Reiner Krücken ist Forschungsdirektor am TRIUMF, dem kanadischen Labor für Kern- und Teilchenphysik in Vancouver. Der aus Deutschland stammende Wissenschaftler beschäftigt sich dort mit den Grundlagen unserer Existenz:
"Die Frage, wo kommt das Material her, aus dem wir sind, wir sind ja nichts anderes als Sternenstaub, und die Frage, wo die schweren Elemente herkommen, wo wir keine große Ahnung haben und wo das Kernphysikfeld einen Einfluss haben kann, ist natürlich eine extrem spannende."
Sterne wie die Sonne gewinnen Energie, indem sie leichte Kerne zu schweren verschmelzen. Doch alle Elemente, die schwerer sind als Eisen, lassen sich nicht durch Kernfusion herstellen. Kupfer, Gold, Blei und so weiter entstehen, wenn Atomkerne Schritt für Schritt kleine Bausteine einfangen, einzelne Neutronen. Ein Teil der schweren Elemente bildet sich in den äußeren Schichten massereicher Sterne - dort dauert das Anwachsen der Elemente Tausende von Jahren und dieser Prozess scheint gut verstanden. Dagegen ist die Eichhörnchentaktik nicht geeignet, die schwersten Kerne zu erzeugen, etwa Uran. Denn die Zwischenprodukte zerfallen, bevor genügend Neutronen eingesammelt wurden. Uran muss schlagartig innerhalb weniger Sekunden entstehen - allerdings können Reiner Krücken und seine Kollegen nur spekulieren, wo das im Weltall geschieht:
"Das sind Prozesse, die bei sehr hohen Neutronendichten ablaufen müssen, bei sehr hohen Temperaturen. Das sind eigentlich nur explosive Prozesse. Das sind zum Beispiel der Kollaps eines schweren Sterns in einer Supernova, vielleicht auch die Fusion von Neutronensternen, wo dann von einem Kern innerhalb von einer Sekunde 200 oder so Neutronen eingefangen werden können. Und dann kommt man von Eisen sehr schnell zu Uran innerhalb dieser kurzen Zeit."
Fingerabdruck der Sterne
Die Kernphysiker versuchen, die Entstehung der Elemente in ihren Computermodellen nachzuvollziehen. Das beliebte Szenario mit den Neutronensternen liefert zwar schnell große Mengen dieser Stoffe, hat aber einen Haken: Denn die Astronomen haben sehr alte Sterne entdeckt, die viele schwere Elemente enthalten. Die einzelnen chemischen Stoffe hinterlassen eine Art Fingerabdruck im Lichtspektrum der Sterne. Wenn es aber bereits in alten Sternen viele schwere Elemente gibt, müssen sich diese Stoffe schon gebildet haben, als der Kosmos erst rund eine Milliarde Jahre alt war. Aus heutiger Sicht ist dies die Kindergartenphase des Universums und in der hat es kaum Kollisionen von Neutronensternen gegeben, sagt Krücken:
"Die ganz frühen Sterne waren alle sehr massiv und sind kollabiert in Schwarze Löcher. Es gab noch nicht so viele Neutronensterne, die müssen dann auch in Paaren vorkommen, die müssen dann auch langsam ineinander fallen, und das braucht Zeit. Und so ist die Frage, ob die Neutronensterne wirklich so früh beigetragen konnten. Allerdings sind sie im Moment das bessere Modell, weil sie eigentlich in den Rechnungen näher daran sind an dem, was man beobachtet. Da ist eine Spannung, die man noch nicht gelöst hat bis heute."
Astronomen und Kernphysiker versuchen nun, die Spannung bei den schweren Elementen von zwei Seiten her zu lösen: Die einen blicken mit Teleskopen ins All und erkunden, welche Zustände bei Supernova-Explosionen und dem Verschmelzen von Neutronensternen herrschen. Die anderen wollen ihre Modelle verbessern, indem sie mehr über die Eigenschaften der schweren Kerne erfahren, die sich bei den Explosionen im All bilden sollten. Das geschieht durch Messungen auf der Erde.
"Das ist so eine Art von die Supernova oder den Neutronenstern ins Labor zu bringen, aber nicht die wirkliche Explosion, sondern die Kernreaktionen, die da ablaufen und die Kerne, die eben im Universum in Bruchteilen von Sekunden in solchen Explosionen erzeugt werden, im Labor zu erzeugen und auch in dieser Kurzen Zeit Messungen zu machen. Dafür werden neue Beschleuniger-Anlagen gebaut weltweit, die genau diesen Prozess untersuchen wollen."