Der Raum sieht aus, als hätte Dalí ihn gemalt. Er ist aus Brettern zusammengezimmert, die vermutlich aus Abrisshäusern stammen – aus grauem Holz mit schwarzen und braunen Farbresten. In der Mitte durchbricht ein dicker Baumstamm Boden und Decke. Sakaguchi hat das Haus um eine Kastanie herumgebaut. Komplett surreal wirkt die Szenerie, weil neben dem Baum ein Konzertflügel steht – das Symbol des bürgerlichen Kunstbetriebs. In seiner schwarz-glänzenden Perfektion lässt er das Haus noch älter und zerbrechlicher erscheinen.
Marino Formenti spielt Satie. Es ist nur eine Fingerübung, um das Instrument zu testen, doch man spürt, dass seine Haltung sich von der anderer Pianisten unterscheidet. Exaltierte Künstlergesten fehlen. Er beugt sich über die Tasten, als wäre er gar nicht da.
"Das Allerwichtigste ist wahrscheinlich gerade diese Nicht-Fokussierung auf den Interpreten. Früher hat man für Götter Musik gemacht. Irgendwann sind die Komponisten die Götter geworden. Und dann sind auch die Interpreten die Götter geworden. Und von uns wird immer etwas Paradoxes verlangt – einerseits, dass wir in der Musik und in der Kollektiverfahrung verschwinden, andererseits werden wir so angestarrt mit dieser Bühne."
Was viele Musiker dazu verführt, sich als Stars in Szene zu setzen. Formenti kennt das. Er hat als Solist mit den New Yorker und den Münchner Philharmonikern gespielt. Nun will er etwas anderes versuchen:
"Die Leute kommen rein, die Musik ist schon da. Ich schaue, dass ich in der Mitte bin, aber nicht sichtbar als Person. Ich will verschwinden im Projekt über das Musizieren."
"Nowhere" heißt die Performance, in der Formenti drei Wochen durchgängig Klavier spielen wird – auf Deutsch: "Nirgendwo". Pausen will sich der Pianist nur gönnen, um zu schlafen, zu essen oder zur Toilette zu gehen. Das Publikum kann so lange zuhören, wie es möchte. Der Eintritt ist kostenlos. Und das ist auch die Brücke zum Aufführungsort – dem Zero-Yen-House des japanischen Architekten Kyohei Sakaguchi.
"Für mich ist es Zero-Yen-Musik – die Idee einer gratis Zeit. Die Zeit im Konzert ist immer fokussiert. Man geht hin und will etwas erleben. Und dieser Versuch, die Musik darüber hinauszustrecken, ist auch der Versuch, irgendwo die Zeit, die wir in einer Großstadt wie Berlin immer nutzen wollen und hier die Zeit einmal lassen - also in Ruhe lassen. Das finde ich auch ein wichtiger Punkt. Das andere ist die Bescheidenheit. Diese Bescheidenheit passt wunderbar, finde ich, zu dieser Hütte, die er gebaut hat."
Formenti schaut hinüber zu Kyohei Sakaguchi, der in Japan mit seinen aus weggeworfenen Materialien bestehenden Häusern für Furore gesorgt hat. Der 34-Jährige hat Architektur studiert, aber nie als Architekt gearbeitet. Er hält es für unsinnig, dass neue Häuser gebaut werden, während gleichzeitig Wohnungen leerstehen:
"Ich habe das Gefühl, dass die Häuser nicht mehr gebaut werden, damit die Menschen dort wohnen. Aber damit die Menschen etwas besitzen können, ein Haus besitzen können, ein Grundstück besitzen können. Deshalb habe ich das Mobile House gebaut, um Leuten zu zeigen, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, zu leben."
Die "Mobile Houses" - also "Beweglichen Häuser" - sind Unterkünfte auf Rädern. Sakaguchi hat sie entworfen, weil im japanischen Baurecht nur solche Gebäude als Wohnraum gelten, die fest mit dem Erdboden verbunden sind. Mobile Häuser können vielerorts kostenlos aufgestellt werden und sie verbrauchen, da sie klein sind und aus recyceltem Material bestehen, kaum Ressourcen. Eine Ausstellung im Haus der Berliner Festspiele stellt Prototypen vor.
Die Konzertperformance von Marino Formenti findet in der Luxusvariante eines solchen Hauses statt – in einer Zero-Yen-Konzerthalle sozusagen. Sie ist gut 50 Quadratmeter groß und beherbergt neben dem Klavierzimmer einen Schlafraum für den Pianisten. Völlig kostenlos konnte sie nicht gebaut werden – schon allein wegen der deutschen Sicherheitsvorschriften. Doch das ist nicht so wichtig. Bei einem Kunstprojekt geht es um die Symbolkraft. Und die ist groß. Das Foreign Affairs startet mit einer kostenlosen Performance in einer ökologisch und ökonomisch durchdachten Konzerthalle. Korrekter kann ein Festival nicht beginnen.
Marino Formenti spielt Satie. Es ist nur eine Fingerübung, um das Instrument zu testen, doch man spürt, dass seine Haltung sich von der anderer Pianisten unterscheidet. Exaltierte Künstlergesten fehlen. Er beugt sich über die Tasten, als wäre er gar nicht da.
"Das Allerwichtigste ist wahrscheinlich gerade diese Nicht-Fokussierung auf den Interpreten. Früher hat man für Götter Musik gemacht. Irgendwann sind die Komponisten die Götter geworden. Und dann sind auch die Interpreten die Götter geworden. Und von uns wird immer etwas Paradoxes verlangt – einerseits, dass wir in der Musik und in der Kollektiverfahrung verschwinden, andererseits werden wir so angestarrt mit dieser Bühne."
Was viele Musiker dazu verführt, sich als Stars in Szene zu setzen. Formenti kennt das. Er hat als Solist mit den New Yorker und den Münchner Philharmonikern gespielt. Nun will er etwas anderes versuchen:
"Die Leute kommen rein, die Musik ist schon da. Ich schaue, dass ich in der Mitte bin, aber nicht sichtbar als Person. Ich will verschwinden im Projekt über das Musizieren."
"Nowhere" heißt die Performance, in der Formenti drei Wochen durchgängig Klavier spielen wird – auf Deutsch: "Nirgendwo". Pausen will sich der Pianist nur gönnen, um zu schlafen, zu essen oder zur Toilette zu gehen. Das Publikum kann so lange zuhören, wie es möchte. Der Eintritt ist kostenlos. Und das ist auch die Brücke zum Aufführungsort – dem Zero-Yen-House des japanischen Architekten Kyohei Sakaguchi.
"Für mich ist es Zero-Yen-Musik – die Idee einer gratis Zeit. Die Zeit im Konzert ist immer fokussiert. Man geht hin und will etwas erleben. Und dieser Versuch, die Musik darüber hinauszustrecken, ist auch der Versuch, irgendwo die Zeit, die wir in einer Großstadt wie Berlin immer nutzen wollen und hier die Zeit einmal lassen - also in Ruhe lassen. Das finde ich auch ein wichtiger Punkt. Das andere ist die Bescheidenheit. Diese Bescheidenheit passt wunderbar, finde ich, zu dieser Hütte, die er gebaut hat."
Formenti schaut hinüber zu Kyohei Sakaguchi, der in Japan mit seinen aus weggeworfenen Materialien bestehenden Häusern für Furore gesorgt hat. Der 34-Jährige hat Architektur studiert, aber nie als Architekt gearbeitet. Er hält es für unsinnig, dass neue Häuser gebaut werden, während gleichzeitig Wohnungen leerstehen:
"Ich habe das Gefühl, dass die Häuser nicht mehr gebaut werden, damit die Menschen dort wohnen. Aber damit die Menschen etwas besitzen können, ein Haus besitzen können, ein Grundstück besitzen können. Deshalb habe ich das Mobile House gebaut, um Leuten zu zeigen, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, zu leben."
Die "Mobile Houses" - also "Beweglichen Häuser" - sind Unterkünfte auf Rädern. Sakaguchi hat sie entworfen, weil im japanischen Baurecht nur solche Gebäude als Wohnraum gelten, die fest mit dem Erdboden verbunden sind. Mobile Häuser können vielerorts kostenlos aufgestellt werden und sie verbrauchen, da sie klein sind und aus recyceltem Material bestehen, kaum Ressourcen. Eine Ausstellung im Haus der Berliner Festspiele stellt Prototypen vor.
Die Konzertperformance von Marino Formenti findet in der Luxusvariante eines solchen Hauses statt – in einer Zero-Yen-Konzerthalle sozusagen. Sie ist gut 50 Quadratmeter groß und beherbergt neben dem Klavierzimmer einen Schlafraum für den Pianisten. Völlig kostenlos konnte sie nicht gebaut werden – schon allein wegen der deutschen Sicherheitsvorschriften. Doch das ist nicht so wichtig. Bei einem Kunstprojekt geht es um die Symbolkraft. Und die ist groß. Das Foreign Affairs startet mit einer kostenlosen Performance in einer ökologisch und ökonomisch durchdachten Konzerthalle. Korrekter kann ein Festival nicht beginnen.