2017 hat der PMU fast zehn Milliarden Euro Wetteinsatz eingenommen. Davon fließen im Schnitt 75 Prozent an die Spieler zurück, neun Prozent in die Staatskasse, acht Prozent gehen an die Renngesellschaften. Der PMU sei der wichtigste Anbieter von Pferderennen in Europa, weltweit der viertwichtigste, hält Verlet fest:
"Seit 1930 haben sich die PMU-Cafés massiv entwickelt, ihre Blütezeit erlebten sie in den 1950er-Jahren, weil es damals quasi keine anderen Wettspiele gab. Dann allerdings wurde Lotto eingeführt und zu Beginn des neuen Jahrtausends kamen andere Sportwetten auf. Vor allem aber gibt es seit 2010 Online-Sportwetten."
"Französische Pferderennen genießen guten Ruf im Ausland"
Konkurrenz, die dem PMU Kunden abzieht. Allerdings hat der französische Staat bei der Marktöffnung dem einheimischen Pferdewett-Unternehmen Monopolstatus garantiert. Anfangs setzte der PMU auf eine Art Flucht nach vorn: Immer mehr Rennen, immer neue Spiele. Damit vertrieb er einen Teil der alten Klientel. Die neue Strategie solle die Talfahrt der letzten Jahre umkehren, sinniert Aymeric Verlet. Zudem wird im Ausland investiert: In 40 Ländern weltweit ist der PMU präsent.
"Die französischen Pferderennen haben einen guten Ruf im Ausland, das erlaubt uns, sie speziell in Ländern mit Renntradition anzubieten. Seit nunmehr 25 Jahren sind wir so auch in Deutschland präsent."
Mittlerweile hält der PMU 51 Prozent beim deutschen Wettvermittler German Tote. So können deutsche Toto-Fans auf französische Rennen setzen, französische Turfistes auf deutsche. Und das bringt auch Geld in deutsche Rennställe.