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"Photoszene"-Festival
Surfen statt Wischen

Die Neuentdeckung des Privaten und Subjektiven jenseits von digitalem Einerlei liegt im Trend: Das zeigen die rund 70 Einzelausstellungen der Kölner "Internationalen Photoszene". Galerien, Agenturen und Concept Stores geben einen Einblick, warum die Faszination der Fotografie ungebrochen anhält.

Von Peter Backof |
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Die sogenannte Petersburger Hängung auf dem Photoszene-Festival 2019 in Köln (Fiona Tan.GAAF © Silviu Guiman | Internationale Photoszene Köln )
Backstein-Architektur, Hinterhof, Souterrain: Der Schauraum der Bildagentur "laif", eine der Keimzellen der Entstehung des Festivals "Internationale Photoszene", vor 30 Jahren. Als standortstärkende Maßnahme erdacht, ist aus der "Photoszene" über die Jahre eine Mammutveranstaltung geworden. Und freilich knubbelten sich am Eröffnungswochenende die Besucher in den großen Museen am Dom, aber Peter Bitzer, Leiter der "laif"-Agentur, ist zufrieden: 300 Besucher kamen zu seiner Vernissage in die Südstadt; viel für dieses Gewölbe. Und sie sahen: die Foto-Wanderung von Andreas Teichmann, von Aachen bis Zittau.
Peter Bitzer: "Genau: Er ist 50 Tage zu Fuß, 1040 Kilometer, einmal quer von West nach Ost, durch Deutschland gegangen."
Verschlechterte Arbeitsbedingungen für Profis
Wer läuft, sieht mehr! Frisch getünchte Fachwerk-Architektur in einem Dorf in Thüringen etwa. "Blühende Landschaften", wie von Helmut Kohl einst versprochen. Hier eingelöst. Daneben - auch Heimat - ein Seitenstraßenpanorama, Kassel, Nordstadt, wo nicht alles so rosig aussieht. Fotografiert während der letzten Documenta, mit Großbildkamera und einer Tiefenschärfe, in der man versinken kann. Subjektive Reportagefotografie - "so wie früher". Für Agenturleiter Peter Bitzer schwingt Wehmut mit:
Peter Bitzer: "Wir sind traditionell in diesem journalistischen Bereich unterwegs, und da ist es natürlich so: Die Arbeitsbedingungen haben sich deutlich verschlechtert in den letzten Jahren. Ich habe selber auch einen Lehrauftrag an der FH Dortmund mit jungen Fotografen und Fotografinnen. Die setzen schon gar nicht mehr auf Magazine, sondern die machen ihre Projekte frei und finanziert aus allen möglichen Quellen."
Idealismus ist ein brauchbarer Antrieb. Und Trotz. Szenenschwenk. Kann man davon leben?
Niko Es: "Auf keinen Fall. Ja, natürlich nicht! Wenn ich was verkaufe - das würde die Kosten abdecken, so ist das."
Sagt Fotokünstlerin "Niko Es". In der Galerie "Petersburger" ist der Name Programm. Petersburger Hängung heißt: ein Kessel Buntes dicht an dicht. Bei der Gruppenschau wird genossenschaftlich gewirtschaftet. Alle kaufen sich über einen kleinen Beitrag ein, um ausstellen zu können. Niko Es zeigt Porträts von Frauen: Madonna in inniger Geste, Feministin oder doch lieber Heimchen, weil das ja auch bequem ist? "Gut, wenn man in der Ausstellung über Geschlechterrollen redet", sagt Niko Es. Noch besser, wenn man sie hinter sich lässt.
"Also entweder man hat eine gute Ausstrahlung oder nicht - egal, ob männlich, weiblich oder was sich dazwischen einfädelt."
Trüffelsuche in der weltweiten Bilderflut
Momente, Milieus und Abertausende von Fotos. Man surft über einen gewaltigen Welle aus Fotografie in diesen Tagen in Köln. Im Foyer des Museums für Angewandte Kunst hat Richard Sporleder einen Stand aufgebaut. Er ist "Berater für Fotobücher", eine Nische, die sich mit der Digitalisierung entwickelt hat: Die Suche nach Trüffeln in der Bilderflut, weltweit. "Und? Können Sie sich vorstellen, das digital zu haben? Nein!"
Gemeint ist "The Middle of Somewhere" von Sam Harris. Ein Roadtrip durch Australien. Sam Harris war zu Besuch bei seiner im ganzen Land verteilten Familie. In das Künstlerbuch hat er von Hand Notizzettel eingeklebt. Eine Selfie-Fotostory ist das trotzdem nicht. Eher eine Jedermann-Story.
Eine der Ausstellungen, die erst gegen Ende der Festivalwoche öffnen, verdichtet das noch einmal: "Rhythmus der Stadt" von Sven Hoffmann und dem neunköpfigen Kollektiv "Street Photography Cologne". "Unsere Ausstellung ist so aufgebaut, dass wir die verschiedenen Fotografien, die wir in der Stadt geholt haben, einer Tageszeit zuordnen. Und der Besucher geht jetzt quasi von morgens fünf Uhr bis nachts an den Fotos vorbei, die chronologisch an der Wand hängen."
Auch hier im hippen Concept Store "Ohhh des Cologne", wo daneben Kosmetik, Teppiche und Pflanzen verkauft werden: keine digitalen Fotokacheln. Und auch kein Gekünstel. Vielmehr die Frage: Warum fotografieren wir eigentlich?
Sven Hoffmann: "Hier werden hoffentlich viele Menschen sein, die mit uns über Fotografie diskutieren und nicht schweigend vor etwas stehen und versuchen, jeden Pixel zu verstehen."