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Pflanzen in Quarantäne

Beim internationalen Handel mit exotischen Pflanzen besteht das Risiko, Pflanzenkrankheiten und Schädlinge mit einzuschleppen. Um das zu verhindern, hat der größte botanische Garten Europas, Kew Gardens in London, eine moderne Quarantänestation für Pflanzen eingerichtet.

Von Michael Lange |
    Etwa eine Million Besucher im Jahr kommen in die königlichen botanischen Gärten von Kew, am Stadtrand von London. Sie durchwandern die riesigen Parks und bewundern Pflanzenvielfalt und Blütenpracht in den großen viktorianischen Gewächshäusern.

    Kaum ein Besucher jedoch entdeckt die neuen, versteckten Hightech-Glashäuser am Rande des Geländes. Eine Art Hochsicherheitstrakt für Pflanzen.

    Die Botanikerin Sara Redstone hält einen Ausweis an die Tür, gibt einen Code ein und betritt zunächst den Arbeitsbereich der neu errichteten Quarantäneeinheit. Hier werden Pflanzen untersucht und umgetopft:

    "Dieses Quarantänehaus ist die Eintrittspforte für Pflanzen, die uns von außen erreichen. Aber auch alle Pflanzen, die wir verschicken, kommen hier hin. Denn, wenn sie Kew Gardens verlassen, sollen sie garantiert frei sein von Schädlingen und Krankheiten."

    Um die eigentliche Isolierstation zu betreten, verlässt Sara Redstone den Arbeitsbereich und betritt eine Schleuse. Kalter Wind bläst ihr ins Gesicht.

    Bei drei Grad Celsius muss Sara Redstone ein paar Sekunden warten, bis sich eine zweite Tür zu den Sicherheitsglashäusern öffnet.

    "Das ist wie eine kühle Luftdusche. Sehr angenehm an einem heißen Sommertag."

    Durch einen kleinen Gang gelangt Sara Redstone nun in den Sicherheitsbereich. Acht Räume aus Glas mit der Fläche eines großen Wohnzimmers und etwa vier Meter hoch. Alle Gegenstände, die in den abgeschlossenen Bereich hinein- oder herauskommen, müssen sorgfältig gereinigt und Sporen und Samen befreit werden. Das gilt auch für das Wasser und die Luft. Filter sorgen dafür, dass sowohl die eintretende als auch die austretende Luft frei ist von Schädlingen, Sporen oder Samen.

    Einer der Räume ist leer. Sara Redstone öffnet die Tür und zeigt nach oben:

    "In drei Metern Höhe durchziehen dicke Rohrleitungen den Raum. Nur durch sie gelangt Luft hinein und wieder heraus.

    Durch die eine Öffnung wird Luft in den Raum hinein gepumpt, und durch die andere wieder heraus gesaugt. Die saugende Pumpe ist stärker als die Pumpe, die Luft hineinpumpt. So entsteht ein Unterdruck von minus 40 Pascal."

    Der Unterdruck sorgt dafür, dass keinerlei Schädlinge oder Pilzsporen den Raum verlassen. Auch dann nicht, wenn die Doppelglasscheibe durch einen Sprung im Glas oder ein Loch beschädigt wird. Denn dann gelangt nur Luft von außen nach innen, und nicht von innen nach außen. Die Umwelt wird so vor potenziellen Schädlingen geschützt.


    Durch ein Fenster blickt Sara Redstone in einen anderen Raum aus Glas. Ein Schild kennzeichnet ihn als Hochrisikobereich. In gewöhnlichen Blumentöpfen wachsen hier einige unscheinbare Zimmerpalmen.

    "Hier vorne haben wir einige Exemplare einer Selbstmordpalme. Sie heißt so, weil sie - nachdem sie geblüht hat - zugrunde geht. In der Natur wird sie bis zu 18 Meter hoch. Man hielt sie für ausgestorben, aber vor ein paar Jahren wurde sie in Madagaskar wieder entdeckt. In der Wildnis existieren nur noch wenige Pflanzen dieser Art. Deshalb haben wir die Palmen in Kew Gardens vermehrt und wollen sie nun verschicken, um die Überlebenschancen der Art zu erhöhen."

    Bevor die Selbstmordpalmen die Quarantänestation verlassen dürfen, müssen die Botaniker sicher sein, dass sich keinerlei Schädlinge auf den Pflanzen befinden. Immer wieder kontrollieren sie Blätter und Wurzeln. Insbesondere Pilze und Pilzsporen können sehr hartnäckig sein. Befallene Blätter werden abgeschnitten, verseuchte Pflanzen aussortiert und manchmal hilft auch die Chemie. Bis eine Pflanze absolut pilzfrei ist, kann es Monate, manchmal sogar Jahre dauern.