Martin Zagatta: Warum die Pflegezeit kaum Anklang findet, darüber wollen wir jetzt mit Markus Kurth sprechen, dem sozialpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Guten Tag, Herr Kurth!
Markus Kurth: Guten Tag, Herr Zagatta!
Zagatta: Herr Kurth, nur 200 Anträge in diesem Jahr – hat Sie denn diese niedrige Zahl auch überrascht, oder haben Sie als Experte, der sich da auskennt, haben Sie damit gerechnet?
Kurth: 200, das ist schon ziemlich wenig, muss ich sagen, also dass es so wenig werden, hätte ich jetzt auch nicht gedacht, dass es aber nicht viel wird, war von vornherein anzunehmen, denn das Ganze Konzept ist ja vor allen Dingen mit seiner Befristung auf zwei Jahre völlig lebensfremd. Wenn ich mich als Arbeitnehmer entscheide, meine Mutter zu pflegen, weil sie von Pflegestufe eins in Pflegestufe zwei gerutscht ist, der Zustand sich verschlechtert hat, weiß ich ja nicht, wie wird die Lage in zwei Jahren sein, womöglich geht es dann meiner Mutter noch viel schlechter und ich müsste dann erst recht mich um die Pflege kümmern und ärgere mich, dass ich vorher schon meine Auszeit sozusagen genommen habe.
Zagatta: Aber wenn Sie in eine solche Situation kommen, dann sind ja zwei Jahre erst einmal was, womit man was anfangen kann.
Kurth: Na ja, wenn es ernst wird, sind es ja in der Regel bis zu acht Jahre Pflegezeit, und vor allen Dingen ist der Gesamtverlauf sehr schwer planbar. Ich meine, man müsste generell für Familiensituationen flexible Arbeitszeitregelungen mit einem entsprechenden Rechtsanspruch auf Teilzeit und Rückkehr haben und das nicht so eng mit KfW-Kredit und Versicherungen fassen. Das Ganze mit der Pflege ist nicht mit der Altersteilzeit in dem Sinne vergleichbar und auch nicht mit der Elternzeit, denn solche Lebenssituationen sind besser planbar. Wenn ich Elternzeit nehme, da weiß ich, nach einem Jahr hat das Kleine gezahnt, kann laufen und entwickelt sich Richtung trocken, oder bei der Altersteilzeit habe ich auch eine Übergangsplanung in den Ruhestand. Pflegebedürftigkeit ist generell eine ziemlich unsichere Situation, die sich mit so einem wirklich bürokratischen Gesetz gar nicht abbilden lässt.
Zagatta: Stellen Sie denn in Zweifel, dass das ein gut gemeintes Gesetz ist?
Kurth: Na, es fügt sich ein in die Reihe der symbolpolitischen oder der Schritte der Symbolpolitik von Ministerin Schröder, ob das jetzt die Großelternzeit ist, Flexi-Quote oder um mal etwas zu nehmen aus einem ganz anderen Bereich, eine Hotline für Aussteiger aus dem Linksextremismus – da hat es nur einen Anruf gegeben. Das sind alles solche Elemente, viel Getöse, viel posen und darstellen nach außen und im Endeffekt wenig bewirken in der Realität.
Zagatta: Sie wollen da einen Rechtsanspruch oder was ist Ihre hauptsächliche Kritik?
Kurth: Ja, ein Rechtsanspruch, dass man Teilzeit arbeiten kann und dann auch wieder in Vollzeit oder wenn man vorher 30 Stunden hatte, dass man dorthin wieder zurückkehren kann, dass man flexibler seine Arbeitszeit und Arbeitsbedürfnisse anpassen kann. Das muss sich dann gar nicht mal alleine auf die Pflege erstrecken, sondern das können ja auch andere in der Familie kritische Situationen sein. Also insofern hat ja die Frau Schröder zumindest recht, wie es in dem Beitrag anklang: Es ist für die Unternehmen auf jeden Fall günstiger, qualifizierte Arbeitskräfte zu halten und insofern auf sie einzugehen und ihre Zeitbedürfnisse, als ihren Verlust zu riskieren. Ich glaube auch, dass Unternehmen das zunehmend begreifen werden. Man muss es ihnen dann nur so leicht wie möglich machen, allerdings die Position des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin muss mit einem gewissen Rechtsanspruch unterfüttert werden, und dann, aufbauend auf einer generellen Regelung, können dann die Tarifpartner einzeltarifvertragliche Vereinbarungen, glaube ich, schon finden. Aber so, wie das jetzt ist, mit einer Verkettung Versicherung, Kredit-Inanspruchnahme, Befristung auf zwei Jahre, dann auf die Pflegesituation speziell zugeschnitten – das sind so viele restriktive einschränkende Kriterien, dass sich es gar nicht wirklich entfalten kann.
Zagatta: Jetzt sagen die Arbeitgeberverbände, ein Rechtsanspruch würde das alles noch unflexibler machen und die sagen, das Gesetz sei jetzt schon überflüssig, in solchen Notfällen gäbe es in Betrieben ja immer eine Lösung. Ist da ein solches Gesetz in der Praxis unter Umständen sogar eher hinderlich?
Kurth: Na ja, wir haben ja schon Teilzeitanspruch, bloß mit der Rückkehr auf die volle Stelle ist es schwierig. Also ich glaube schon, dass die Arbeitgeber – das sind ja jetzt erst mal nur Verbandsmeinungen, die wir gehört haben –, ich glaube schon, dass die Arbeitgeber als konkrete Unternehmerinnen und Unternehmer wissen, dass Fluktuation etwa einfach Geld kostet, im Bereich von Kindern und Familienkinderzeiten sind ja eine ganze Reihe Unternehmerinnen und Unternehmer schon weiter und sagen: Wir sind lieber bereit, dort Abstriche bei der Zeitplanung in Kauf zu nehmen, wenn wir die Person halten können, und ich denke, dass sich dieses Denken auch im Zuge des demografischen Wandels durchsetzen wird, auch bei älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Und da, wo eben dieser Erkenntnisprozess bei Unternehmen noch nicht so weit fortgeschritten ist, kann ein Rechtsanspruch sicherlich ein Stück weit helfen. Das ist kein Mittel, was alles bewirkt. Wir wissen auch, dass das Pochen auf einem Rechtsanspruch das Betriebsklima da, wo die Unternehmerinnen oder der Unternehmer nicht will, nicht unbedingt verbessert. Aber es kann zumindest ein Stück weit dazu beitragen, dass Unternehmer sich ernsthafter Gedanken machen, sich mit dem Betriebsrat oder Personalrat zusammensetzen, mit den Beschäftigten, um dann eben solche angepassten Regelungen zu finden, auch für die Pflege.
Zagatta: Nun fürchten ja Unternehmer sicher, dass solche Regelungen Geld kosten, dass sie dafür zahlen müssen, dass man dann eventuell, vorübergehend zumindest, Aushilfskräfte oder wen auch immer einstellen muss. Sind das Kosten, die Sie den Unternehmen zumuten wollen, oder müsste der Staat da auch stärker einspringen?
Kurth: Na ja, für Betriebswirte ist das eine ganz einfache Abwägung. Personen, die Qualifikationen, Arbeitserfahrungen, mehrere Jahre im Betrieb mitbringen, wenn die ausfallen und ich muss dafür eine neue Kraft einstellen, anlernen – das kostet ja auch Geld. Dann ist es vielleicht schon günstiger, etwa eine Teilzeitregelung zu vereinbaren, dann sind die Leute ja nicht ganz weg.
Zagatta: Aber das sollte man ja dann vielleicht auch Unternehmen überlassen, dafür sich zu entscheiden, was für ein Unternehmen das Beste ist. Warum muss der Staat das vorschreiben?
Kurth: Ich meine ja auch nicht, dass der Staat mit KfW-Kredit und Versicherung und dergleichen das vorschreiben muss, aber ich glaube, dass der Staat mit diesem Rechtsanspruch zumindest die Rechtspositionen – um die Inanspruchnahme zu ermöglichen – der Beschäftigten fördern kann. Ich habe ja schon gesagt: Ein Rechtsanspruch wird nicht automatisch dazu führen, dass alle dann damit rumwedeln und sagen, ich nehme das auf jeden Fall in Anspruch, aber es schafft sozusagen ein stärkeres Bewusstsein oder ein Klima, dass Unternehmer sagen, gut, es gibt diesen Rechtsanspruch, also muss ich meine Arbeitsorganisation entsprechend anpassen. Auf keinen Fall kann eine staatliche Regelung als Hebel dienen, um dann generell mit einem Schlag alles umzuwälzen. Also diese Illusion sozusagen der Kontroll- und Steuerungsallmacht, die habe ich schon lange verloren.
Zagatta: Herr Kurth, wäre das ein Gesetz, dass bei Ihnen auf der Dringlichkeitsliste ganz oben stünde, wenn Rot-Grün tatsächlich an die Macht kämen da im nächsten Herbst, wenn Sie die Bundestagswahl gewinnen, oder sollte man da vielleicht doch noch ein Jahr vielleicht abwarten, wie sich das Gesetz dann oder wie sich dieses Problem dann entwickelt?
Kurth: Ja, es ist ja sowieso voraussichtlich noch ein knappes Jahr hin ohnehin bis zur Wahl, und ich glaube, man muss dann ein bisschen umfassender sich die Lage mal angucken, Elternzeit, Pflegezeit, Familienzeiten, wenn etwa Krankheiten da sind, ob man dann nicht lieber umfassender mal schaut: Wie kriegt man eigentlich die Zeitbedürfnisse von Familien jüngeren und mittleren Alters in Einklang gebracht mit den Bedürfnissen der Wirtschaft, mit Arbeitszeitanforderungen, Präsenzanforderungen am Arbeitsplatz? Ich glaube, dass man da generell ein bisschen tiefer schürfen muss, als immer nur auf der Oberfläche, Großelternzeit hier, Pflegezeit dort, an der Oberfläche kleine Pünktchen zu setzen, und da lohnt es sich, glaube ich, mal, grundsätzlich auch in einen Dialog mit Wirtschaftsbeschäftigten zu treten und sich anzugucken: Wie kann man die Arbeitswelt eigentlich so gestalten, dass Familie und Beruf ohne Stress vereinbar sind?
Zagatta: Markus Kurth, der sozialpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Herr Kurth, herzlichen Dank für das Gespräch!
Kurth: Danke Ihnen auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Markus Kurth: Guten Tag, Herr Zagatta!
Zagatta: Herr Kurth, nur 200 Anträge in diesem Jahr – hat Sie denn diese niedrige Zahl auch überrascht, oder haben Sie als Experte, der sich da auskennt, haben Sie damit gerechnet?
Kurth: 200, das ist schon ziemlich wenig, muss ich sagen, also dass es so wenig werden, hätte ich jetzt auch nicht gedacht, dass es aber nicht viel wird, war von vornherein anzunehmen, denn das Ganze Konzept ist ja vor allen Dingen mit seiner Befristung auf zwei Jahre völlig lebensfremd. Wenn ich mich als Arbeitnehmer entscheide, meine Mutter zu pflegen, weil sie von Pflegestufe eins in Pflegestufe zwei gerutscht ist, der Zustand sich verschlechtert hat, weiß ich ja nicht, wie wird die Lage in zwei Jahren sein, womöglich geht es dann meiner Mutter noch viel schlechter und ich müsste dann erst recht mich um die Pflege kümmern und ärgere mich, dass ich vorher schon meine Auszeit sozusagen genommen habe.
Zagatta: Aber wenn Sie in eine solche Situation kommen, dann sind ja zwei Jahre erst einmal was, womit man was anfangen kann.
Kurth: Na ja, wenn es ernst wird, sind es ja in der Regel bis zu acht Jahre Pflegezeit, und vor allen Dingen ist der Gesamtverlauf sehr schwer planbar. Ich meine, man müsste generell für Familiensituationen flexible Arbeitszeitregelungen mit einem entsprechenden Rechtsanspruch auf Teilzeit und Rückkehr haben und das nicht so eng mit KfW-Kredit und Versicherungen fassen. Das Ganze mit der Pflege ist nicht mit der Altersteilzeit in dem Sinne vergleichbar und auch nicht mit der Elternzeit, denn solche Lebenssituationen sind besser planbar. Wenn ich Elternzeit nehme, da weiß ich, nach einem Jahr hat das Kleine gezahnt, kann laufen und entwickelt sich Richtung trocken, oder bei der Altersteilzeit habe ich auch eine Übergangsplanung in den Ruhestand. Pflegebedürftigkeit ist generell eine ziemlich unsichere Situation, die sich mit so einem wirklich bürokratischen Gesetz gar nicht abbilden lässt.
Zagatta: Stellen Sie denn in Zweifel, dass das ein gut gemeintes Gesetz ist?
Kurth: Na, es fügt sich ein in die Reihe der symbolpolitischen oder der Schritte der Symbolpolitik von Ministerin Schröder, ob das jetzt die Großelternzeit ist, Flexi-Quote oder um mal etwas zu nehmen aus einem ganz anderen Bereich, eine Hotline für Aussteiger aus dem Linksextremismus – da hat es nur einen Anruf gegeben. Das sind alles solche Elemente, viel Getöse, viel posen und darstellen nach außen und im Endeffekt wenig bewirken in der Realität.
Zagatta: Sie wollen da einen Rechtsanspruch oder was ist Ihre hauptsächliche Kritik?
Kurth: Ja, ein Rechtsanspruch, dass man Teilzeit arbeiten kann und dann auch wieder in Vollzeit oder wenn man vorher 30 Stunden hatte, dass man dorthin wieder zurückkehren kann, dass man flexibler seine Arbeitszeit und Arbeitsbedürfnisse anpassen kann. Das muss sich dann gar nicht mal alleine auf die Pflege erstrecken, sondern das können ja auch andere in der Familie kritische Situationen sein. Also insofern hat ja die Frau Schröder zumindest recht, wie es in dem Beitrag anklang: Es ist für die Unternehmen auf jeden Fall günstiger, qualifizierte Arbeitskräfte zu halten und insofern auf sie einzugehen und ihre Zeitbedürfnisse, als ihren Verlust zu riskieren. Ich glaube auch, dass Unternehmen das zunehmend begreifen werden. Man muss es ihnen dann nur so leicht wie möglich machen, allerdings die Position des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin muss mit einem gewissen Rechtsanspruch unterfüttert werden, und dann, aufbauend auf einer generellen Regelung, können dann die Tarifpartner einzeltarifvertragliche Vereinbarungen, glaube ich, schon finden. Aber so, wie das jetzt ist, mit einer Verkettung Versicherung, Kredit-Inanspruchnahme, Befristung auf zwei Jahre, dann auf die Pflegesituation speziell zugeschnitten – das sind so viele restriktive einschränkende Kriterien, dass sich es gar nicht wirklich entfalten kann.
Zagatta: Jetzt sagen die Arbeitgeberverbände, ein Rechtsanspruch würde das alles noch unflexibler machen und die sagen, das Gesetz sei jetzt schon überflüssig, in solchen Notfällen gäbe es in Betrieben ja immer eine Lösung. Ist da ein solches Gesetz in der Praxis unter Umständen sogar eher hinderlich?
Kurth: Na ja, wir haben ja schon Teilzeitanspruch, bloß mit der Rückkehr auf die volle Stelle ist es schwierig. Also ich glaube schon, dass die Arbeitgeber – das sind ja jetzt erst mal nur Verbandsmeinungen, die wir gehört haben –, ich glaube schon, dass die Arbeitgeber als konkrete Unternehmerinnen und Unternehmer wissen, dass Fluktuation etwa einfach Geld kostet, im Bereich von Kindern und Familienkinderzeiten sind ja eine ganze Reihe Unternehmerinnen und Unternehmer schon weiter und sagen: Wir sind lieber bereit, dort Abstriche bei der Zeitplanung in Kauf zu nehmen, wenn wir die Person halten können, und ich denke, dass sich dieses Denken auch im Zuge des demografischen Wandels durchsetzen wird, auch bei älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Und da, wo eben dieser Erkenntnisprozess bei Unternehmen noch nicht so weit fortgeschritten ist, kann ein Rechtsanspruch sicherlich ein Stück weit helfen. Das ist kein Mittel, was alles bewirkt. Wir wissen auch, dass das Pochen auf einem Rechtsanspruch das Betriebsklima da, wo die Unternehmerinnen oder der Unternehmer nicht will, nicht unbedingt verbessert. Aber es kann zumindest ein Stück weit dazu beitragen, dass Unternehmer sich ernsthafter Gedanken machen, sich mit dem Betriebsrat oder Personalrat zusammensetzen, mit den Beschäftigten, um dann eben solche angepassten Regelungen zu finden, auch für die Pflege.
Zagatta: Nun fürchten ja Unternehmer sicher, dass solche Regelungen Geld kosten, dass sie dafür zahlen müssen, dass man dann eventuell, vorübergehend zumindest, Aushilfskräfte oder wen auch immer einstellen muss. Sind das Kosten, die Sie den Unternehmen zumuten wollen, oder müsste der Staat da auch stärker einspringen?
Kurth: Na ja, für Betriebswirte ist das eine ganz einfache Abwägung. Personen, die Qualifikationen, Arbeitserfahrungen, mehrere Jahre im Betrieb mitbringen, wenn die ausfallen und ich muss dafür eine neue Kraft einstellen, anlernen – das kostet ja auch Geld. Dann ist es vielleicht schon günstiger, etwa eine Teilzeitregelung zu vereinbaren, dann sind die Leute ja nicht ganz weg.
Zagatta: Aber das sollte man ja dann vielleicht auch Unternehmen überlassen, dafür sich zu entscheiden, was für ein Unternehmen das Beste ist. Warum muss der Staat das vorschreiben?
Kurth: Ich meine ja auch nicht, dass der Staat mit KfW-Kredit und Versicherung und dergleichen das vorschreiben muss, aber ich glaube, dass der Staat mit diesem Rechtsanspruch zumindest die Rechtspositionen – um die Inanspruchnahme zu ermöglichen – der Beschäftigten fördern kann. Ich habe ja schon gesagt: Ein Rechtsanspruch wird nicht automatisch dazu führen, dass alle dann damit rumwedeln und sagen, ich nehme das auf jeden Fall in Anspruch, aber es schafft sozusagen ein stärkeres Bewusstsein oder ein Klima, dass Unternehmer sagen, gut, es gibt diesen Rechtsanspruch, also muss ich meine Arbeitsorganisation entsprechend anpassen. Auf keinen Fall kann eine staatliche Regelung als Hebel dienen, um dann generell mit einem Schlag alles umzuwälzen. Also diese Illusion sozusagen der Kontroll- und Steuerungsallmacht, die habe ich schon lange verloren.
Zagatta: Herr Kurth, wäre das ein Gesetz, dass bei Ihnen auf der Dringlichkeitsliste ganz oben stünde, wenn Rot-Grün tatsächlich an die Macht kämen da im nächsten Herbst, wenn Sie die Bundestagswahl gewinnen, oder sollte man da vielleicht doch noch ein Jahr vielleicht abwarten, wie sich das Gesetz dann oder wie sich dieses Problem dann entwickelt?
Kurth: Ja, es ist ja sowieso voraussichtlich noch ein knappes Jahr hin ohnehin bis zur Wahl, und ich glaube, man muss dann ein bisschen umfassender sich die Lage mal angucken, Elternzeit, Pflegezeit, Familienzeiten, wenn etwa Krankheiten da sind, ob man dann nicht lieber umfassender mal schaut: Wie kriegt man eigentlich die Zeitbedürfnisse von Familien jüngeren und mittleren Alters in Einklang gebracht mit den Bedürfnissen der Wirtschaft, mit Arbeitszeitanforderungen, Präsenzanforderungen am Arbeitsplatz? Ich glaube, dass man da generell ein bisschen tiefer schürfen muss, als immer nur auf der Oberfläche, Großelternzeit hier, Pflegezeit dort, an der Oberfläche kleine Pünktchen zu setzen, und da lohnt es sich, glaube ich, mal, grundsätzlich auch in einen Dialog mit Wirtschaftsbeschäftigten zu treten und sich anzugucken: Wie kann man die Arbeitswelt eigentlich so gestalten, dass Familie und Beruf ohne Stress vereinbar sind?
Zagatta: Markus Kurth, der sozialpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Herr Kurth, herzlichen Dank für das Gespräch!
Kurth: Danke Ihnen auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.