Swjatoslaw Teofilowitsch Richter: ein Gigant unter den Pianisten des 20. Jahrhunderts.
"Ich wurde [am 20. März] 1915 in Schitómir geboren. Heute ist das in der Ukraine. Als ich zur Welt kam, gab es die Ukraine noch gar nicht: Es war Russland, Klein-Russland. Dort ist auch mein Vater geboren. Er war Deutscher."
Mag sein, dass daher Richters große Affinität zu Bach, Haydn, Beethoven, Schubert, Schumann und Brahms rührte; viele seine Aufnahmen ihrer Musik sind bis heute Referenz, wie Schumanns Fantasiestücke.
Klavierspiel autodidaktisch beigebracht
Daneben standen natürlich Russen im Zentrum seines Repertoires: Tschaikowsky und Mussorgsky, Rachmaninow, Skrjabin und Prokofjew, der Richter 1947 seine 9. Sonate widmete.
Nachdem er sich das Klavierspiel mehr oder weniger autodidaktisch beigebracht und erste Konzerterfolge gefeiert hatte, ging Swjatoslaw Richter als schon 22-jähriger 1937 zu dem legendären Heinrich Neuhaus ans Moskauer Konservatorium.
"Der junge Mann war ein Genie - der Student, von dem ich mein Leben lang geträumt hatte!"
Er scheute große Konzertsäle
Dem Studium folgten wirre und bittere Jahre: die Eltern trennten sich, der Vater wurde als angeblicher Spion erschossen. Nach dem Krieg ging es mit Richters Karriere in der Sowjetunion schnell voran, und bald verbreitete sich auch im Westen der Ruf dieses Ausnahmepianisten. Aber Richter hatte keine Lust, auf Tournee zu gehen, bis Nikita Chruschtschow persönlich den mittlerweile 45-Jährigen in die USA schickte.
"Ich wäre beinahe nicht weggekommen, denn ich war auf dem falschen Bahnhof, und ich wollte auch gar nicht wegfahren. Es wäre herrlich gewesen, den Zug zu verpassen – dann hätte es Amerika gar nicht gegeben. Denn wissen Sie, dieses Amerika."
"Dieses Amerika" feierte sein Debüt als Sensation: Am 15. Oktober 1960 spielte Richter in Chicago unter Erich Leinsdorf das zweite Brahms-Konzert, zwei Tage später entstand eine bis heute legendäre Studio-Aufnahme.
Im Mainstream des Musikbetriebs wurde Richter zunehmend unbequemer und kompromissloser. Immer seltener ließ er sich zu Studioaufnahmen überreden. Er hasste es, Konzerte und Reisen lange im Voraus zu planen. In den letzten Jahren spielte er am liebsten in kleinen, fast dunklen Sälen beim Licht einer Stehlampe und nach Noten: etwa bei dem Festival, das er 1963 in Frankreich in einer alten Scheune – der Grange de Meslay – gegründet hatte. Ein Gigant, der sich am liebsten abseits hielt. Mit 82 Jahren starb Swjatoslaw Richter am 1. August 1997 in Moskau.