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Pilotenstreik bei Germanwings
"Zu weiteren Ausschreitungen quasi gezwungen"

Im Streit mit der Pilotengewerkschaft Cockpit über eine neue Vorruhestands-Regelung lege Lufthansa seit März immer das gleiche Angebot vor, sagte Cockpit-Sprecher Markus Wahl im DLF. Sollte Lufthansa sich nicht bewegen, gingen die Streiks weiter. Denkbar seien noch viele Varianten.

Markus Wahl im Gespräch mit Christine Heuer |
    Zwei Airbus A319-100 der Lufthansa-Tochter Germanwings stehen am 01.04.2014 auf dem Flughafen in Stuttgart (Baden-Württemberg)
    Germanwings-Flugzeuge bleiben heute am Boden. Der Streik der Piloten hat vor allem die Beibehaltung der Vorruhestandsregelung zum Ziel. (pa/dpa)
    Christine Heuer: Seit zwölf Uhr heute Mittag streiken die Piloten bei der Lufthansa-Tochter Germanwings, und zwar im Wesentlichen für eine pilotenfreundliche Vorruhestandsregelung. Markus Wahl ist Sprecher der Pilotengewerkschaft Cockpit und er ist jetzt am Telefon. Guten Tag, Herr Wahl.
    Markus Wahl: Schönen guten Tag!
    Heuer: Herr Wahl, ich wollte heute Mittag von Köln nach Berlin fliegen und Sie zwingen mich jetzt dazu, Auto zu fahren. Verstehen Sie, dass ich sauer bin auf Cockpit?
    Wahl: Natürlich verstehe ich Sie, und die Unannehmlichkeiten, die durch diesen Streik, der uns aufgezwungen wurde, entstanden sind, bedauern wir natürlich ausdrücklich. Das Problem ist - und das ist so ein bisschen wie bei der Bahn -, dass wenn wir streiken, steht ein Flugzeug still, und damit sind immer auch Passagiere getroffen.
    Heuer: Ja genau! Sie sind kleine Gewerkschaften. Auch Cockpit ist eine kleine Gewerkschaft. Es geht um eine ganz kleine Berufsgruppe. Und trotzdem sitzen Sie am längeren Hebel. Da ist das Streiken natürlich leicht!
    Wahl: Es stimmt, wir sind sicherlich eine kleinere Gewerkschaft. Allerdings sind wir wie viele andere in diesem Land auch Arbeitnehmer. Wir sind bei einem großen Konzern angestellt. Und ich glaube, dass es als Arbeitnehmer grundsätzlich schon erlaubt sein muss, hier sich gegen den Druck des Arbeitgebers zur Wehr zu setzen und auch zu streiken.
    Heuer: Aber immer zu Lasten der Reisenden!
    Wahl: Es geht ganz klar nicht gegen die Reisenden. Wir wollen hier nicht die Reisenden bestrafen.
    Heuer: Aber die leiden ja darunter. Finden Sie das noch angemessen?
    Wahl: Ganz klar: Die Reisenden sind betroffen. Aber wir bestreiken natürlich den Arbeitgeber. Es bleibt uns ja keine andere Wahl als Arbeitnehmer, der wir sind, das Cockpit zu bestreiken, und ja, dann stehen Flugzeuge und damit auch Passagiere.
    "Es ist nicht so, dass alle mit 55 in den Vorruhestand gehen"
    Heuer: Aber es bliebe Ihnen die Wahl, einfach nicht zu streiken. Anlass dieser Arbeitsaussetzung sind ja Abstriche an einer sehr großzügigen Vorruhestandsregelung für Piloten. Wenn ich das richtig verstehe, dann können Sie jetzt zwölf Jahre früher als andere in Rente gehen, und bald sollen es nur noch sieben Jahre früher sein. Erwarten Sie da im Ernst Solidarität oder Verständnis?
    Wahl: Nein. Ich glaube, es ist wichtig zu sagen: Es ist auch heute nicht so, dass alle mit 55 in den Vorruhestand gehen. Das wollen wir auch nicht erreichen. Heute liegt der Durchschnitt bei 59 und mit Sicherheit aufgrund der demografischen Entwicklung wird man eher älter werden. Allerdings muss der Kollege, der dann sagt, ich kann diesen Job nicht mehr verantwortungsvoll tun, wenigstens die Möglichkeit haben, wenn es so weit ist, dann auch seinen Job an den Nagel zu hängen.
    Heuer: Genau. Also möglicherweise dann weiter mit 55 und nicht erst mit 60 Jahren. Glauben Sie eigentlich, Dachdeckern und Chirurgen, denen geht es besser und die sind nicht ausgelaugt in dem Alter?
    Wahl: Ich glaube, es gibt außer dem Pilotenberuf natürlich noch sehr viele andere Berufe, die ebenfalls mit viel Verantwortung verbunden sind und wo man auch deutlich vor dem gesetzlichen Eintritt in den Vorruhestand gehen möchte und gehen kann, und diesen Arbeitnehmern gönne ich solche Regelungen auch von Herzen. Bei uns sind sie Teil des Arbeitsvertrages und das wollen wir uns natürlich von Lufthansa auch nicht einfach so wegnehmen lassen.
    Heuer: Ja. Aber Lufthansa verhandelt nun mit Ihnen. Die bieten zum Beispiel einen umfassenden Bestandsschutz an für bisherige Piloten. Warum sagen Sie da nicht: Einverstanden, das machen wir mit.
    Wahl: Wir sagen deswegen nicht "Einverstanden, das machen wir mit", weil Lufthansa nämlich zusätzlich auch noch kurzerhand die komplette Abschaffung dieses Übergangs-Versorgungssystems - und zwar für alle neuen Piloten - will, und das würde kurzerhand zu einer Spaltung des Personalkörpers führen, nämlich in Kollegen, die es bis jetzt haben, und dann die neuen, die es nicht mehr haben, und solche Spaltungen innerhalb eines Personalkörpers gibt es mit uns nicht.
    Kompromissbereit, wenn Lufthansa sich bewegt
    Heuer: Aber das ist auch üblich in bestimmten Berufssparten.
    Wahl: Ja gut. Es gibt sicherlich andere Berufssparten mit ganz vielen anderen Regelungen. Nun betrachten wir natürlich hier unsere Berufssparte und wir sind ja durchaus bereit, sobald Lufthansa sich wenigstens in diesem, unserem Kernpunkt, bewegt, in anderen Feldern durchaus Kompromisse zu schließen. Dazu müsste Lufthansa sich aber grundsätzlich erst mal bewegen.
    Heuer: Lufthansa sagt, Cockpit reagiert nicht auf unsere Vorschläge.
    Wahl: Dazu muss man wissen, dass die Vorschläge der Lufthansa seit März kurzerhand immer die gleichen sind. Wir haben Kompromissangebote vorgelegt, verschiedene, wir haben sogar eine Kostendeckelung angeboten. Aber Lufthansa reagiert nur mit Mauerung, und zwar damit, dass sie sagen: Okay, wir ändern das Angebot seit März nicht. Das hat mit Verhandlung, finde ich, nicht viel zu tun.
    Heuer: Sie reden nicht miteinander. Worauf müssen sich deshalb die Kunden in den nächsten Tagen einstellen?
    Wahl: Wir hoffen mal, dass Lufthansa endlich zur Vernunft kommt und sich mit uns zu konstruktiven Gesprächen trifft. Allerdings sollte sich Lufthansa weiter nicht bewegen, ja, werden wir wahrscheinlich zu weiteren Ausschreitungen quasi gezwungen werden, werden diese aber am Vortag dann jeweils wie bisher auch bekanntgeben.
    Noch viele Streikvarianten denkbar
    Heuer: Und was heißt das konkret?
    Wahl: Denkbar ist sicherlich vieles. In der Vergangenheit hat es vereinzelte Streiktage gegeben. Es mag mehrere Streiktage geben, es mag kombinierte Streiks von Lang- und Kurzstrecke, von Frankfurt und München geben. Da ist sicherlich viel denkbar. Wie das genau aussieht, das sagen wir dann, wenn es so weit ist.
    Heuer: Ein Flugticket bei Germanwings sollte ich und sollten andere in nächster Zeit besser nicht kaufen?
    Wahl: Solche Empfehlungen kann ich sicherlich nicht aussprechen.
    Heuer: Das ist aber die Folge, Herr Wahl.
    Wahl: Das muss aber dann im Endeffekt jeder für sich selber entscheiden.
    Heuer: Markus Wahl, Sprecher der Pilotengewerkschaft Cockpit. Ich danke Ihnen für das Interview, Herr Wahl.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.