"Friedrich Engels wurde mitten in den Schmelzofen des 19. Jahrhunderts hineingeboren. Urbanisierung, Industrialisierung, technischer Fortschritt, Klassenkämpfe waren bei seiner Geburt bereits im Gange – allesamt Themen, mit denen er sich ein Leben lang beschäftigen sollte."
Tristram Hunt, Friedrich Engels Biograf, beschreibt so die soziale und wirtschaftliche Dynamik, die bei der Geburt von Friedrich Engels am 28. November 1820 vorherrschte. Engels Familie war in Barmen, später ein Stadtteil Wuppertals, durch Bleichereien und die mechanische Herstellung von Garnen und Stoffen wohlhabend geworden. Hellsichtig charakterisierte später Eleanor, die jüngste Tochter von Karl Marx, die Herkunft Friedrich Engels:
"Wohl nie wurde in einem solchen Hause ein Sohn geboren, der mehr aus der Art schlug. Friedrich muss der Familie wohl als 'hässliches Entlein' erschienen sein."
Ererbter und hart erarbeiteter Wohlstand
Es war die Freundschaft mit Karl Marx, die Engels Leben prägen sollte. Er unterstützte den Freund, wo er nur konnte. Dafür war Engels bereit, seine eigenen Forschungen zu vernachlässigen. Vor allem Marx Arbeit am "Kapital", jener schwer begreiflichen, aber brillanten Analyse der kapitalistischen Produktionsweise und der davon abhängigen bürgerlichen Gesellschaft, verdankte Engels viel. Grundiert wurde diese Beziehung durch den teils ererbten, teils im Manchester Kontor der väterlichen Firma hart erarbeiteten Wohlstand. Nur so konnte Engels seit Beginn der 1850er-Jahre mit stetig ansteigenden Geldbeträgen Marx und dessen Familie unterstützen. Er tat dies lange Jahre hindurch um den Preis eines Doppellebens als Baumwollunternehmer und Kommunist. Im Februar 1852 schrieb er an Marx:
"Genug heut Abend! Ich sitz' bis acht auf dem Kontor und statt dir ausführlicher schreiben zu können, muss ich noch einen Brief nachher an meinen Alten schreiben. Das Schlimmste ist, dass ich jetzt für einige Zeit dem Scheißhandel meine ganze Aufmerksamkeit widmen muss, sonst geht hier alles schief und mein Alter stoppt mir die supplies."
"Genug heut Abend! Ich sitz' bis acht auf dem Kontor und statt dir ausführlicher schreiben zu können, muss ich noch einen Brief nachher an meinen Alten schreiben. Das Schlimmste ist, dass ich jetzt für einige Zeit dem Scheißhandel meine ganze Aufmerksamkeit widmen muss, sonst geht hier alles schief und mein Alter stoppt mir die supplies."
Nationalistische und antisemitische Ausfälle
Marx und Engels gaben ihrer Lästerlust, aber leider auch ihren schon damals weit verbreiteten nationalistischen und antisemitischen Ressentiments und Vorurteilen freien Lauf. Jürgen Herres, profunder Kenner des Briefwechsels und Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Marx-Engels-Gesamtausgabe:
"Wobei man immer wieder sagen muss, es handelt sich hier um Privatbriefe. Das muss man berücksichtigen. In einer gewissen Weise sind es Küchengespräche oder Stammtischgespräche beim Bier."
Der Sozialreporter Engels
Engels Alltag wurde vor allem vom Geschäft und von der meist nächtlichen Arbeit am Schreibtisch bestimmt. Sein bekanntestes Werk "Die Lage der arbeitenden Klasse in England" berichtete in einer Art Sozialreportage über die Wohn- und Lebensverhältnisse in den Elendsquartieren englischer Industriestädte. Die unmenschlichen Bedingungen, da war Engels sicher, mussten auf eine gewaltsame Entscheidung zulaufen. Noch im 1848 gemeinsam mit Marx verfassten "Kommunistischen Manifest" hinterließ diese Einsicht ihre Spuren:
"Mögen die herrschenden Klassen vor einer Kommunistischen Revolution zittern. Die Proletarier haben nichts in ihr zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen."
Ablehnung von Parteien
Im Grunde war es dieses Ziel, für dessen Verwirklichung vor allem Marx, aber auch Engels die politökonomischen und geschichtsphilosophischen Grundlagen zu schaffen suchten. Beide lehnten indessen eine parteiliche Vereinnahmung ab. So schrieb etwa Engels am 13. Februar 1851 an Marx:
"Wie passen Leute wie wir, die offizielle Stellungen fliehen wie die Pest, in eine 'Partei'? Was soll uns, die wir auf die Popularität spucken, die wir an uns selbst irre werden, wenn wir populär werden, eine 'Partei', das heißt, eine Bande von Eseln, die auf uns schwört, weil sie uns für ihresgleichen hält?"
Dennoch hat sich Engels nicht gescheut, nach dem Tod seines Freundes 1883 ein starker Unterstützer der europäischen Arbeiterbewegung und ihrer Parteien zu werden, vor allem der deutschen Sozialdemokraten. Überdies edierte er weiterhin Schriften aus dem Marxschen Nachlass, darunter Band zwei und drei des Hauptwerks "Das Kapital". Am 5. August 1895 starb Friedrich Engels in London an Speiseröhren- und Kehlkopfkrebs. Seine Asche ließ er fünf Meilen vor dem geliebten Seebad Eastbourne im Meer verstreuen.