Beim Queen’s Cup, einem der renommiertesten Polo-Turniere auf europäischem Boden, versammelte sich vor zwei Wochen die Elite, das heißt allen voran argentinische Reiter. Sie halten sich für ihre lukrative Europa-Tour im Sommer das ganze Jahr über Pferde in England. Ihre allerbesten Tiere allerdings bleiben zu Hause – und darunter sind seit Jahren Klone.
Juan Martin Nero, aktuell Vierter der Weltrangliste, dazu nach seinem Finale:
Juan Martin Nero, aktuell Vierter der Weltrangliste, dazu nach seinem Finale:
"Ich habe mit zwei Klonen der Cuartetera bei den Open gespielt, mit der 04 und mit der 07. Und an einem Tag im Training habe ich mal alle sieben Klone der Cuartetera ausprobiert: Und, ja, es ist unglaublich, wie sehr sie alle dem Original ähneln: das Temperament, die Reaktionen, einfach alles."
Eine Mannschaft nur aus einem Pferd
Die Stute Cuartetera ist das Paradebeispiel aus dem argentinischen Labor Crestview Genetics. Es gehört Adolfo Cambiaso, genannt Adolfito, der vielen als bester Polospieler aller Zeiten gilt. Er begann mit dem Klonen, nachdem 2006 sein liebstes Pferd gestorben war. Zehn Jahre später gewann Cambiasos Team La Dolfina das Finale des wichtigsten Turniers der Welt, den Open in Buenos Aires und spielte dabei zeitweise nur mit Klonen der Cuartetera. Egal, mit wem man spricht: Geht es um das Klonen, geht es auch um Cuartetera.
Der Geschäftsführer von Crestview Genetics, Fermín Gutiérrez, empfängt in seinem eleganten Stadtbüro in Buenos Aires. Und er schwärmt:
"Wir sehen es ja heute: Jeder der Klone von Cuartetera spielt die Open! Und überhaupt so weit zu kommen, dass ein Pferd die Open spielt, das ist extrem schwierig! Vielleicht ist eine noch ein wenig herausragender als eine andere, aber das ist insgesamt ihr Niveau."
Gonzalo Pieres, einst selbst Weltklasse-Spieler, schaut in England seinen Söhnen zu, von denen zwei die aktuelle Weltrangliste anführen. Er ist der prominenteste Gegner der momentanen Praxis:
Angst vor Millionen gleicher Pferde
"Der Klon kennt keine Grenzen. Er ist eine Versuchsanstalt. Die Zellen können morgen in einem chinesischen Labor enden. Und was machen die Chinesen dann? Sie machen vier Millionen Cuarteteras! Das ist das Schlimmste!"
Gonzalo Pieres stammt aus einer berühmten argentinischen Polo-Familie, schon sein Großvater züchtete Pferde. Sein aktuelles Team, die Ellerstina streitet in Argentinien seit Jahren mit Cambiasos La Dolfina um die großen Titel. Seine Überzeugung ist:
"Das Beste ist das Kreuzen. Das Ziel ist doch, immer besser zu werden. Der Traum ist, dass die Kombination, die einer schafft, funktioniert. Für einen Züchter bedeutet ein Klon nichts Gutes."
Leihmutterschaften und Embryonenhandel schon lange verbreitet
Doch die Zucht braucht Zeit. Auf natürlichem Wege kann eine Stute pro Jahr genau ein Fohlen auf die Welt bringen und in dieser Zeit kein Spiel bestreiten. Die Ausbildung der Polo-Pferde dauert Jahre und jeder Reiter nutzt bis zu 12 Pferde pro Spiel. Daher sind künstliche Befruchtungen, Leihmutterschaften und der Handel mit Embryonen längst an der Tagesordnung.
Fermín Gutiérrez von Crestview Genetics sieht im Klonen deshalb auch lediglich einen weiteren technologischen Schritt:
"Jeder technologische Wandel ruft erstmal Befürworter und Gegner auf den Plan. Aber das legt sich immer mit der Zeit. Ich glaube, das Klonen sollte keinen Züchter beunruhigen, sondern es sollte vielmehr als Fortschritt begriffen und optimal genutzt werden, um die Zucht voranzutreiben und immer bessere Polopferde hervorzubringen."
Crestview Genetics versteht sich übrigens als Dienstleister: Hier kann jeder sein Pferd klonen lassen, es reicht per Post ein paar Zellen zu schicken. Gutiérrez berichtet von Auftraggebern unter anderem aus Dubai und Katar, von geklonten Springpferden und von neuen Märkten. Den Jahresumsatz von Crestview beziffert er auf eine Million Dollar. Gonzalo Pieres hingegen glaubt nicht, dass sich im Polo geklonte Pferde durchsetzen werden:
"Heute kann niemand mit einem Klon Geld verdienen. Das ist unmöglich. Der Klon ist genauso teuer wie ein fertig ausgebildetes Pferd. Und es gibt viele Klone, die überhaupt nicht gut sind."
Keine ethischen Bedenken
Und er glaubt nicht daran, dass langfristig die Pferde durch das Klonen besser werden – und vor allem darum geht es den Akteuren in der Weltelite des Polos. Ethische oder moralische Bedenken scheint hier niemand zu haben – das zeigt zum Beispiel die Haltung von Spieler Juan Martin Nero:
"Es ist schon kurios mit den Klonen, gar keine Frage. Also wenn Adolfito im Spiel mit sieben Cuarteteras aufläuft, das hat etwas Verrücktes und es ist schwierig zu begreifen. Aber wenn Du eine so gute Stute hast und Du kannst sie klonen – dann ist das einfach großartig."
Auch Nero hat mittlerweile zwei Klone seiner besten Stute. Ob sie so gut werden wie das Original ist noch unklar, denn die Tiere sind noch nicht in der Ausbildung. Das Reglement des argentinischen Polo-Verbandes kennt kaum Grenzen, wenn es um die Züchtung der Pferde geht, und niemand hier käme auf die Idee, das Klonen als Doping zu betrachten. Gonzalo Pieres fordert mehr Regeln:
Geklontes Pferd stammt aus dem Stall des größten Klon-Kritikers
"Es war ein großer Fehler zuzulassen, dass es mehr als ein Pferd mit der gleichen DNA zur gleichen Zeit gibt. Wir haben keinerlei Rechte, kein Patent, und das ist für den Züchter ganz schlecht. Und so lange wir diese Rechte nicht haben, sollte das Klonen verboten sein."
Zur Geschichte der berühmten Cuartetera gehört auch dies: Ihre Eltern stammen aus der Zucht von Pieres, er selbst hatte Embryonen der Cuartetera an Cambiaso verkauft. Seit dieser mit ihren Klonen antritt, konnte die Ellerstina, das Team von Pieres, in den entscheidenden Turnieren nicht mehr gegen Cambiaso gewinnen.
"Wir können gerade nicht gegen La Dolfina gewinnen. Aber in ihr steckt sehr viel Geschichte der Ellerstina: Die Genetik, die erfolgreich geklont wurde, ist von Ellerstina! In dieser Hinsicht bin ich ganz zufrieden."