Wolfram Eilenberger ist Chefredakteur des "Philosophie-Magazins", hat aber auch eine Trainerlizenz des Deutschen Fußball-Bunds und ist als aktiver Spieler Teil der deutschen Autoren-Nationalmannschaft.
Er sagte im Deutschlandfunk: "Die Tatsache, dass Herr Gauland in welcher Form auch immer hier eine rassistische Instrumentalisierung vornimmt, die ist überhaupt nicht überraschend, die liegt in der Kommunikationsstrategie dieser Rechtspopulisten, und wir werden in der Zukunft, in den nächsten Wochen mehr davon sehen." Dazu gehöre etwa der Gesinnungstest in der Frage, welcher Nationalspieler vor den EM-Spielen die Hymne mitsinge – der habe allerdings etwas fast schon Terroristisches.
"Nationalmannschaften normativ aufgeladen"
Dass viele Fans Migranten in der Nationalmannschaft begrüßen würden, Migranten in der Realität aber ablehnten, hält Eilenberger für einen Fall von "kognitiver Dissonanz". Es gebe weiter ein hohes Maß an Alltagsrassismus. Als Beschreibung sei Gaulands kolportierte Aussage wohl nicht falsch; interessant sei aber, dass der AfD-Vizevorsitzende das nicht bedaure, sondern politisches Kapital daraus schlagen wolle: "Wenn Herr Gauland das bestätigend und fast schon hämisch sagt, und sagt, das ist genau das, was unsere Wähler wollen, dann begeht er eine Unverantwortlichkeit. Wenn man anmahnt, dass es in diesem Bereich noch viel zu tun gibt, dann ist es keine Unverantwortlichkeit."
Eilenberger sagte, Nationalmannschaften seien normativ aufgeladen und gälten als Repräsentanten des Volkskörpers. Sie gäben uns ein sehr sichtbares Bild dessen, was die Gesellschaft als Ganzes sein könne. "Der Fußball wird natürlich als Modell für eine zukünftige Gesellschaft präsentiert", die Multikulturalität sei immer in den Vordergrund gestellt worden.
Integrationsbemühungen im Sport nur schwächlich ausgebildet
Eilenberger sagte allerdings auch, dass die "integrative Kraft des Sports" ein Mythos sei: "Wenn wir davon reden, dass Deutschland in den künftigen Jahren eine große Integrationsaufgabe zu bewältigen hat, und wir tun so, als ob im Sport dort alles perfekt oder auch nur gut läuft, dann lügen wir uns in die Tasche und wir verpassen eine große Chance."
Die Integrationsbemühungen im Sport seien nämlich abgesehen von zwei, drei Sportarten nur sehr schwächlich ausgebildet. In den Nationalmannschaften im Fechten, Handball, Volleyball, Hockey, beim Ruder-Achter seien im Gegensatz zum Fußball fast keine Migranten zu finden, sie seien ethnisch viel homogener.
Das Interview im Wortlaut:
!Dirk Müller:!! Sonntagmorgen, also gestern Morgen. Im Internet schwillt unter dem Schlagwort "Nachbar" die Empörung über AfD-Vize Alexander Gauland zum Shitstorm an. So heißt das ja. Seine Chefin Frauke Petry twittert dann um 10:04 Uhr: "Jerome Boateng ist ein klasse Fußballer und zurecht Teil der deutschen Nationalmannschaft. Ich freue mich auf die EM", sagt Frauke Petry.
Was war passiert? Zuvor hatte die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" Alexander Gauland mit folgendem Satz zitiert: "Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut, aber sie wollen Boateng nicht als Nachbarn haben." Fremdenfeindlich, ausländerfeindlich, typisch Rechtspopulisten, typisch AfD, das waren die Kommentare, die dann zu lesen waren, zuhauf mit diesem Tenor. Auch viele Trainer, Spieler, Funktionäre springen Boateng bei. Gaulands Erklärung für seine Aussage: "Ich gebe nur die Stimmung in der Bevölkerung wieder."
O-Ton Alexander Gauland: "Ich habe nur deutlich gemacht, und dabei mag der Name Boateng gefallen sein, möglicherweise von den FAZ-Kollegen, denn ich kenne mich im Fußball gar nicht aus, dass es viele Menschen gibt, die halt Fremde in ihrer Nachbarschaft nicht für ideal halten."
Müller: Soweit Alexander Gauland, der nach wie vor bestreitet, das genau so gesagt zu haben, wie die Medien es zitiert haben. Unser Thema nun mit dem Philosophen Wolfram Eilenberger, Chefredakteur des "Philosophie Magazins". Zudem hat er eine DFB-Trainerlizenz, wenn ich das richtig verstanden habe, ist selbst aktiver Spieler, auch in der Autoren-Nationalmannschaft. Guten Morgen.
Wolfram Eilenberger: Guten Morgen!
Müller: Herr Eilenberger, muss man als Deutscher auch deutsch aussehen?
Eilenberger: Nein, das ist natürlich nicht so. Andererseits ist es so, dass Nationalmannschaften in Volkssportarten heutzutage natürlich in besonderer Weise Repräsentanten des Volkskörpers sind. Das heißt, sie sind normativ aufgeladen, sie geben uns ein sehr sichtbares Bild dessen, was die Gesellschaft als Ganzes ist oder sein kann. Und deswegen ist natürlich auch ein gewisser Überprüfungs- oder Prüfungsmodus immer im Gange, wer da jetzt spielt und ob die Verteilung der Nationalspieler mit der Gesamtbevölkerung im Gleichgewicht ist oder in gewisser Weise abweichend.
Müller: Also ist der Fußball das wahre Leben?
Eilenberger: Nein! Aber der Fußball wird natürlich - und das ist ja der Diskurs, der mit der Nationalmannschaft schon lange gefahren wird - als Modell für eine zukünftige Gesellschaft präsentiert, und die Multikulturalität und Pluralität gerade der Fußballnationalmannschaft ist ja als Modell auch ganz in den Vordergrund gestellt worden. Und so ist es eine sehr nachvollziehbare, wenn auch schäbige kommunikative Strategie, dass jetzt von nationalkonservativer oder rechtspopulistischer Seite angemahnt wird oder zumindest in diese Kerbe geschlagen wird, dass man mit diesem Ideal von Deutschland zukünftig nicht einverstanden sein wird.
"Integrationsbemühungen im Sport sehr schwach ausgebildet"
Müller: Jetzt reden wir darüber. Das heißt, wir haben redaktionell die Entscheidung ja getroffen, mit Ihnen darüber zu sprechen. Sie haben auch gleich zugesagt, als wir gestern miteinander telefoniert haben. Dennoch haben einige bei uns in der Redaktion auch gesagt, ja, wenn der Gauland jetzt so was sagt, und es ist ja nicht ganz klar, was er gesagt hat, er bestreitet das ja jedenfalls, dass er das es gesagt hat, wie die "FAS", die Sonntagszeitung ihn zitiert hat - lohnt sich das, über jede Kleinigkeit, über jeden Nebensatz zu reden, zu diskutieren?
Eilenberger: Ich glaube schon, dass man vorsichtig sein muss, über jedes Stöckchen zu springen, das einem diese Menschen und gerade aus dieser Zone herhalten, und es ist sicher da ein Skandalisierungs- und Empörungspotenzial bewusst angesprochen und jetzt auch abgerufen worden. Nichtsdestotrotz ist es ein wichtiges Thema, denn es berührt ja auch den Mythos von der integrativen Kraft des Sports. Und wir fokussieren uns immer auf den Fußball und nehmen den Fußball als Modell. Fast alle anderen Nationalmannschaften der großen Mannschaftssportarten haben eine fast nur deutsche Verteilung. Das heißt, wir bilden uns ein, dass der Sport eine sehr starke integrative Kraft hat, während das nur in zwei, drei Sportarten der Fall ist und sonst die Integrationsbemühungen im Sport eigentlich gerade sehr schwach und schwächlich ausgebildet sind. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiges Thema, und deswegen habe ich auch zugesagt.
Müller: Herr Eilenberger, um das mal zu verkürzen. Korrigieren Sie mich, wenn das völlig oberflächlich und falsch ist oder zu verkürzt. Wenn ich Sie da richtig verstanden habe im Vorfeld, Sie haben ja viel darüber auch schon geschrieben: Die deutsche Fußballnationalmannschaft mit ihrer bunten Aufstellung, wenn ich das so formulieren darf, ist Merkel-Deutschland. Die Handballnationalmannschaft ist Petry-Deutschland, sagen wir jetzt heute mal, heute Morgen, Gauland-Deutschland. Habe ich das so ein bisschen richtig verstanden?
Eilenberger: Wenn Sie es darauf verkürzen, dass Nationalmannschaften Ideale von möglichen Entwicklungen in der Gesellschaft abbilden, dann ist es ganz klar, dass das plurale Nationalteam im Fußball eher für die Merkel-Vision steht und dass die Mannschaften des Hockey, des Volleyballs, des Eishockeys, des Handballs, des Ruderachters, der Fechtmannschaft in diesem Sinne stark das Petry-Deutschland verkörpern, denn sie sind ethnisch viel homogener, sie sind fast vollkommen homogen. Und da ist etwas passiert, auf das wir achten müssen, nämlich dass die Förderungssysteme und die Ansprache von Migranten von diesen Sportarten nicht funktioniert. Die Tatsache, dass eine Handballnationalmannschaft, eine Volleyball-, eine Hockeynationalmannschaft fast keine Migranten hat, zeigt, dass in der Integrativkraft des Sports in den letzten Jahrzehnten vieles nicht stimmt, und das halte ich für ein sehr wichtiges Thema. Denn ich glaube an die integrative Kraft des Sports, und ich würde anmahnen, dass man den Mythos der integrativen Kraft des Sports unabhängig vom Fußball mal untersucht, und dann sieht man, dass es gar nicht so gut aussieht.
Müller: Aber kann das wirklich sein, Herr Eilenberger, dass es gesellschaftspolitisch gesteuert ist beziehungsweise ein Defizit der Gesellschaftspolitik ist, dass bei den Handballern "nur Weiße" spielen?
Eilenberger: Nein, das ist sicher nichts, was irgendeine Person oder ein Verband persönlich will. Aber es gibt natürlich habituelle Grenzen, es gibt Grenzen der Ansprache. Natürlich in den Kulturen, aus denen viele Migranten kommen, sind diese Sportarten nicht verankert und deswegen weniger attraktiv. Da gibt es ein ganzes Knäuel von möglichen Gründen. Aber die Diagnose ist klar, und das können Sie empirisch bei den wenigen Forschungen, die vorliegen, auch klar beweisen: Im Fußball und in Kampfsportarten sind Migranten überrepräsentiert in den Jugendmannschaften, in fast allen anderen großen Mannschaftssportarten klar unterrepräsentiert. Und wenn wir davon reden, dass Deutschland in den künftigen Jahren eine große Integrationsaufgabe zu bewältigen hat, und wir tun so, als ob im Sport dort alles perfekt oder auch nur gut läuft, dann lügen wir uns in die Tasche und wir verpassen eine große Chance.
Eilenberger beklagt Defizite bei der Förderung
Müller: Um das etwas weiter zu spinnen. Das ist vielleicht Glatteis, ich sage das trotzdem mal: Wir müssen dafür sorgen, dass die Syrer demnächst auch Eishockey spielen?
Eilenberger: Ja. Wir müssen ganz gezielt aufgrund der integrativen Kraft des Sports auch die Monothematisierung immer auf den Fußball… dass wir im Prinzip Fußball mit Sport gleichsetzen, was ein großes Unding ist und jetzt gerade die nächsten Wochen wieder passieren wird, und wir müssen dafür sorgen und sensibilisieren, dass die Verbände des Handballs, aller großen Sportarten klarer sehen, dass es dort Hürden gibt, Defizite, und da muss gezielt angesprochen werden. Und ich glaube, dass das Thema existiert und problematisch ist, das kann niemand, der sich die Sache näher anschaut, bestreiten.
Müller: Fußball ist halt am einfachsten. Das kann jeder mitmachen und man braucht nur diesen Ball.
Eilenberger: Ja. Man braucht beim Handball auch nicht so wahnsinnig viel und es gibt sehr viele Sportarten, die ganz geringe Einstiegsschwellen haben. Ich glaube, der Mythos, dass der Fußball nur einen Ball und ein Tor braucht, der ist genauso falsch wie zu sagen, dass man zum Handball irgendwie erst mal 80 Euro investieren muss. Nein, nein, da geht es auch um Kulturen, um Förderungskulturen und um einfach Defizite in den jeweiligen Verbänden.
Müller: Blicken wir historisch ein bisschen zurück. 1998, wenn ich das richtig noch im Kopf habe, die französische Nationalmannschaft wird Weltmeister, wenig später auch Europameister. Ein Riesenerfolg, auch eine gemischte Mannschaft mit vielen Herkünften, die da zusammengekommen sind. Wir erinnern uns alle auch Zinédine Zidane, den wir vielleicht am Samstag sogar noch als Trainer in der Champions League gesehen haben. Da haben alle gesagt, das ist das neue Frankreich, das ist das moderne Frankreich. Im Nachhinein hat sich dann gezeigt, dass dieser Fußball, den wir dort gesehen haben, auch diese Nationalmannschaft vielleicht mit der Gesellschaft oder der Wirklichkeit des Zusammenhaltes, des vermeintlichen Zusammenhaltes so gut wie gar nichts zu tun hat.
Eilenberger: Nein. Das war eine Illusion, die man sich gerne erzählt hat. Das ist ja jetzt so, wenn Sie das jetzige Nationalteam sehen, und über die letzten zehn Jahre hinweg in Frankreich hat sich das als falsch erwiesen. Es gab ja gerade innerhalb der Nationalmannschaft große Gruppenbildungen, die klar mit Migranten und Nichtmigranten belegt waren. Das heißt, da gab es Spannungen in der Mannschaft, die dann tatsächlich Abbild waren dessen, was in der Gesellschaft derzeit passiert. Und in diesem Sinne muss man sagen - und das ist was, was man natürlich auch betonen muss: Die deutsche Nationalmannschaft hat hier derzeit eine ganz wichtige Funktion. Sie ist wirklich eine Vorbildfunktion. Und die Tatsache, dass Herr Gauland in welcher Form auch immer jetzt hier eine rassistische Instrumentalisierung vornimmt, die ist überhaupt nicht überraschend. Sie liegt in der Kommunikationsstrategie dieser Rechtspopulisten. Und wir werden in Zukunft, auch in den nächsten Wochen mehr davon sehen. Es wird sicher wieder dieser Gesinnungstest zur Sprache kommen, wer denn jetzt nun die Nationalhymne mitsingt beispielsweise, und da ist die Nationalmannschaft jetzt in einer sehr sensiblen und auch exponierten Lage. Deswegen finde ich es auch wichtig, dass man darüber redet, weil diese Spaltungs- und Dämonisierungstendenzen, die jetzt von Rechtspopulisten da angemahnt werden, denen muss man schon entschieden entgegentreten, weil da etwas sehr Hässliches und auch sehr Zorniges in den Diskurs eintritt.
"Dieser Gesinnungstest hat etwas fast schon Terroristisches"
Müller: Machen wir es nicht ganz so zornig. Ist das blöd, wenn ein Spieler nicht die Nationalhymne mitsingt?
Eilenberger: Sie können Bernd Hölzenbein oder Herrn Overath fragen: Man hat bis zur Mitte der 80er-Jahre überhaupt nicht mitgesungen. Das ist eine Amerikanisierung des Hymnenverhaltens. Das deutsche Nationalhymnensingen ist ein wahnsinnig junges Phänomen, und ich glaube, es ist wirklich so, das kann man jedem und sollte man jedem überlassen, wie er wann mitsingt und sich innerhalb dieser Musik auf das Spiel vorbereitet. Dieser Gesinnungstest, das hat wirklich etwas fast schon Terroristisches, und ich finde es unmöglich, dass man Spieler darauf abfragt.
Müller: Gehen wir, Herr Eilenberger, noch mal in die gesellschaftliche Realität, nehmen ein bisschen noch mal Gauland zum Anlass. Kann es denn sein, dass viele sagen, das passiert ja häufig, man hört das ja auch häufig: Jaja, am Arbeitsplatz die Kollegen, die ich da kenne, die aus den Maghreb-Staaten kommen, aus der Türkei, alle super, aber trotzdem. Dann kommt immer dieses "Aber". Kann das sein, dass es im Fußball genauso ist? Viele Fans finden die "ausländischen Spieler", die Migrantenspieler, sehr, sehr gut, aber in der politischen, gesellschaftlichen Realität haben sie massive Vorurteile?
Eilenberger: Ja! Das glaube ich, dass es da eine kognitive Dissonanz gibt, auch gerade bei vielen Fußballfans, auch aus dem mutmaßlichen Wählerpool der AfD. Ich denke, wir müssen uns einfach eingestehen, dass es ein hohes Maß an Alltagsrassismus in Deutschland nach wie vor gibt. Darauf hat Herr Gauland auch angespielt. Und ich glaube, wenn es eine Deskription war, dass viele Menschen nicht neben farbigen Mitbürgern leben wollen, dann ist das leider nicht falsch. Das Interessante ist, dass Herr Gauland das nicht bedauert, sondern einfach festhält und daraus politisches Kapital schlagen will, und das ist die Unverantwortlichkeit im Diskurs. Und wenn Sie mich fragen, ob viele Fußballfans vielleicht Herrn Boateng bejubeln und andererseits aber sagen, na ja, so neben ihm wohnen wollte ich nicht, dann ist das eine sehr hässliche Wahrheit. Aber ich glaube, es ist deskriptiv nicht falsch und trifft auf 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung immer noch zu.
Müller: Und dürfen Politiker hässliche Wahrheiten aussprechen?
Eilenberger: Ja, aber in welchem Geiste sie es tun. Wenn Herr Gauland das bestätigend und fast schon hämisch sagt und sagt, das ist genau das, was unsere Wähler wollen, dann begeht er eine Unverantwortlichkeit. Wenn man anmahnt, dass es in diesem Bereich noch viel zu tun gibt, dann ist das keine Unverantwortlichkeit. Und die Art und Weise, wie die AfD und Herr Gauland mit diesem Thema arbeiten, das befördert eben einen großen Zorn, eine Hässlichkeit und dunkelste Gefühle in der Gesellschaft, und darin besteht eine große Unverantwortlichkeit.
"Ich bin mit der Skandalisierung der FAS-Kollegen sehr unzufrieden"
Müller: Jetzt müssen wir, Herr Eilenberger, auch nochmal diesen Einwurf zumindest machen, wir haben vor gut einer Stunde auch mit unserem Korrespondenten Stephan Detjen in Berlin darüber gesprochen, dass das ja offenbar gar nicht so klar ist, was Alexander Gauland nun definitiv, also wortwörtlich gesagt hat. Die beiden Reporter, Korrespondenten der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" haben es eben so zitiert, und er hat gesagt, er weiß gar nicht, ob er Boateng genannt hat, aber vielleicht doch. Ist für Sie alles Taktik und keine legitime Erklärung, Entschuldigung?
Eilenberger: Soweit ich über diesen Fall informiert bin, hat Herr Gauland das im Bereich eines weiten Gesprächs, das er nicht eigens autorisieren ließ, gesagt. Und ich muss sagen, ich bin mit der Skandalisierung der "FAS"-Kollegen sehr unzufrieden. Ich finde auch wirklich schäbig, dass man dann zu den Nachbarn von Herrn Boateng geht und da eigens eine Umfrage startet. Das ist auch eine Form von Skandalisierung, die ich journalistisch nicht befürworten kann und die sehr viel zur Zerstörung des öffentlichen Diskursklimas beiträgt. Ich muss sagen, der journalistische Umgang der "FAS"-Kollegen mit diesem Faktum, der lässt mich auch sehr unzufrieden zurück.
Müller: Es hilft jetzt der AfD?
Eilenberger: Es wird sicher die Stammwählerschaft der AfD nicht verschrecken, sondern bestätigen, und es bringt ein neues Thema in einer sehr hässlichen und sehr sachfernen Form in den öffentlichen Diskurs, das eigentlich wichtig ist und dem wir alle offenen Auges entgegensehen sollten.
Müller: Der Philosoph Wolfram Eilenberger, Chefredakteur des Philosophie-Magazins. Vielen Dank, dass Sie heute Morgen für uns Zeit gefunden haben. Ihnen noch einen schönen Tag.
Eilenberger: Ich danke Ihnen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.