Auf den ersten Blick spielt die Ackerschmalwand in der aktuellen Studie nur eine Nebenrolle. Es geht ums Große und Ganze. Um die Evolution, die Entwicklung von Pflanzen über die Jahrtausende und die Frage, warum sich bestimmte Arten durchsetzen und vor allem wie. Der Name der Studie lautet:
"Das globale Spektrum der Pflanzen - Formen und Funktionen"
Mit dieser Arbeit rücken die Biologen Prof. Christian Wirth und Dr. Jens Kattge dem Rätsel der Evolution tatsächlich etwas näher, zumindest im Bereich der Pflanzenwelt. Möglich wurde das durch die globalen Pflanzen-Datenbank TRY.
"... die verschiedene Datenbanken, die von verschiedenen Forschern angelegt wurden, zusammen führt, und in einer großen Datenbank vereinigt und dabei auch die Daten noch mal überprüft und konsolidiert und Fehler aussortiert."
Jens Kattge und Christian Wirth gehören zu den Gründungsvätern der Datenbank. Das Max Planck Institut für Biogeochemie in Jena finanziert sie. 2007 ging TRY online. Zu Beginn hatten nur die Forscher Zugang, die auch eigene Daten beisteuerten. Nach dem Prinzip, wer gibt, bekommt etwas zurück.
"Die Wissenschaftler waren dem Ganzen sehr aufgeschlossen gegenüber und viele haben gesagt, ja, für diesen Zweck stellen wir die Daten zur Verfügung."
Datenbank liefert neue Erkenntnisse
TRY wuchs mit großem Tempo. Heute ist der Datenpool für alle Wissenschaftler offen und beinhaltet bereits zwei Millionen Pflanzen. Aus dieser Menge wählten die Forscher 45.000 aus und verglichen sechs ihrer Eigenschaften miteinander. Und zwar Pflanzenhöhe, Gewicht der Samen, Dichte des Stammes, die Blattfläche, außerdem Blattgröße und Stickstoffgehalt pro Blatt.
"Die sechs Eigenschaften waren erhoben wurden, für etwa ein Fünftel der Arten, die auf der Erde bekannt sind und es war von Interesse ob diese Merkmale miteinander korreliert sind oder ob sie unabhängig voneinander variieren können."
Wie sich zeigt, setzen sich vor allem die Pflanzen durch, deren Erbgut nur in zwei Richtungen mutierte. Sie verändern ihre Höhe und die Struktur ihrer Blätter. Damit die Pflanzen mit größeren Blättern oder einem längeren Stamm trotzdem konkurrenzfähig bleiben, müssen sich gleichzeitig ihr Samengewicht und die Dichte ihres Stammes verändern, bzw. der Stickstoffgehalt im Blatt.
"...und wir waren durchaus überrascht zu sehen, wie wenige Kombinationsmöglichkeiten dieser prinzipiell unabhängigen Merkmale im Pflanzenreich realisiert sind."
Christian Wirth ist Direktor von iDiv, dem deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung.
"Das Pflanzenreich ist also einfacher strukturiert, als wir uns das vorher vorgestellt haben."
Ackerschmalwand ist ein Freak
Das hat große Vorteile. Zum Beispiel für Erdsystemmodelle. Also für Vorhersagen die zeigen, wie sich Pflanzen bei verändertem Klima entwickeln werden. Derartige Modelle können nun gleichzeitig realistischer und einfacher werden. Die Studie liefert außerdem neue Denkansätze für Evolutionsforscher und nebenbei zeigt sie: Die Ackerschmalwand ist für Versuchszwecke im Labor zwar sehr gut geeignet, aber sie ist leider überhaupt nicht repräsentativ fuer das Pflanzenreich. Denn sie ist ein Außenseiter:
"Freakpflanzen sozusagen"
Sie ist klein, hat kleine Blätter, kleine Blüten, dafür große Schoten mit Samen gefüllt und sie brauchtnur sechs Wochen vom Samen bis zur Blüte. Und anders als die Mehrzahl der Pflanzen, reagiert sie auf Umweltveränderungen kaum mit veränderter Wuchshöhe und größeren Blättern.
"Und da kann man das erste Mal eindeutig sehen, wie wenig sie repräsentativ ist für die Normalpflanzen, auf unserem Planeten."
Schon heute zeichne sich ab, dass zukünftig andere Modellpflanzen im Labor genutzt werden, erläutert der Leipziger Wissenschaftler. Vielleicht müssen einige Studien mit einer geeigneteren Pflanze wiederholt werden. Dies zu sehen, sei aber erst mit der globale Datenbank TRY möglich geworden.
"Weil man nicht die Information hatte. Man hatte die Daten nicht, man konnte nicht die gesamte Pflanzenwelt auf einer Grafik anschauen. Wir blicken jetzt das erste Mal auf dieses Merkmalsphänomen der Pflanzenwelt auf unserem Planeten. Das konnte man vorher noch nicht tun."
Wirth und Kattge werden auch zukünftig Studie auf Grundlage der globalen Datenbank TRY erarbeiten und hoffen auf weitere Entdeckungen.