Ursula Mense: Ferdinand Piëch war Vorstandsvorsitzender und Aufsichtsratschef von Volkswagen. Er hat wie kein anderer den Erfindergeist seines Großvaters Porsche verkörpert, auch den unternehmerischen Wagemut der Familie. Er war es, der den Konzern an die Weltspitze geführt hat, und nun verkauft er den Großteil seiner Anteile an der Volkswagen-Dachgesellschaft, der Porsche SE, und gibt damit den letzten Einfluss auf. Darüber und wie es nach Piëch weitergeht, möchte ich sprechen mit Georg Meck, Leiter der Wirtschaftsredaktion der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Er beobachtet seit 15 Jahren den VW-Konzern und die Eigentümerfamilien und hat in dieser Zeit alle Konzernchefs getroffen. Ich habe ihn gefragt, ob es eine sinnvolle Erklärung für den Verkauf gibt.
"Zorn und Verbitterung eines alten Mannes"
Georg Meck: Das Ganze hat auf jeden Fall mit Zorn und Verbitterung eines alten Mannes zu tun. Ferdinand Piëch wird jetzt 80 Jahre alt und dieser Rückzug und dieser Bruch mit Familie und Konzern hat die Ursache schon im Jahr 2015, als er davongejagt wurde. So zumindest hat er das gesehen, als er den Machtkampf in Wolfsburg verloren hat, und damals hatten seine Cousins, aber auch sein Bruder sich gegen ihn gestellt. Von da an waren es für ihn alles Verräter und er hat damals im ersten Zorn schon damit gedroht, seine Anteile zu verkaufen, und jetzt ist es offenbar so weit.
Mense: Und dass er nun einen kleinen Anteil behält, ist das bloß noch Symbolik?
Meck: Ich würde denken, das ist tatsächlich nur symbolischer Wert. Er hat keine ernsthafte Mitsprache mehr. Sein Mandat wird er sicher nicht mehr lange behalten. Sobald da alle juristischen Feinheiten geklärt sind, spätestens nach der Sommerpause, und dieser Verkauf über die Bühne gegangen ist, wird er sein Mandat aufgeben müssen und damit hat er auch keine Macht mehr über Volkswagen.
Mense: Es heißt, das Aktienpaket ist insgesamt über eine Milliarde Euro wert. Wie muss man sich das denn vorstellen? Wie geht denn so ein Verkauf über die Bühne? Bekommt er das dann cash oder wie auch immer, oder legt er es dann irgendwo anders an, oder wird er vielleicht viel weniger dafür bekommen als es wert ist?
Meck: Es ist so geregelt, dass er die Anteile bezahlt bekommt nicht zum Börsenkurs, sondern nach einer Formel in diesem Vertrag, den die Familie hat. Und nach allem was man hört, nimmt er da einen kleinen Abschlag in Kauf. Was er damit macht, keine Ahnung. Großaktionär bei BMW oder Daimler kann er nicht werden, dafür ist auch eine Milliarde zu wenig Geld.
"Niemanden aus der vierten Generation, der dieses Charisma hat"
Mense: Es heißt jetzt schon länger, jetzt muss die vierte Generation ran. Das sind 34 Männer und Frauen, von denen man einige kennt, Luise Kiesling oder Oliver Porsche zum Beispiel, weil sie bereits in Aufsichtsräten sitzen. Wem trauen Sie denn zu, in die Fußstapfen Piëchs zu treten?
Meck: Erst mal sehe ich gar niemanden aus dieser vierten Generation, der diese Machtfülle, dieses Charisma, diese Durchsetzungskraft hat, wie Ferdinand Piëch es hatte. Ferdinand-Oliver Porsche ist derjenige, der am längsten schon in den Gremien sitzt, ist auch kein ganz junger Mann mehr, ist auch schon Mitte 50. Der ist erst mal der Anführer, würde ich sagen, der vierten Generation. Wenn es nach den Anteilen geht, ist Peter-Daniel Porsche der wichtigste, weil er das einzige Einzelkind ist in der vierten Generation und deswegen die meisten Anteile hat. Aber er hat auch noch nicht bewiesen, dass er einen Konzern führen kann.
Mense: Er ist Musiktherapeut und Waldorf-Pädagoge. Da denkt man nicht automatisch an einen Wirtschaftslenker. Hat er denn trotzdem Chancen, eine wichtige Figur im VW-Konzern zu werden?
Meck: Er wird insofern garantiert eine wichtige Figur, da er die meisten Anteile hat. Sein Vater, Hans-Peter Porsche, hat die Anteile ihm schon übertragen. Das heißt, Peter-Daniel Porsche ist formal der größte Aktionär am Volkswagen-Konzern. Nach allem, wie es aussieht, wird er auch einen Sitz im Aufsichtsrat der Porsche SE bekommen, und somit ist er qua Amtes auf jeden Fall wichtig und auch qua seiner Anteile. Und es ist ja nicht ganz so, dass er nur Walldorf-Erfahrung hat. Er hat auch eine eigene kleine Holding in Salzburg, mit der er sich an Firmen beteiligt.
"Daniel Porsche ist ein ganz anderer Mensch"
Mense: Aber vom Typ her ist er schon eher der Vertreter der Waldorf-Seite. Er hat auch seinen Onkel zweiten Grades, Ferdinand Piëch, sehr heftig kritisiert. Das sind wohl ganz unterschiedliche Charaktere.
Meck: Er hat eine ganz andere Lebenseinstellung. Das ist auf jeden Fall klar. Er liebt zwar die Autos, aber ansonsten wie man mit Menschen umgeht, wie man mit der Umwelt umgeht, wie man mit der Gesellschaft umgeht, da unterscheidet er sich sehr stark von Ferdinand Piëch, der doch technokratisch gedacht hat, dem die Macht und die Stellung des Konzerns alles war. Da ist Daniel Porsche ein ganz anderer Mensch, das ist wahr.
Mense: Es heißt ja schon länger aus den Reihen der vierten Generation, keine Konflikte mehr, und ob einer Piëch oder Porsche heißt, das soll keine Rolle mehr spielen. Ist das realistisch?
Meck: Die Fronten haben sich auf jeden Fall verschoben. Früher gab es immer einen Wettbewerb zwischen dem Porsche- und dem Piëch-Zweig. Und in der vierten Generation ist dieser Gegensatz auch nicht mehr so scharf zwischen dem, was man die Walldorf-Seite nennt, und die anderen, die eher die technisch interessierten sind. Es gibt jetzt auch Piëchs in der vierten Generation, die ihre Kinder auch in die Walldorf-Schulen schicken. Insofern nähern sich die Lebensstile an und auch das Denken ist nicht mehr so konträr, wie es noch eine Generation vorher war.
Mense: Mit dem Verkauf seines Aktienpakets beendet Ferdinand Piëch endgültig seine Ära bei VW. Darüber, wer ihm folgen könnte, habe ich mit Georg Meck von der "FAS" gesprochen.
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