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Philosophie und Kreativität

Mehr als 200 Philosophen zerbrechen sich zur Zeit auf dem 20. Philosophen-Kongress die Köpfe über Kreativität. Das ist eine gute Übung, denn besonders kreativ müssen Philosphiestudierende sein, die sich um ihren zukünftigen Arbeitsplatz Gedanken machen. Wo genau arbeitet man als Philosoph? Welchen Sinn macht dieses Studium jenseits der reinen Selbstfindung?

Von Markus Rimmele |
    Die Flure sind leer, die Hörsäle erst recht. Nur unten im Foyer kommt ab und zu mal jemand vorbei. Das Philosophische Institut der Freien Universität Berlin ist ausgestorben, verlassen von seinen Studierenden. Semesterferien: Zeit zum Urlaubmachen, Zeit zum Geldverdienen, Zeit zum Hausarbeitenschreiben. Eigentlich auch Zeit, um die spätere Karriere vorzubereiten durch Praktika oder Auslandsaufenthalte. Bloß: Auf welche Karriere kann ein Philosoph überhaupt hoffen? Oder anders gefragt: Studiert man Philosophie, um Karriere zu machen?

    "Der Arbeitsmarkt steht nicht im Mittelpunkt. Man guckt natürlich auch darauf, aber ich hab nie deswegen das Studium angefangen. Wie viele habe ich das gemacht, was ich will. Das macht mir Spaß."

    Mathias Bartelt studiert Philosophie im 8. Semester. Er und sein Kommilitone Patrick Klein sind zwei von ganz wenigen Studenten in dem verwaisten Institutsgebäude. Sie gehören zur Fachschaft. Für beide war die Studienwahl eine reine Frage der Neigung. Und sie haben sie nie bereut. Auch die auf den ersten Blick recht düsteren Jobaussichten für Philosophen nehmen ihnen nicht den selbstbewussten Glauben daran, das Richtige zu tun.

    "Es gibt zwar kein philosophiespezifisches Berufsfeld, aber wir lernen Texte zu schreiben, zu analysieren, darzustellen. Das alles kann einem natürlich auch Türen öffnen. Im Verlagswesen, im Rundfunk, Medien, Berater in der Wirtschaft. Da mach ich mir jetzt keine Sorgen, das sieht doch eigentlich sehr vielseitig aus."

    Die große Vielseitigkeit ist allerdings auch ein Symptom. Philosophen können im Prinzip überall arbeiten – oder auch nirgends. Der Arbeitsmarkt verlangt nicht nach Philosophen, wie er nach Juristen oder Bürokauffrauen verlangt. Immerhin aber stößt er sie auch nicht von vornherein ab. Philosophieabsolventen müssen sich hartnäckig selbst in verschiedene Berufsbereiche hineindrängen.

    "Leute, die denken können, braucht man überall. Nicht nur Fachidioten, sondern auch Leute, die übergreifend denken können. Die Philosophie als Disziplin deckt eigentlich alles ab. Man kann überall anfangen und sich dann vertiefen."

    Längst nicht allen gelingt dieser Berufseinstieg. Die Arbeitslosigkeit unter Philosophen liegt bei 15 Prozent - für Akademiker ein sehr schlechter Wert. Doch der Einzelne hat viel selbst in der Hand. Günstig sind etwa ein praxisnäheres zweites Studienfach und eine frühzeitige berufliche Ausrichtung neben dem Studium.

    Das Jobspektrum für Philosophen ist dann tatsächlich sehr breit. Sie arbeiten als Verlagslektoren, als Journalisten, als Personalentwickler, als Unternehmensberater, als professionelle Schlichter und vieles mehr. Philosophen – das sind ihre Stärken – lernen im Studium das logische Denken, die Analyse von Argumenten, den Umgang mit theoretischen Sachverhalten, und sie besitzen auch Maßstäbe für ethische Fragestellungen.

    Guntram Platter gründete vor zwei Jahren in Berlin eine philosophische Praxis. Seine Kunden sind zum einen Unternehmen, die er in Kommunikationsdingen berät. Aber auch Privatpersonen, die Hilfe in einer schwierigen Lebenssituation suchen.

    Ein Philosophiestudium allein macht allerdings noch keinen Lebensberater, sagt Platter. Er selbst hat zusätzlich noch Theologie studiert, ist Psychotherapeut und war im Bereich Unternehmenskommunikation tätig. Er hat sich als Philosoph ein Profil erarbeitet.

    "Man muss diese Kongretion selbst herbeiführen, als Student. Das ist eine eigene Aufgabe des Studierens. Und an dieser Aufgabe scheitern viele. Man muss sich entscheiden, man muss fertig werden, man muss veröffentlichen, man muss sich für ein Fachgebiet entscheiden, beispielsweise Medienethik. Was auch immer: Philosophie allein reicht nicht. "

    Ein sehr pragmatischer Ansatz für alle, die ihr Philosophiestudium in beruflichen Erfolg verwandeln wollen.

    "Philosophie allein ist kein Beruf, sondern lehrt Fähigkeiten, um in allen möglichen Berufen tätig zu sein."