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PID weiterhin umstritten

Bevor der Bundestag über die Zukunft der Präimplantationsdiagnostik berät, hat jetzt der Ethikrat eine Empfehlung vorgelegt. Doch das Gremium ist sich uneins. Es könne nicht darum gehen, Widersprüche künstlich zuzukleistern, betont der Leiter der PID-Arbeitsgruppe Wolf-Michael Catenhusen.

Wolf-Michael Catenhusen im Gespräch mit Karin Fischer |
    Karin Fischer: Kommende Woche beginnt der Bundestag mit Beratungen über ein Verbot oder eine begrenzte Zulassung der PID in Deutschland. Die Empfehlungen des Ethikrats zur Präimplantationsdiagnostik, die heute in einer etwa 100-seitigen Dokumentation vorgelegt wurden, sollen – das betonen ihre Verfasser – eine Entscheidung nicht vorwegnehmen, sondern nur eine Handreichung darstellen. Ersteres könnten sie auch gar nicht, denn der Ethikrat selbst ist wie die Gesellschaft in dieser Frage tief gespalten. Nur die Hälfte der 26 Ratsmitglieder befürwortet eine eng begrenzte Zulassung der PID, die andere Hälfte ist dagegen. Die Gegner der PID haben gute und vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte auch eindeutige Argumente, wie etwa der Moraltheologe Eberhard Schockenhoff vor Kurzem in den "Kulturfragen" des Deutschlandfunks.

    O-Ton Eberhard Schockenhoff: Das Ganze Verfahren ist verbotswürdig, weil es nämlich die Bereitschaft zur Selektion als immanentes Erfordernis enthält, und das ist der eigentliche entscheidende Grund, warum die PID in unserem Land, in Deutschland nicht erlaubt werden sollte. Einen Menschen probeweise zu erzeugen, um ihn dann anschließend auszusondern, je nach dem Ergebnis des Tests, dem wir ihn unterwerfen, das verstößt gegen eine Elementarforderung der Humanität.

    Fischer: Man kann die Sache natürlich auch um einiges komplizierter sehen. Wolf-Michael Catenhusen ist ehemaliger Staatssekretär im Wissenschaftsministerium, Mitglied im Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages und Leiter der PID-Arbeitsgruppe im deutschen Ethikrat. Er hat die Empfehlungen mit erarbeitet. Und welche Position er persönlich vertritt, habe ich ihn vor der Sendung gefragt.

    Wolf-Michael Catenhusen: Ich vertrete die Position einer begrenzten Zulassung der PID, allerdings unter klaren Grenzziehungen, die auch im Gesetz verankert werden müssen.

    Fischer: Was für Grenzziehungen sind das? Wie eng soll nach Ihrer Meinung der Rahmen sein, innerhalb dessen man die PID anwenden darf? Denn dass es jetzt nicht um Selektion von Augenfarben geht, das ist ja auch klar.

    Catenhusen: Eine Präimplantationsdiagnostik sollte nur dann zulässig sein, wenn bei dem betroffenen Paar schon bekannt ist, dass es ein hohes medizinisches Risiko gibt, bei dessen Vererbung auf das Kind eine schwere Krankheit oder Behinderung zu erwarten ist. Und in einem solchen Fall sollte dann auch im Fall, wenn bei den Eltern nach wiederholten Fehlgeburten oder vergeblichen Behandlungsversuchen ein hohes Risiko für Reifungsstörungen der Keimzellen gegeben ist, auch eine PID möglich sein.

    Wenn man eine solche Zulassung vorsieht, dann sollte allerdings auch im Gesetz gleichzeitig deutlich festgelegt werden, welche möglichen Anwendungsfelder in Deutschland unzulässig sein sollten, und ich will nur drei Dinge nennen. Erstens die Feststellung des Geschlechtes eines Embryos, wenn es nicht mit der Bestimmung einer Krankheit verbunden ist, sollte ausgeschlossen sein. Wir lehnen auch das Rettungskind, also die gezielte Auswahl eines Embryos für die Spende von Zellen, Gewebe oder Organen für einen anderen Menschen ab. Und es sollten auch nicht spät ausbrechende Krankheiten Grund für eine Präimplantationsdiagnostik sein, denn es geht ja hier im Kern darum, dass wir einem Paar die Möglichkeit geben wollen, in einer schweren Konfliktsituation für das Paar, für die Eltern hier eine Abwägung zu ermöglichen. Bei spät sich manifestierenden Krankheiten geht es ja um Krankheiten, die vielleicht mit 40, 50 erst ausbrechen.

    Fischer: Vielleicht ist eine moralisch einwandfreie Haltung in Sachen PID auch gar nicht möglich, aber mit den engen Grenzen, die Sie erwähnt haben, haben Sie auch auf einen speziellen Konflikt angespielt, der sich in einem größeren rechtlichen Rahmen abspielt, nämlich es geht ja nicht nur um Kinderwunsch und Prävention von schweren Erbkrankheiten, sondern auch beispielsweise um die Frage, warum ein Fötus schützenswerter ist als das heranwachsende behinderte Kind im Mutterleib, das spät noch abgetrieben werden darf nach deutschem Gesetz.

    Catenhusen: Diejenigen, die für eine begrenzte Zulassung plädieren, plädieren damit eigentlich für eine, von einem Lebensschutzkonzept getragene Regulierung all dieser Fragen in Deutschland, bei denen es keine Widersprüche, oder möglichst wenig Widersprüche gibt, denn in manchen Kontexten ist die PID tatsächlich eine mögliche Alternative zur Herbeiführung einer Schwangerschaft und dann nach Feststellung eines schweren erblichen Defektes einer vorgenommenen Abtreibung. Oder denken Sie etwa an das Problem der Spätabtreibungen. Wir meinen, dass eine Gesellschaft, die vor allem im Bereich Spätabtreibung medizinische Indikationen zur Herbeiführung eines Abbruchs ermöglicht, bei der PID eine vergleichbare Abwägung zulassen muss.

    Fischer: Dieses gespaltene Votum, das heute erging, was ist das? Ist das ein Spiegel der unterschiedlichen Haltungen innerhalb der Gesellschaft, ist das ein Armutszeugnis für den Ethikrat, oder ist das tatsächlich nur sozusagen die hilfreiche Vorarbeit für Abgeordnete?

    Catenhusen: Also nach dem Gesetz soll der Ethikrat auch den vorhandenen ethischen und weltanschaulichen Pluralismus unserer Gesellschaft widerspiegeln, und ich kenne weltweit kein Gremium, das einstimmige Voten zur PID abgegeben hat, auch in Großbritannien nicht. Das einzige Gremium, was ein einstimmiges Votum abgegeben hat in Form einer Mehrheitsentscheidung, ist ja die Leopoldina, die Deutsche Akademie der Wissenschaften.

    Ich denke, die Aufgabe kann hier nicht sein, künstlich Widersprüche zuzukleistern, sondern es geht hier darum, eine möglichst qualifizierte Ausformulierung von Positionen zu ermöglichen, und ich darf doch darauf hinweisen, es hat ein Votum von 13 Mitgliedern des Ethikrates für die Zulassung gegeben, es hat ein Votum von 11 Mitgliedern gegen die Zulassung gegeben. Das heißt, von denjenigen, die sich zu einer Meinung durchringen konnten, hat es eine knappe Mehrheit gegeben. Vielleicht ist das auch analog zu einer möglichen Bundestagsentscheidung.

    Fischer: Das war Wolf-Michael Catenhusen, Leiter der PID-Arbeitsgruppe, zu den Voten und Empfehlungen des Ethikrats.