Archiv

Pille gegen Methan
Abgasfilter für Kühe

Vor acht Jahren sorgte der Vorschlag eines deutschen Tierernährungsexperten für Aufsehen. Er wollte Rindern eine Pille verabreichen, um die Methanbildung in ihrem Pansen zu hemmen. Doch statt Forschungsgeldern erntete er Spott und Hohn - für seine wegweisende Idee ist die Zeit erst heute reif.

Von Volker Mrasek |
    Hausrind (Bos primigenius f. taurus), Charolaises und Limousin-Rinder zusammen auf einer Weide
    Moderne Mittel gegen tierisches Methan sind noch nicht besonders wirksam. (imago / blickwinkel)
    "Das ist eine Pipette. Wir pipettieren jetzt das Medium zusammen, in dem wir dann unser Bakterium kultivieren werden."
    Ein Biotechnologie-Labor an der TU Braunschweig. Die beiden Masterstudenten Anna Wronska und Steffen Lippold beträufeln Petrischalen mit Agaragar, einem Nährmedium. Dann geht es an den Brutschrank, den Inkubator.
    "Unser Bakterium soll jetzt bei 37 Grad wachsen." "Das sind die optimalen Wachstumstemperaturen." "Und wir hoffen, dass wir dann morgen unsere Kolonien auf unserer Agarplatte sehen können."
    In dem Inkubator wächst E. coli heran. Im Prinzip ein ganz gewöhnliches Darmbakterium. Diese Exemplare hier aber sind genetisch verändert. Sie besitzen ein Enzym, das ihnen von Haus aus fehlt: eine sogenannte Methan-Monooxygenase. Sie stammt von einem anderen Mikroorganismus. Durch den Gen-Transfer sind die Darmbakterien imstande, Methan abzubauen, das wir als Treibhausgas kennen.
    Kühe zum Beispiel stoßen große Mengen Methan aus, wenn sie Gras oder anderes Grünfutter in ihrem Pansen verdauen.
    "Es gibt 1,5 Milliarden Kühe auf der Erde. Und eine Kuh stößt im Jahr 110 Kilogramm Methan aus." "Macht etwa ein Viertel der gesamten Methanmmissionen aus."
    Lippold: "Unser Ansatz beschäftigt sich damit, dass wir einen Organismus in die Kuh bringen wollen, der das Methan direkt abbaut."
    Ein interessanter neuer Ansatz, sicher! Für ein Land wie die USA zum Beispiel, wo genetisch veränderte Organismen in der Landwirtschaft zugelassen sind. In Deutschland aber ist das nicht der Fall.
    Seiner Zeit voraus: Die Vision des Winfried Drochner
    Doch nicht einmal für ganz herkömmliche Methoden zur Methanminimierung in der Nutztierhaltung haben hiesige Forscher in der Vergangenheit grünes Licht bekommen.
    Schon 2007 wollte der Tierernährungsexperte Winfried Drochner den Methanaustoß von Rindviechern drosseln. Der Professor an der Universität Hohenheim propagierte eine Art Pille gegen den Klimawandel. Die Kühe sollten eine Tablette schlucken, die ihnen monatelang im Vormagen liegt und Tannine freisetzt - Gerbstoffe aus Pflanzen, die der Forscher damals erprobte. Und die - wie sich zeigte - die Fermentation im Pansen so verändern können, dass weniger Methan entsteht.
    Doch aus dem geplanten Forschungsprojekt wurde nichts. Weil seine Idee nur Spott erntete, wie Drochner heute beklagt. In Comedy-Sendungen habe man sich über furzende und rülpsende Rinder lustig gemacht, sodass sich keine Geldgeber für die Sache gefunden hätten. Wenig später ging der Agrarforscher in den Ruhestand, die Sache verlief im Sande. Interviews dazu mag der enttäuschte Ernährungsexperte nicht mehr geben.
    Bislang sind Mittel gegen tierisches Methan kaum wirksam
    Vielleicht war die Zeit auch noch nicht ganz reif. Wenig später kamen die Dinge dann doch in Gang. Jamie Newbold, Professor für Tierwissenschaften an der Universität von Aberystwyth in Wales:
    "In den letzten Jahren gab es viele Projekte, in denen versucht wurde, den Methanausstoß durch Futterzusätze zu verringern - bei Kühen und auch bei Schafen. Inzwischen sind einige Produkte mit Pflanzenauszügen auf dem Markt. Zwar nicht in Form von Pillen, aber als Pulver. Die Idee als solche war also überhaupt nicht lächerlich!"
    Diese Pulver enthalten verschiedene Pflanzenöle oder auch Knoblauchextrakte. Beide hemmen die methanbildenden Bakterien im Pansen der Kühe.
    Allerdings ist der Effekt laut Newbold ziemlich klein. Zehn Prozent tierisches Methan - mehr lasse sich durch die Pflanzenpülverchen kaum vermeiden:
    "Viele Leute arbeiten inzwischen an der zweiten Generation von Pflanzenextrakten. Sie sollen den Methanausstoß noch stärker vermindern und sind vielleicht in drei bis fünf Jahren marktreif."
    Methanproduktion in der Landwirtschaft bleibt auf der Agenda
    Wronska: "Das sind die Platten von gestern. Jetzt können wir feststellen, wie gut unsere Bakterien gewachsen sind."
    Zurück zu den genetisch veränderten Darmbakterien, die Methan abbauen. Die Braunschweiger Biotechnologen würden sie Kühen ebenfalls mit einer Art Pille zuführen. Eine, die - wie Steffen Lippold hofft - nicht bespöttelt wird, sondern tatsächlich kommt. Jedenfalls in Ländern, die Gentechnik in der Viehhaltung gestatten. Es sei nämlich abzusehen, sagt Lippold, "dass die Methanemission immer weiter steigt und deswegen es immer mehr von Interesse sein wird in Zukunft."
    Zur Sendereihe "Tolle Idee! - Was wurde daraus?