Auch der leichte Schnupfen kann der quirligen Frau im schwarzen Rolli und mit dem dunklen Kurzhaarschnitt nichts anhaben. Inmitten eines ehemaligen Industriequartiers in Hannover hat sie ihre Büros eingerichtet.
"Wir sind gerade dabei unten eine Tagespflege neu umzubauen. Das ist ja auch einer der Boombereiche in der Pflege im Moment."
Jasmin Arbabian-Vogel ist 51 Jahre alt. Vor mehr als 20 Jahren hat sie entschieden, speziell Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte in den Blick zu nehmen, als sie ihr Unternehmen gründete:
"Und der Pflegedienst war tatsächlich der erste in der Bundesrepublik. Ich war mit meinem Konzept die Erste."
Wurzeln im Iran
Ihren Vater hatte einst der Schah aus dem Iran zum Studium nach Deutschland geschickt. Mit dieser Ausbildung, seiner deutschen Frau und zwei Kindern kehrte er wieder zurück. Seine Tochter Jasmin wuchs im Iran auf und kam mit 18 Jahren nach Deutschland, als die Politik im Iran immer komplizierter wurde.
Sie holte den Schulabschlüsse nach, studierte Politologie und Sozialpsychologie und entdeckte die Lücke in der Pflegebranche.
Pflege mit interkulturellem Knowhow
Heute beschäftigt sie in ihrem interkulturellen Sozialdienst etwa 160 Personen. Es sind viele Frauen, aber auch Männer - die meisten haben selbst einen Migrationshintergrund. Ihr Motto: Wer die Kultur des anderen kennt, kann auch besser auf die jeweiligen Bedürfnisse eingehen. Ihr Angebot: Pflege - ambulant oder in Wohngruppen, auch für Demenzkranke.
"Wir wachsen stetig, das ist gut so. Das ist eigentlich auch typisch für die Pflege in Deutschland."
Freundlich ist der Umgang auf der Büroetage, wo zehn Mitarbeiter das Personal managen. Helle Räume, farbige Wände, Blumen und Bilder - fast wie eine WG. Wer hier arbeitet, sagt die Chefin, soll sich wohlfühlen.
"Also hier das nächste Büro - das ist quasi die Schaltzentrale."
Der stressigste Arbeitsplatz, auch wenn dahinter seelenruhig in einem großen Aquarium bunte Fische ihre Bahnen ziehen.
Problem-Klassiker in der Pflegebranche: zu wenig Personal
Fällt ein Mitarbeiter aus, braucht es sofort Ersatz, zumal auch viele Intensivpflege-Patienten betreut werden. Alles muss funktionieren.
"Mit der Maßgabe, dass wir eigentlich aus einer Situation des Mangels heraus agieren. Kein Pflegedienst in Deutschland hat mehr eine Vollbesetzung. Wir haben überall vakante Stellen. Auch hier."
Wünschen würde sie sich generell ein besseres Image und mehr Wertschätzung für den Pflegeberuf, denn:
"Weil viele junge Menschen sich auch nicht mehr vorstellen können - aufgrund von Image und anderen Gründen - in die Pflege zu gehen. Das ist schade."
Nebenan sitzt ein junger Mann am Tisch. Hoffentlich ein Vorstellungsgespräch, raunt die Chefin und zieht die Augenbrauen kurz hoch.
Dann geht es in den nächsten Raum. Hier liegt in einem elektronischen Schlüsselschrank für jeden Mitarbeiter griffbereit, was er braucht, um rauszufahren zu den jeweiligen Patienten: Medikamente, Wohnungsschlüssel, Bögen für Dokumentation und Abrechnung. Vieles passiere heute digital in der ambulanten Pflege:
"Und was Sie dort sehen, diese kleinen Büchlein, das sind die Medikamenten-Dosseten der Patienten, die jetzt mitgenommen werden für die neue Woche. Deswegen liegen die auf dem Tisch für den Spätdienst. Der Frühdienst ist schon unterwegs."
Nebenbei Verbands-Präsidentin
Es ist elf Uhr. Für eine Mittagspause hat Jasmin Arbabian-Vogel nur selten, auch wenig Zeit für Sport, obwohl selbst ein Yoga- und Pilates-Studio zu ihren insgesamt vier Unternehmen zählt.
Sie ist Macherin, immer optimistisch und schaukelt gleich mehrere Ehrenämter nebenbei: Im Bundesverband für ambulante Dienste, in mehreren Gremien der Stadt Hannover und Niedersachsen und eben als Präsidentin des Verbandes deutscher Unternehmerinnen.
Ein Verband, gegründet vor 65 Jahren, als Frauen in anderen Gremien noch nicht erwünscht waren. Die Zeiten haben sich geändert. Und heute? Der Verband kann über Nachfrage nicht klagen. 1.800 Mitglieder bilden eine gemischte Klientel, sagt Jasmin Arbabian-Vogel und meint damit auch den Blick auf jene Unternehmerinnen mit Migrationshintergrund:
"Unternehmerinnen nehmen das als große, große Chance wahr, und die Mehrzahl der Unternehmerinnen ist dem Thema Diversität auch im Unternehmen ausgesprochen aufgeschlossen."
Heute fördert und unterstützt sie andere Gründerinnen. Denn das Ankommen hier war auch für sie ein gewisser Kulturschock:
"Und dieses 'zwischen-den-Stühlen-sitzen', das begleitet mich in meinem Leben, die Frage ist immer, ob man es als Chance wahrnimmt, ob man es als etwas Positives wahrnimmt oder ob man es als etwas Belastendes wahrnimmt, und die Mehrzahl der Migrantinnen und Migranten nimmt den Rucksack, den sie auf der Schulter tragen, in der Regel auch als etwas Positives und einen Schatz wahr."