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Pflegenotstand
NRW schiebt keine Flüchtlinge in Erstqualifizierungen mehr ab

Nordrhein-Westfalen hat als bislang einziges Bundesland beschlossen, keine Zuwanderer mehr abzuschieben, die bereits eine Erstqualifizierung absolvieren. Sie werden vor allem in Mangelberufen wie der Alten- und Krankenpflege dringend benötigt.

Von Moritz Börner |
    Flüchtlinge und Zuwanderer nehmen am 17.08.2016 im Berufsbildungszentrum der Handwerkskammer Frankfurt Rhein-Main in Frankfurt am Main (Hessen) an einer Unterrichtsstunde teil. Das hessische Wirtschaftsministerium hat mit dem Programm "Wirtschaft integriert" ein Pilotprojekt ins Leben gerufen. Junge Flüchtlinge und Zuwanderer werden von der Berufsorientierung bis zur Ausbildung gefördert.
    Die neue Regelung gibt aber auch den Pflegeschulen und Arbeitsagenturen die Sicherheit, dass sie nicht umsonst Geld in die Ausbildung der Zuwanderer investieren (picture alliance / dpa / Arne Dedert)
    Das Fachseminar für Altenpflege an der Pflegeschule der Caritas in Bochum. Michael aus Eritrea, der seinen Nachnamen nicht nennen will, absolviert hier eine Ausbildung zum Altenpflegehelfer. Er ist vor drei Jahren durch die Sahara und über das Mittelmeer nach Deutschland geflohen, aber als Asylbewerber wurde er nicht anerkannt. Jetzt lebt der 36–jährige mit einer Duldung in Deutschland. Bald sind die Prüfungen zum Altenpflegehelfer, im Unterricht werden die Prüfungsfragen durchgearbeitet:
    Lehrerin: "Welche Leistungen erhielten die Krankenschwestern damals?"
    Michael: "Dienstkleidung, Arbeitsdienstkleidung, Geld und Essen auch, Unterkunft."
    Die Arbeit im Altenheim macht ihm Spaß.
    "Ich arbeite mit den alten Leuten, Grundpflege, mit dem alten Leute waschen, Anziehen, kleiden, und mit Essen und Trinken helfen, unterstützen, und für die alte Leute ich bin Zustand wenn ich im Heim bin. Das gefällt mir gut, weil ich mag auch alte Leute sehr gerne, wenn ich war in meine Heimat so, das ist auch als Kultur bei uns wenn man alte Leute sieht, dann hilft man, mit schwere Sache oder was hat, dann hilft man, oder fragt man, soll ich Ihnen helfen, also da möchte ich auch mit!"
    Obwohl er nur eine Duldung hat, ist Michael während der Pflegehelferausbildung vor Abschiebung sicher. Er profitiert von der neuen Regelung in Nordrhein-Westfalen. In Mangelberufen wie der Kranken- und Altenpflege soll nicht mehr abgeschoben werden, erklärt Integrationsminister Joachim Stamp:
    Mehr Sicherheit für Zuwanderer und Arbeitgeber
    "Uns geht es darum, dass wir diejenigen, die jetzt hier sind so schnell wie möglich in Arbeit bekommen, um den Integrationsprozess so schnell wie möglich voranzubringen und das ist es eben so, dass es sinnvoll ist, dieses Vorbereitungsjahr zu haben. Es ist jetzt so, dass es eine Sicherheit gibt, wer sich an die Spielregeln hält und sich wirklich in den Arbeitsmarkt integrieren will, eine Ausbildung macht, der kriegt dann die Möglichkeit auch schon im Vorbereitungsbereich."
    Die neue Regelung gibt aber auch den Pflegeschulen und Arbeitsagenturen die Sicherheit, dass sie nicht umsonst Geld in die Ausbildung der Zuwanderer investieren, weil diese plötzlich abgeschoben werden. Das sieht auch Ute Magnus so, die die Pflegeschule der Caritas in Bochum leitet, an der Michael aus Eritrea lernt:
    "Es ist so unsinnig, dass man Menschen, die hier inzwischen gut ausgebildet und integriert sind, wieder zurück bringt, und sie fehlen uns hier."
    Genau das passiert in anderen Bundesländern, zum Beispiel der Leitung eines Pflegeheimes im Baden-Württembergischen Bad Mergentheim. Das Haus Sonnenberg betreut psychisch kranke Menschen. In diesem Bereich Pflegepersonal zu finden, ist schwierig. Darum war Daniela Uhl, die Leiterin der Einrichtung sehr froh, als dort vor zwei Jahren der Asylbewerber Dame Ndow aus Gambia anfing als ungelernter Pflegehelfer zu arbeiten:
    "Wir haben dann beschlossen, ihn auch auszubilden, weil er eben ein sehr guter Mitarbeiter war. Er war sehr beliebt, wir hatten ihn dann auch angeboten, dass er die Ausbildung machen kann, weil damals auch propagiert wurde, dass eben Flüchtlinge auch einen Mangelberuf in Deutschland ergreifen auch einen besonderen Schutz tatsächlich genießen."
    Abschiebung kurz vor Ende der Ausbildung
    Weil der junge Mann aus Gambia wie so viele Zuwanderer keine mittlere Reife hatte, musste auch er zuerst eine einjährige Ausbildung zum Krankenpflegehelfer machen, bevor er mit der richtigen, dreijährigen Ausbildung anfangen durfte. Doch kurz nach Beginn der Ausbildung wurde sein Asylantrag abgelehnt, wie Einrichtungsleiterin Daniela Uhl berichtet:
    "Im Februar diesen Jahres an einem Freitag stand dann die Polizei bei uns vor der Türe und wollte ihn abholen, zur Abschiebung. Er war zu dem Zeitpunkt in der Schule, und die sind dann eben weiter gefahren in die Altenpflegeschule und haben ihn dort aus dem Unterricht geholt. Es ist schon sehr schwierig, generell Mitarbeiter zu finden, und wenn sie Ihnen dann auch noch weggenommen werden, das ist der Supergau. Wir haben einen Arbeitskräftemangel, und es ist an wenigen Stellen so eindeutig wie im Pflegeberuf, und ich halte es für grob fahrlässig."
    In Baden-Württemberg gibt es aktuell keine Überlegungen, Pflegehelfer mit einer Duldung so wie in NRW vor Abschiebung zu schützen. Bayern dagegen hat erst vor wenigen Tagen angekündigt, dass Geduldete in einer Helferausbildung in Zukunft nicht mehr abgeschoben werden können. Zumindest langsam findet bei den Landesregierungen mit Blick auf den Fachkräftemangel also ein Umdenken statt, von dem sowohl der Arbeitsmarkt als auch die Zuwanderer profitieren.