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Physco-Filter

Gentechnik. - In Lyon findet an diesem Wochenende eine besondere Europameisterschaft statt- der iGEM-Wettbewerb. Dafür basteln Studenten aus ganz Europa ein halbes Jahr lang an neuen Anwendungen für synthetische Biologie. Mit dabei sind auch zehn deutsche Teams, die ihre Ergebnisse präsentieren und auf gute Bewertungen durch die Jury hoffen. Eines der Projekte kommt von der Technischen Universität München.

Von Magdalena Schmude |
    Ein helles Labor an der Technischen Universität in Freising bei München. Auf den weißen Arbeitstischen stehen Flaschen und Plastikschalen, in einer Ecke summt ein gelber Kasten gleichmäßig vor sich hin. Auf dem Tisch daneben blubbert in vier großen Glaskolben eine wässrige Suppe, in die gut hörbar Druckluft strömt. Das weiße Kunstlicht lässt die Kolben grünlich leuchten- eine Moosplantage im Labormaßstab. Katrin Fischer nimmt eine Plastikschale vom benachbarten Tisch, in der auf einem weißen Flies hellgrüne Moospflänzchen wachsen. Katrin Fischer:

    "Wir züchten das Moos und zwar kann man das auf Platten wachsen lassen oder im Schüttler in Suspensionskultur. Da gibt man einfach nur Wasser und ein paar Salze zu, da muss nichts extern sonst zugegeben werden. Was wir zusätzlich noch machen ist, dass wir das Wasser begasen, einfach damit es schneller wächst."

    Das Moos ist kein gewöhnliches Moos, die Nachwuchsforscher haben es gentechnisch verändert. Sie haben kleine Bausteine aus dem Erbgut, der DNA, in die Mooszellen eingeschleust, und der Pflanze damit neue Eigenschaften gegeben. Die künstlichen DNA-Bausteine sind so ausgesucht, dass sich mit dem transgenen Moos anschließend ein Alltagsproblem lösen lässt. Fischer:

    "Unser Projekt ist Abwasserreinigung mit transgenem Moos. Und zwar ist eben das Problem, dass viele Substanzen wie zum Beispiel Hormone aus der Antibabypille oder eben Antibiotika in der Kläranlage nicht effizient genug herausgefiltert werden beziehungsweise die Methoden sehr viel kosten und sehr energieintensiv sind."

    Deshalb nutzen die Münchner Studenten einen Organismus, der nur Licht, Kohlenstoffdioxid und Wasser braucht, um zu wachsen. Physcomitrella patens, das Kleine Blasenmützenmoos, ist sehr genügsam. Um effektiv Abwasser filtern zu können, bekommt es die künstlichen DNA-Bausteine. Sie sorgen dafür, dass das Moos bestimmte Proteine produziert, die Schadstoffe binden und abbauen können. Das transgene Moos stellt jetzt die geeigneten Enzyme her, um Schmerzmittel wie Diclofenac oder Makrolid-Antibiotika aus dem Wasser zu filtern. Deshalb haben die Studenten es "Physco-Filter" genannt. Damit der Filter später in der freien Natur eingesetzt werden kann, gibt es außerdem eine Art Notschalter, der verhindern soll, dass sich das transgene Moos unkontrolliert in der Umwelt ausbreitet. Auch für dieses Sicherheitssystem haben die Studenten die passenden DNA-Bausteine in die Mooszellen eingeschleust. Diesmal für eine Nuclease, ein spezielles Enzym, das das Erbgut des Mooses zerstören kann, wie Rosario Ciccone erklärt.

    "Das funktioniert dadurch, dass wir das Moos sensitiv auf Rotlicht reagieren lassen. Also wenn Rotlicht auf das Moos trifft, wird eine Nuclease abgespalten. Und die zersetzt dann die DNA im Zellkern, was das Moos tötet."

    In der freien Natur muss das Moos deshalb unter einer blauen Folie wachsen, die den natürlichen Rotlichtanteil aus dem Sonnenlicht herausfiltert. Ciccone:

    "Solange das Rotlicht rausgefiltert wird, kann das Moos überleben. Sollte sich Moos von dem Filter lösen oder sollte ein Vogel ein bisschen was von dem Moos mitnehmen und es wird direktem Sonnenlicht ausgesetzt, stirbt das Moos."

    Ob der Notschalter wirklich funktioniert, wissen die Studenten erst nach weiteren Versuchen. Woanders sind sie schon weiter. Gerade konnte das Team zum ersten Mal zeigen, dass ihr Filter tatsächlich eine der gewünschten Substanzen abbauen kann. Für die Präsentation bei der Europameisterschaft in Lyon sind die Studenten optimistisch. Wenn der Physco Filter dort gut abschneidet, fliegen sie Anfang November nach Boston, um am diesjährigen Finale des iGEM-Wettbewerbs teilzunehmen- der Weltmeisterschaft der synthetischen Biologie.