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Pflegereformdebatte
Verhaltene Reaktion auf Spahns Sofortprogramm

Eine klare Botschaft hat Gesundheitsminister Jens Spahn senden wollen, als er sein Sofortprogramm gegen den Pflegenotstand vorstellte. 13.000 zusätzliche Pflegekräfte will er einstellen, Ausbildung und Arbeitsverhältnisse verbessern. Dennoch bleiben Sozialverbände skeptisch.

Von Volker Finthammer |
    Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf dem Deutschen Pflegetag 2018
    Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf dem Deutschen Pflegetag 2018 (imago stock&people)
    Im Koalitionsvertrag hatten CDU/CSU und SPD 8.000 neue Stellen für die Pflege angekündigt. Viel zu wenig, schallte es aus dem ganzen Land. Jetzt sollen in der Altenpflege 13.000 neue Stellen geschaffen werden.
    "Wir wollen, dass es mehr Kollegen geben kann, dass wir die Selbstausbeutung, die es oft in der Pflege gibt, auch beenden, weil wir sie auf mehr Schultern verteilen. Und das macht es dann wieder attraktiver für andere zurückzukehren in die Pflege oder die Stundenzahl zu erhöhen."
    Der Gesundheitsminister spricht von einer klaren Botschaft und dass die Politik die Situation erkannt habe. Aber in der Alten- und Krankenpflege sind derzeit bundesweit rund 35.000 Stellen für Fachkräfte und Helfer unbesetzt. Von einem ersten guten Schritt spricht deshalb am Morgen im Deutschlandfunk die Präsidentin des VdK, Verena Bentele. Denn die Probleme in der Pflege seien mit diesem Sofortprogramm noch lange nicht gelöst:
    "Wir fordern circa 60.000 neue Stellen in der Pflege, weil wir einfach auch wissen, wie die Arbeitsbedingungen in vielen Pflegeeinrichtungen sind. Und ich bin natürlich auch gespannt, wo die herkommen sollen."
    Seit Längerem wird auch dafür geworben, Teilzeitkräfte wieder in volle Stellen zu bringen und Aussteiger zurückzugewinnen. Außerdem sollen auch für die Krankenpflege in den Krankenhäusern neue Anreize gesetzt werden, betont Jens Spahn:
    "Wir wollen die Arbeitsbedingungen verbessern. Das heißt, in den Krankenhäusern Tarifbezahlung, Tariferhöhung voll refinanzieren, auch in der Altenpflege, das ist ein nächster Schritt, regelhaft Tarifbezahlung haben."
    Rücklagen der Krankenkassen sollen Sofortprogramm finanzieren
    Rund eine Milliarde Euro soll das Paket kosten. Doch allein die 13.000 neuen Pflegestellen schlagen da mit 650 Millionen Euro zu Buche. Pflegebedürftige und ihre Angehörigen sollen jedoch nicht extra zur Kasse gebeten werden. Gesundheitsminister Spahn will das Programm aus den hohen Rücklagen der Krankenkassen finanzieren. Angesichts deren 30-Milliarden-Euro-Polster bestehe für Beitragserhöhungen kein Anlass, betont er.
    Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen reagierte jedoch skeptisch auf die geplante Querfinanzierung. Wenn hier mit einem Finanztransfer von der Kranken- in die Pflegeversicherung begonnen werde - wo höre das dann auf, fragt man sich dort.
    Verbände fordern steuerliche Zuschüsse
    Nicht zuletzt vor dem Hintergrund sprudelnder Steuereinnahmen sei es an der Zeit, über die Einführung eines steuerfinanzierten Bundeszuschusses für die Pflegeversicherung nachzudenken, fordert der Spitzenverband. In die gleiche Richtung argumentiert auch VdK-Präsidentin Bentele:
    "Was ich mir ebene wünschen würde, ist tatsächlich auch mal ein langfristiges Konzept, das eben klar jetzt schon sagt, wie wir auch die Beitragszahler, die Versicherten schützen, dass eben die ganze Last nicht wieder die Männer und Frauen tragen, die gepflegt werden und deren Angehörige, sondern dass wir eben auch ein System haben, wo jetzt beispielsweise auch die Steuereinnahmen verwendet werden, um in der Pflege eine Finanzierung zu gewährleisten."
    Spahn erwartet höhere Pflegebeiträge
    Doch von zusätzlichen Steuermitteln und gar einem Systemwechsel in der Finanzierung der Pflege will der Gesundheitsminister im Moment nichts wissen. Jens Spahn drängt darauf, sich an dieser Stelle auch ehrlich zu machen. Mehr für die Pflege zu tun, bedeute für die Versicherten auch, höhere Kosten in Kauf zu nehmen:
    "Wir werden höhere Pflegebeiträge brauchen, ich finde das gehört zur ehrlichen Debatte dazu."
    Die geplanten Regelungen sollen zum Jahresanfang 2019 in Kraft treten. In der Pflegeversicherung wird auch ohne das Sofortprogramm in diesem Jahr mit einem Defizit von rund drei Milliarden Euro gerechnet, durch die zurückliegende Reform der Pflegestandards. Die Pflegeversicherung soll aber durch das Sofortprogramm nicht weiter belastet werden.