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Philipp Blom: "Das große Welttheater"
Keine Krone der Schöpfung

Die Welt als Bühne verwandelt sich ständig. Geschichten, die wir Menschen uns erzählen, formen Ideen über künftige Handlungen. Jetzt in Zeiten der Krise werde eine neue Erzählung gebraucht, die sich von der Vormachtstellung des Menschen in der Natur verabschiedet, sagt der Historiker Philipp Blom.

Philipp Blom im Gespäch mit Tanya Lieske |
Der Historiker und Schriftsteller Philipp Blom steht vor einer Hecke und schaut in die Kamera.
Philipp Blom denkt nach über Vorstellungen und wie sie wirken (picture alliance / picturedesk / APA / Helmut Fohringer)
Aus Anlass des 100. Jahrestages der Salzburger Festspiele hat der Historiker und Philosoph Philipp Blom einen Essay geschrieben, der sich mit dem Thema "Das große Welttheater" beschäftigt. Er kommt zu dem Schluss, dass diese Allegorie auf einer überholten theologischen Idee beruhe, nämlich, dass der Mensch die Krone der Schöpfung sei. Diese Erzählung hat für Blom heute keinen Bestand mehr, denn sie hat zur Ausbeutung der Natur geführt: "Unsere alte Erzählung ist die, dass wir dauerndes Wirtschaftswachstum brauchen und die Natur beherrschen können. Diese Geschichte wurde für uns lebensbedrohlich, wir müssen eine neue finden", sagt Blom im Deutschlandfunk. Beispielgebend steht hier für ihn die gegenwärtige Pandemie.
An COVID-19 interessiert ihn, dass das Virus "kein lösbares Problem" sei, dass man gerade darum hier einen Ansatz finden könne, um sich mit dem Rest der Natur "intelligent zu arrangieren". Dabei kommt es für Philipp Blom darauf an, welche Art von Geschichten man sich künftig über diese Krise erzählt, denn in ihnen werden neue Handlungsmöglichkeiten geprobt. "Von Hygienedemonstrationen bis zu Globalisierungsgegnern werden derzeit unterschiedliche Versionen ausprobiert." Jede künftige moderne Erzählung vom Menschen müsse dessen Sonderstellung in der Natur hinterfragen, postuliert Philipp Blom mit Verweis auf wissenschaftliche Erkenntnisse, die den Menschen als Teil der Natur und die Erde als intelligentes System verstehen.
Philipp Blom: "Das große Welttheater. Von der Macht der Vorstellungskraft in Zeiten des Umbruchs"
Zsolnay Verlag, Wien. 126 Seiten, 18 Euro.