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Pflegezusatzversicherung
Henkel sorgt für seine Belegschaft vor

Pflegebedürftigkeit ist belastend - emotional, zeitlich und nicht zuletzt finanziell. Einige Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern Unterstützung an, um für rare Fachkräfte attraktiver zu werden. So zahlt Henkel seinen Mitarbeiter nun eine betriebliche Pflegezusatzversicherung - und könnte damit zum Vorbild werden.

Von Katja Scherer | 03.01.2019
    Ein Rollator steht in einem Raum in einer Pflegeeinrichtung, aufgenommen in Berlin
    Henkel übernimmt die Kosten für einen Basisschutz bei Pflegebedürftigkeit - und die aufwändige Gesundheitsprüfung entfällt (imago stock&people)
    Was wäre, wenn er wirklich einmal zum Pflegefall werden würde? Welche Folgen hätte das finanziell – auch für seine Familie? Solche Fragen hat sich Heinrich Rositzka schon öfter gestellt:
    "Das habe ich schon mit mir mitgetragen. Und ich kenne auch den einen oder anderen Fall, wo man tatsächlich dann an das Wohneigentum herangetreten ist und gesagt hat, das muss veräußert werden."
    Der 62-Jährige arbeitet seit mehr als 40 Jahren als Elektromeister bei Henkel. Der Abschluss einer privaten Pflegezusatzversicherung sei ihm zu kompliziert gewesen, sagt er: "Ich weiß, dass diese Versicherungen recht teuer sind. Ich weiß auch, dass die Eingangsvoraussetzungen, also die Gesundheitsprüfung, sehr umfangreich sind."
    Nun bekommt Rositzka trotzdem eine Pflegezusatzversicherung – ohne etwas dafür tun zu müssen. Ab Januar bezahlt Henkel seinen 9.000 festangestellten Mitarbeitern in Deutschland die Police. Die Kosten für einen Basisschutz übernimmt das Unternehmen; die aufwändige Gesundheitsprüfung, die sonst bei privaten Zusatzversicherungen nötig ist, entfällt dabei.
    Gelder von Altersvorsorge umgeschichtet
    Wer will, kann den Schutz dann auf eigene Kosten aufstocken oder auf Familienangehörige ausweiten. Anspruch auf Auszahlungen haben Versicherte später, wenn sie ihre Pflegebedürftigkeit nachweisen können:
    "Wir wollen ein attraktiver Arbeitgeber sein. Und wir hoffen natürlich, dass unsere Mitarbeiter auch immer Markenbotschafter für uns sind und sie das dann entsprechend an ihre Freunde, Bekannte und Familie weitergeben", erklärt Martina Baptist, Leiterin der Versorgungssysteme bei Henkel die Motivation des Unternehmens.
    Zusätzliche Mittel muss der Konzern dafür nicht locker machen. Vielmehr wird ein Teil des Geldes, das früher für die Altersvorsorge der Mitarbeiter eingesetzt wurde, nun in die betriebliche Pflegezusatzversicherung gesteckt. Dadurch sammelt sich zwar etwas weniger Betriebsrente an. Für die Beschäftigten sei die Umschichtung aber dennoch besser, weil im Pflegefall dann nicht mehr ihr Rentenvermögen angetastet werde, sagt Baptist:
    "Denn was passiert denn, wenn die Pflegesituation eintritt? Irgendwann wird mein Altersvorsorgevermögen auf jeden Fall angekratzt, wenn ich es nicht mehr aus eigenen Mitteln stemmen kann. Das heißt: Das sichert sein Altersvorsorgevermögen."
    Gewerkschaft unterstützt bei Abschluss und Auszahlung
    Monatlich 1.000 Euro für die stationäre oder teilstationäre Pflege und 300 Euro für die häusliche Pflege stehen den Mitarbeitern im Schadensfall zu. Das wird nicht immer reichen, um die offenen Kosten, die die gesetzliche Versicherung nicht bezahlt, komplett abzudecken – aber es ist ein kräftiger Zuschuss. Beim Abschluss der Versicherung werden Henkel-Mitarbeiter zudem von der IG BCE beraten und im Schadensfall helfe ihnen die Gewerkschaft, an ihre Auszahlung zu kommen, sagt der IG BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis. Denn manchmal kann es bei der Einschätzung der Pflegebedürftigkeit und des Pflegegrads zum Streit mit der Versicherung kommen.
    "Wenn unsachgemäß oder tricky an der Stelle von den Versicherern agiert werden würde, dann würden wir natürlich mit der Kraft von Henkel und der Organisation einspringen und unsere Forderungen durchsetzen."
    Politik darf Engagement der Unternehmen nicht ausnutzen
    Vassiliadis geht davon aus, dass das Modell schnell für andere Unternehmen in der Branche zum Vorbild werden wird. Auch Stefan Sell, Professor für Sozialpolitik an der Hochschule Koblenz, nennt das Angebot ein gutes Signal an die Henkel-Mitarbeiter. Allerdings: Ob die Auszahlung der Versicherungsleistungen in der Praxis so gut funktioniere, wie von Henkel und der IG BCE versprochen, bleibe abzuwarten, warnt er. Vor allem dürfe das Modell einer betrieblichen Pflegezusatzversicherung nicht dazu führen, dass der Staat wichtige Reformen verschleppe:
    "Es darf auf keinen Fall passieren, dass solche insgesamt für sich genommen lobenswerten Ansätze eines Unternehmens sozusagen von der Politik instrumentalisiert werden, um zu sagen, wir können die staatlichen Aktivitäten etwas herunterfahren oder müssen uns nicht bewegen, weil ja jetzt die Unternehmen was tun."
    Elektromeister Heinrich Rositzka ist erst einmal froh darüber, dass er nun abgesichert ist: "Es wird mir einfach gemacht. Ich schließe das alles ab, während der Arbeitszeit. Das krieg' ich noch bezahlt, wenn ich das mache." Seine Frau und seinen Sohn hat er direkt mitversichern lassen.