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Photovoltaik
Die Misere mit dem Mieterstrom

Mit dem Mieterstromgesetz von 2017 sollte die Installation von Photovoltaik-Anlagen auf Dachflächen angekurbelt werden. Doch der Erfolg lässt nach wie vor auf sich warten. Das Gesetz gilt als undurchdacht und viel zu bürokratisch und kompliziert. SPD und Grüne drängen bereits auf eine Neuregelung.

Von Jannis Carmesin |
Häuser mit Solarpaneelen auf dem Dach
Das Mieterstromgesetz sollte Photovoltaik eigentlich für Mietsgebäude attraktiv machen (imago /wolterfoto)
Wenn Markus Pfeil vom Dach seines Hauses im Kölner Norden über die Stadt blickt, dann sieht er nicht nur den Kölner Dom, sondern auch viele verschenkte Flächen: "Wenn man jetzt einfach mal so nach Köln reinschaut, sieht man Dächer. So viele Mietobjekte oder Wohnungseigentümergemeinschaft gibt's in den Städten, mit so vielen Dachflächen." Dachflächen, meint er, die nur in wenigen Fällen einen Zweck erfüllen, der über den Schutz vor Wind und Wetter hinausgeht.
Ganz anders das Mehrparteienhaus, das Pfeil gemeinsam mit einer Baugemeinschaft im Neubaugebiet "Clouth-Quartier" errichtet hat. Das Flachdach des Hauses mit 14 Wohnungen ist fast vollständig mit Solaranlagen zur Produktion von Mieterstrom bedeckt. "Die Frage nach Photovoltaik auf dem Dach ist im Grunde genommen eine, die man – wenn man ein bisschen ökologisch denkt – mit Ja beantwortet. Das muss eigentlich sein, dass man aktiv auf einem Dach eigenen Strom über erneuerbare Energien produziert."
Als Mieterstrom wird Strom bezeichnet, der von Solaranlagen auf dem Dach eines Wohngebäudes erzeugt und direkt von den Bewohnern des Gebäudes verbraucht wird. Strom aus anderen erneuerbaren Energiequellen (beispielsweise Strom aus Windkraft) fällt nicht unter diese Definition. Das Mieterstromgesetz von 2017 sieht vor, dass der Ökostrom vom eigenen Dach für die Mieter, die diesen beziehen möchten, mindestens zehn Prozent günstiger ist als beim örtlichen Stromversorger. Die Vermieter sollten umgekehrt mit dem Verkauf von Strom an die Hausbewohner ihre Investitionskosten decken. Das Gesetz ist weitestgehend wirkungslos geblieben. Nur rund sechs Prozent der anvisierten Leistung wurde tatsächlich installiert.
Nur geringer Teil an Leistung erreicht
Dass Eigentümer von Mehrparteienhäusern denken wie Markus Pfeil, ist nach wie vor eine Ausnahme. Daran hat auch das Gesetz nichts geändert, das Photovoltaik endlich auch für Mietsgebäude attraktiv machen sollte. Seit der Einführung 2017 sind laut Bundesnetzagentur gerade einmal 28 der anvisierten 500 Megawatt peak Leistung zugebaut worden. Woran das liegt?
"Es ist ein bisschen so, als wenn Sie durch den Wald spazieren gehen und kommen in ein Gebiet, wo Brombeerranken am Boden sind, so auf Kniehöhe", sagt Robert Busch vom Bundesverband Neue Energiewirtschaft über das Mieterstromgesetz. "Egal, was Sie machen, irgendwie verhaken Sie sich immer mehr. Es gibt immer mehr Löcher und irgendwann fallen Sie hin."
Gerade fertig gestellte Einfamilienhäuser in einem Neubaugebiet am Ortsrand von Germaringen im Ostallgäu am 20.10.2005
Erneuerbare Energie - Mieterstrom-Projekte bleiben kompliziert
2017 hat die Bundesregierung eine finanzielle Förderung für Mieterstrom-Projekte beschlossen. Ein Besuch in einem der größten geförderten Projekte zeigt allerdings: Hürden gibt es nach wie vor.
Nachteile für Vermieter
In der Branche gilt das Gesetz als verkopft und undurchdacht. So müssen Vermieter damit rechnen, die branchenübliche Gewerbesteuerbefreiung zu verlieren, wenn sie als Nebengeschäft Strom verkaufen. In der Kritik steht auch die so genannte "Personenidentität": Um eine Förderung über das EEG zu bekommen, müssten die Vermieter als Anlagenbetreiber gleichzeitig auch alle Pflichten eines Stromversorgers übernehmen. Für Laien sei das kaum zu stemmen, sagt Philipp Hlawaty von der Bürgerenergie-Genossenschaft "Energiegewinner": "Da kommt die Abrechnung dazu gegenüber den Mietern, aber auch die jährliche Meldung beim Übertragungsnetzbetreiber, beim Verteilnetzbetreiber, teilweise noch an die Zollämter. Insofern, ja, die wenigsten haben da Lust, weil der Kosten-Nutzen, das ist einfach oft keine positive Rechnung."
Pachtmodell als komplizierte Notlösung
Mittlerweile hat sich auf dem Markt eine Notlösung etabliert, die auch Markus Pfeil und seine Baugemeinschaft in Köln nutzen. Stromversorger pachten gegen Gebühr die Dächer von den Vermietern, betreiben darauf eine PV-Anlage und kümmern sich auch um die Abrechnung und den Verkauf von Überschussstrom. Dieses Pachtmodell mache Mieterstrom juristisch aber so kompliziert, dass es kaum als langfristige Lösung tauge, sagt Robert Busch vom Bundesverband Neue Energiewirtschaft: "Der Einzige, der sich bei der ganzen Konstellation zurzeit freut, sind Rechtsanwälte. Und im Endeffekt ist es oft so, dass man davon abraten muss, weil man die ganzen Risiken nicht übernehmen kann."
Anteil der Photovoltaik an der Bruttostromerzeugung in Deutschland in den Jahren 2002 bis 2019 
Anteil der Photovoltaik an der Bruttostromerzeugung in Deutschland in den Jahren 2002 bis 2019 (statista 2020)
Komplizierte Differenzrechnung
Der hohe bürokratische Aufwand des Pachtmodells gehe außerdem auf Kosten der Wirtschaftlichkeit. Dabei lohnen sich viele Mieterstromprojekte finanziell ohnehin kaum. Laut Gesetz darf Mieterstrom maximal 90 Prozent des Standardtarifs des örtlichen Energieversorgers kosten. Weil es für die Abrechnung von Mieterstrom aber teure Messtechnik braucht und obendrein die volle EEG-Umlage für den Strom fällig wird, bleibt den Anbietern wenig Spielraum. Der Mieterstromzuschlag sollte die geringeren Erträge eigentlich ausgleichen. Momentan ist das nicht der Fall, erklärt Philipp Hlawaty von den Energiegewinnern:
"Der Mieterstromzuschlag errechnet sich je Kilowattstunde EEG-Vergütung minus 8,5 Cent. Und die EEG-Vergütung liegt aktuell ungefähr bei 9 Cent - je nach Anlagengröße sogar schon unter 8,5 Cent. Und wenn man dann 8,5 Cent abzieht, ist man einfach bei null. Und dann hat man einen Mieterstromzuschlag, der nicht vorhanden ist."
Angesichts der Vielzahl an Problemen des Gesetzes sagt die energiepolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag, Julia Verlinden: "Wichtig ist, dass der Mieterstrom einfacher und unbürokratischer wird."
SPD drängt auf Neuregelung
Auch die SPD drängt seit geraumer Zeit auf eine Neuregelung. Unter anderem sollen Drittanbieter auch ohne das komplizierte Pachtmodell die Verwaltungsaufgaben für Mieterstromprojekte übernehmen dürfen. Außerdem soll – statt der komplizierten Differenzrechnung – pauschal ein Mieterstromzuschlag von vier Cent pro Kilowattstunde gezahlt werden, um das Modell auch ökonomisch wieder interessant zu machen.
Auch das Bundeswirtschaftsministerium hat mittlerweile eingeräumt, dass das Gesetz seine Wirkung verfehlt hat. Schon für Herbst 2019 war eigentlich eine Novelle angekündigt, doch geschehen ist bislang nichts. Auf Deutschlandfunk-Anfrage heißt es nun: Nach der Sommerpause soll es eine Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes geben – und dann werde auch der Mieterstrom reformiert.