Estancia, ein Städtchen im Norden der philippinischen Insel Panay. Vor dem Taifun Haiyan, der Estancia am Vormittag des 8. November 2013 erreichte, rettete sich die Familie der 35-jährigen Hanna Martin in das Betonhaus eines Onkels.
"Als wir zurückkamen, sahen wir fast nichts mehr von unserem Haus. Das Dach und die Bambuswände waren fortgeflogen, unsere Möbel nur noch ein Trümmerhaufen. Und alles war nass - unsere Kleider, die Leintücher, unsere Vorräte an Reismehl. Zum Glück hat uns eine Hilfsorganisation nach drei Tagen mit Nahrungsmitteln versorgt. Und auf dem Fundament unseres Hauses haben mein Mann und ich diese provisorische Hütte gebaut. Die Plastikplane für das Dach haben wir gerade erst gekauft.
Die Industrieländer tragen eine Mitverantwortung für die Katastrophe vom 8. November, meint in Manila Esteban Godilano, wissenschaftlicher Mitarbeiter des "Climate Change Congress of the Philippines". Diese Organisation kritischer Wissenschaftler erforscht, wie der weltweite Klimawandel das Land der 7.000 Inseln trifft - mit alarmierenden Ergebnissen.
"Die wissenschaftlichen Daten sagen eindeutig, dass jetzt wir Filipinos die Probleme ausbaden müssen, die insbesondere die Industrieländer in den vergangenen 100 Jahren verursacht haben. Schon heute sind die Auswirkungen des Klimawandels dramatisch auf den Philippinen. Und das war, bevor drei gewaltige Taifune fast die Hälfte unseres Landes verwüsteten: Sindong, Pablo und jetzt im November Yolanda, der vielleicht stärkste Sturm, den die Erde je erlebt hat – mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 315 Kilometern pro Stunde."
Stürme mit extrem hohen Windgeschwindigkeiten häufen sich auf den Philippinen seit Beginn dieses Jahrtausends, sagt Godilano.
"In der Vergangenheit haben wir Taifune mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 250 Kilometern pro Stunde nie erlebt. In den letzten fünf Jahren jedoch fegten gleich drei solche Stürme über unser Land hinweg. Und weil viele unserer Gebäude nur auf Windgeschwindigkeiten von bis zu 200 Kilometern pro Stunde ausgelegt sind, müssen wir wohl große Teile unserer Infrastruktur neu konzipieren."
Zahlreiche Gebäude in den Städten der Philippinen müssen möglicherweise verstärkt, neue Gebäude stabiler gebaut werden – was Milliarden an zusätzlichen Kosten verursachen könnte. Davon abgesehen ist die Zahl der Taifune gestiegen, berichtet Esteban Godilano – von im Schnitt 18 pro Jahr noch vor 15 Jahren auf zuletzt 20 pro Jahr. Und noch eine Folge des Klimawandels bekommen die Philippinen weit stärker als andere Länder zu spüren: den durch das Abschmelzen der Pole und Gletscher verursachten Anstieg des Meeresspiegels. Ein kleines Indiz: Die bei den Filipinos so beliebten Basketballplätze am Strand stehen heute weit häufiger unter Wasser als noch vor einigen Jahren.
"Der Anstieg des Meeresspiegels betrifft immerhin 14 Millionen Filipinos, die unmittelbar an den Küsten unserer Inseln leben. Teile ihres Landes werden vom Meer verschluckt werden, viele ihrer Häuser werden untergehen. Durch den Anstieg der Meerestemperatur werden über dies unsere Korallenriffe geschädigt. Und unsere Forschungen zeigen, dass große Teile der Korallen schon heute abgestorben sind. Korallenriffe aber sind die Kinderstube der Fische. Dort legen die Fische ihre Eier ab, dort entwickeln sich ihre Jungen."
Korallenriffe, Mangroven und Seegraswiesen schützen überdies seit jeher die Inseln der Philippinen vor der Gewalt des Meeres, vor Sturmfluten. Der auch durch den Klimawandel bedingte Verlust solcher Schutzgürtel erhöht die Schäden bei Sturmkatastrophen. Es sei an der Zeit, sagt Esteban Godilano, dass die Industrieländer sich ihrer Verantwortung stellen. Sie müssten endlich einen Fonds auflegen, der armen Entwicklungsländern hilft, sich an den Klimawandel anzupassen.