Rom. Peripherie. Mietskasernen. Von barocken Kirchen und Palästen keine Spur. Hier lebt Mamma Roma. Der gleichnamige Film zeichnet das Porträt einer Prostituierten, die versucht, ihrem Sohn zuliebe, sich ein bürgerliches Leben aufzubauen.
"Mamma Roma" ist der zweite Spielfilm von Pier Paolo Pasolini. Eine für die damaligen Jahre in Italien skandalöse Handlung. Wie auch Pasolinis erster Film "Accattone" von 1961. Die Geschichte Vittorios. Eine Stadtrandgeschichte um einen jungen Mann, der von der Hand in den Mund lebt.
Pasolini und Rom, eine Symbiose, eine große Liebe, ein lebenslanger Kampf gegen jene gesellschaftlichen Kräfte, die in dem am 5. März 1922 in Bologna geborenen und in der Provinzortschaft Casarsa della Delizia im Friaul aufgewachsenen Dichter, Schriftsteller, Regisseur und Publizisten als einen Provokateur sahen. Die Ausstellung "Pasolini Roma" bringt diese symbiotische Beziehung und Hass-Liebe auf den Punkt. In chronologischer Form wird das römische Leben Pasolinis nacherzählt. Der spanische Schriftsteller und Filmemacher Jordi Ballo ist einer der Ausstellungskuratoren:
"In dieser Ausstellung begleiten wir Pasolini von seiner Ankunft in Rom an, 1950, mit 28 Jahren, zusammen mit seiner Mutter, mit der er Zeit seines Lebens untrennbar verbunden war, bis zu seinem gewaltsamen Tod am Meer von Rom in Ostia. Wir zeigen, wo er wohnte, zunächst die kleine Wohnung am Stadtrand, und wie er schließlich in Rom ein anerkannter Schriftsteller wurde"
Pasolini und das römische Lumpenproletariat
Die Ausstellung kommt immer wieder auf das von Pasolini ständig in seinen Schriften, Gedichten und ersten Filmen thematisierte "sottoproletariato romano" zu sprechen, das römische Lumpenproletariat. Pasolini in einem Interview von 1966:
"In Mailand sind die Arbeiter Proletarier, in Rom sind sie Lumpenproletariat, weil es keine Fabriken gibt. Sie stellen eine in ganz Italien außergewöhnliche Bevölkerungsgruppe dar. Die Dritte Welt, hier in Rom beginnt sie."
Der Ausstellungsbesucher sieht Rom mit Pasolinis Augen. Das Rom der Armen und Ausgegrenzten. Präsentiert wird eine Stadt, die es so nicht mehr gibt. Das gilt auch für die damalige intellektuelle Welt, der Pasolini nach seinen ersten aufsehenerregenden Filmerfolgen und Büchern angehörte. Zu Pasolinis engsten Freunden gehörte die noch heute in Rom lebende Schriftstellerin Dacia Maraini:
"Er war immer still, sprach wenig, kam aber immer mit, wenn wir uns mit Journalisten, Malern, Autoren und Filmemachern in Cafés in der Via Veneto, auf der Piazza del Popolo oder auf Dachterrassen trafen. Damals fand das intellektuelle Leben in Cafés und Privatwohnungen statt. Nach unseren Treffen, tief in der Nacht, zog er immer los, ganz allein."
Die Ausstellung präsentiert nicht nur Originalschriften, Filme und Interviews mit ehemaligen Liebhabern und Freunden, sondern bietet auch ein Rahmenprogramm. Besonders reizvoll: Fahrradtouren zu den Orten Roms, an denen Pasolini lebte, liebte, seine Filme drehte. Während der Pausen auf diesen Radtouren lesen Schauspieler aus Pasolinis Texten vor. Wie zum Beispiel in einem leer stehenden Haus beim antiken Aquädukt im Stadtrandviertel Don Bosco. Hier drehte Pasolini "Mamma Roma". Ein auch heute noch heruntergekommener Ort, der fast noch genau so aussieht wie damals, 1962, als Pasolini hier seinen Film drehte.