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Pianistin Menter vor 175 Jahren geboren
Man warf ihr Juwelen auf die Bühne

Sie muss eine der virtuosesten Pianistinnen ihrer Zeit gewesen sein: Sophie Menter riss am Ende des 19. Jahrhunderts die Menschen zu Begeisterungsstürmen hin. Vor 175 Jahren wurde sie geboren.

Von Stefan Zednik |
    Die Pianistin und Komponistin Sophie Menter
    Die Pianistin und Komponistin Sophie Menter (dpa/picture alliance/ Fine Art Images/Heritage Image)
    "Er hat es sicherlich instrumentiert. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass er in Art eines Kompositions-Lehrers eingegriffen hat. (...) Und trotzdem würde ich denken, dass das ursprünglich ein von ihr komponiertes Stück ist."
    Es sind Peter Tschaikowsky und Sophie Menter, von denen die Hamburger Musikwissenschaftlerin Silke Wenzel hier spricht, der weltbekannte Komponist und die heute nahezu vergessene Pianistin.

    Mentor Franz Liszt

    Sophie Menter wird am 29. Juli 1846 in München als Tochter eines Musikerpaares geboren. Sie erhält früh den ersten Unterricht durch ihre älteren Schwestern, im Alter von neun Jahren besucht sie das Konservatorium, mit 15 gibt sie ihr erstes öffentliches Konzert – mit Orchester. Es folgt beinahe zwangsläufig eine professionelle Karriere, die sie bald in eine feste Anstellung als Pianistin eines kleinen Fürstenhofes in Schlesien führt. Eine sicher privilegierte Stellung, denn sie erhält großzügig Urlaub und damit die Möglichkeit, ihre Klavierstudien an der Berliner "Akademie für das Höhere Klavierspiel" des Liszt-Schülers Carl Tausig weiterzuführen. Liszt, der sie persönlich und künstlerisch schätzt und dessen Werke bald im Zentrum ihres Repertoires stehen, wird zum Mentor der jungen Pianistin.
    Ihre Karriere nimmt Fahrt auf, sie gastiert in mehreren europäischen Ländern, vornehmlich in Russland, erhält gar eine Berufung als Professorin ans Petersburger Konservatorium. Eine eher unglückliche Ehe löst sie nach kurzer Zeit.

    Juwelen und Bärenfelle als Geschenke

    Von Sophie Menter sind naturgemäß keine "echten" Tonaufnahmen überliefert. Wohl aber sind gestanzte Lochstreifen vorhanden, sogenannte piano rolls, die sie für die zu Beginn des
    20. Jahrhunderts neu entwickelten automatischen Klaviere aufnahm. Sie muss über eine außerordentliche, virtuose Spielfertigkeit verfügt haben, die beim Publikum Begeisterungsstürme auslöste.
    "Bekannt sind ja wirklich diese Erzählungen, die auch durchaus glaubhaft sind, dass man ihr Juwelen auf die Bühne geworfen habe. Ich glaube, gerade in Russland waren es z.B. bis hin zu Bärenfellen und ähnlichem. Also, dass die wertvollen Sachgeschenke etwas ganz Wichtiges auf diesen Konzertreisen waren (...) Die Hofierung dieser großen Virtuosinnen des 19. Jahrhunderts war unglaublich."

    "Menter stellte eine wundersame harmonische Verschmelzung der zur obersten Grenze der Perfektion entwickelten Technik mit ernster Musikalität dar."
    So Cesar Cui, zeitweilig Vertreter der als "das mächtige Häuflein" bekannten Gruppe um die russischen Komponisten Mussorgski und Rimski-Korsakow. Ganz anders dagegen Clara Schumann, deren Rang als Pianistin wie als Lehrerin im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts unbestritten ist: "Leider muss ich sagen, dass sie mir ganz den Eindruck der Kunstreiterin gemacht, vor allem ist sie mir kalt und unmusikalisch erschienen (..) In Kunststücken ist ihre Technik und Sicherheit eminent, auch in der Geläufigkeit, aber sobald die Passagen ein edleres Gepräge tragen (..) sind sie ganz unvollkommen."

    Komponistin oder Interpretin?

    "Ich finde die Angriffe schon wirklich scharf, es zeigt aber natürlich dieser Gedanke, deutsche Musik müsse Tiefe haben. Und dass das natürlich in der wirklich unglaublich virtuosen Liszt-Schule nicht immer zwingend das Ziel war, ist ja überhaupt keine Frage."
    Bleibt die Frage der Verortung einer Künstlerin, die 1918 im Alter von 71 Jahren in München starb: Komponistin oder Interpretin?
    "Ich finde es überhaupt keine Frage, dass sie eine Interpretin ist. Selbst dieses eine und vielleicht halbe Klavierkonzert scheint mir tatsächlich eher aus der Begeisterung entstanden zu sein, etwas gemeinsam zu machen."
    Und doch stammen aus ihrer eigenen Feder einige wenige Stücke, Perlen der virtuosen, eher leichtfüßig daherkommenden Klavierliteratur des späten 19. Jahrhunderts.
    "Für mich ist tatsächlich ein nicht notiertes Stück das Highlight. Und das ist dieser Walzer für Claudio Arrau, auch von Arrau selbst eingespielt auf diese Walze, ich glaube 1919. (...) Wo ich sofort so dachte, ja, das ist ein unglaublich gutes Stück."