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Physik
Zu Besuch beim Gravitationswellen- detektor LIGO

Vor 100 Jahren hat Einstein die Gravitationswellen im All vorhergesagt. Seitdem suchen Forscher nach den Wellen, die entstehen sollen, wenn sich sehr große Objekte wie etwa Sterne bewegen. Heute Nachmittag will ein internationales Wissenschaftsteam zeitgleich in Washington, London und Hannover vor die Presse treten. Haben sie die Wellen entdeckt?

Von Ralf Krauter |
    Blick in einen der Spiegel des LIGO-Interferometers in Livingston
    Blick in einen der Spiegel des LIGO-Interferometers in Livingston (NASA / LIGO)
    LIGO Livingston Observatory - so heißt der Detektor eine Autostunde nördlich von New Orleans. Es ist eine riesige Laserantenne, mit der Forscher seit Jahren in die Tiefen des Alls lauschen. In der Hoffnung, endlich eine jener Gravitationswellen aufzuspüren, die es laut Albert Einstein geben muss.
    Das Hauptgebäude ist groß wie ein Flugzeughangar. Der Physiker Mike Zucker schlägt vor, erst mal aufs Dach zu steigen, um einen Überblick zu bekommen.
    Der Blick von oben fällt auf topfebenes Niemandsland. Wasser, Wald und Sumpf soweit das Auge reicht. Und mittendrin zwei kilometerlange Betonröhren, die im rechten Winkel auseinanderlaufen. Es sind die Messstrecken eines ultrapräzisen Laserlineals.
    Seit 2001 versuchen die LIGO-Forscher die Längenänderungen zu messen
    Wir stehen hier direkt über dem Strahlteiler, der unseren Laserstrahl in zwei Teilstrahlen aufspaltet. Einer davon läuft nach Westen, der andere nach Süden – jeweils vier Kilometer weit. Am Ende der Betonröhren hängen Spiegel, die die Strahlen wieder hierher zurückschicken. Und am Ende vergleichen wir die Laufzeit der Lichtwellen in den beiden Armen.
    Laut Relativitätstheorie sollten massive kosmische Objekte wie schwarze Löcher oder Neutronensterne, die schnell umeinander kreisen, Gravitationswellen aussenden, die durchs All laufen. Passiert solch eine wandernde Raumzeit-Delle das Laserlineal, müsste sie seine Messstrecken einen Tick zusammen stauchen – und zwar um den tausendsten Teil eines Atomkerndurchmessers. Seit 2001 versuchen die LIGO-Forscher solche aberwitzig kleinen Längenänderungen zu messen: Hier in Livingston und mit einem baugleichen Detektor in Hanford, im US-Bundesstaat Washington.
    Wir machen uns auf den Weg zum Herzstück der Anlage, wo die beiden reflektierten Laserstrahlen wieder zusammen treffen. Dabei entsteht ein charakteristisches Lichtmuster, das im Gefolge einer Gravitationswelle verräterisch flackern sollte.
    Bevor es ins Allerheiligste geht, müssen wir klobige Laserschutzbrillen aufsetzen. Dann öffnet Mike Zucker die Stahltür zu einer riesigen Halle, in der es erstaunlich still ist.
    In der Mitte drei große Stahltanks. In den meterdicken Metallrohren, die sie verbinden, laufen die Laserstrahlen hin und her.
    Deutsche Kollegen spielten eine wichtige Rolle
    Wir sind jetzt genau unter der Stelle, wo wir vorhin auf dem Dach standen. In dem Edelstahltank in der Mitte wird der Laserstrahl zweigeteilt und in die beiden vier Kilometer langen Arme geschickt. Eine ausgeklügelte Anordnung von Pendeln, Federn und Edelstahlgewichten, die mehrere Tonnen wiegt, schützt die optischen Komponenten vor Erschütterungen aller Art.
    Sowohl den Laser als auch die aufwendigen Spiegelaufhängungen haben Physiker in Hannover entwickelt, betont Mike Zucker. Auch bei der Analyse der Messdaten spielen die deutschen Kollegen eine wichtige Rolle.
    Das Problem dabei: Die Jagd nach Gravitationswellen gleicht der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Die Laserlineale sprechen auf alle möglichen Längenänderungen an: Erdbeben, Wirbelstürme, Meeresbrandung – all das sorgt für Störsignale, die Computerprogramme automatisch aus dem Ausgangssignal filtern, um den Blick fürs Wesentliche zu schärfen.
    "Natürlich behaupten wir nicht bei jedem auffälligen Signal: Das war eine Gravitationswelle. Um Fehlalarme auszuschließen, vergleichen wir unsere Messungen mit denen des anderen Detektors in den USA. Wenn der kurz vor oder nach uns dasselbe gemessen hat, wäre das ein starkes Indiz, dass wir wirklich etwas gefunden haben."
    Dass die LIGO-Forscher nun endlich das ersehnte Signal einer Gravitationswelle aufgefangen haben, daran besteht kaum noch Zweifel. Aber welche ARt von kosmischer Kollision ging ihnen ins Netz? Und wie sicher können sie sein, dass am Ende nicht doch alles nur ein Messfehler war? Die drei zeitgleich stattfindenden Pressekonferenzen in Washington, London und Hannover, heute um 16:30 Uhr dürften Antworten liefern.