Benjamin Hammer: Wenn eine Gewerkschaft mit Streiks droht, dann macht sie das immer auch, um die eigene Verhandlungsposition zu stärken. Manchmal ist die Drohung reine Taktik. Die Ankündigung wird dann rechtzeitig zurückgezogen. Kaum einer Gewerkschaft ist es aber im Moment so ernst wie der Pilotengewerkschaft Cockpit. Die droht nicht nur, die streikt dann auch. Ganze elfmal blieben im vergangenen Jahr zahlreiche Flieger der Lufthansa und auch Germanwings am Boden. Die Lufthansa kostete das Millionen, die Fluggäste waren genervt. Mehrmals setzten sich Konzernführung und Piloten zusammen, getan hat sich kaum etwas. Morgen wird wieder gestreikt.
Mitgehört hat Jörg Handwerg. Er ist Lufthansa-Pilot und Vorstandsmitglied der Pilotenvereinigung Cockpit. Guten Tag, Herr Handwerg.
Mitgehört hat Jörg Handwerg. Er ist Lufthansa-Pilot und Vorstandsmitglied der Pilotenvereinigung Cockpit. Guten Tag, Herr Handwerg.
Jörg Handwerg: Schönen guten Tag, Herr Hammer.
Hammer: Können Sie die Fluggäste verstehen, die sagen, nicht schon wieder ein Streik, jetzt reicht's auch mal?
Handwerg: Natürlich kann ich die Fluggäste verstehen. Letzten Endes sind sie leider auch ein bisschen die Leidtragenden bei diesem Konflikt zwischen dem Management und den Piloten.
Hammer: Was genau werfen Sie der Lufthansa vor? Oder anders gefragt: Warum streiken Sie morgen?
Handwerg: Wir streiken morgen, weil nach wie vor die Lufthansa einfach nicht mehr bereit ist, mit uns gemeinsam Lösungen zu suchen und unsere Bedürfnisse auch zur Kenntnis zu nehmen, sondern man hat hier die Position eingenommen, wir wissen einzig und alleine, wie es geht, und genau so muss es kommen, ansonsten werden wir nicht im Markt bestehen, und sie sind nicht mehr bereit, uns verbindliche Zusagen zu machen. Man eiert hier ziemlich herum am Tariftisch. Nur in der Öffentlichkeit stellt man es so dar, als wäre man kompromissbereit.
Hammer: Wir erklären das unseren Hörern noch mal. Sie korrigieren mich, wenn ich etwas Falsches sage. Im Moment gibt es eine Ruhestandsregelung für Lufthansa-Piloten. Dort kann man mit 55 Jahren, wenn man möchte, in Rente gehen und bekommt dann einen stattlichen Teil der Bezüge weiter bezahlt bis zum Erreichen des gesetzlichen Rentenalters. Darum geht es, das ist der Zankapfel. Jetzt sagt die Lufthansa bei diesem monatelangen Streit: Wir sind Cockpit entgegengekommen, wir sagen, Piloten sollen unter bestimmten Umständen weiterhin mit 55 Jahren in Rente gehen können, das wollten wir am Anfang anders machen. Im schlimmsten Fall müsste so ein Pilot jetzt zwölf Monate länger arbeiten. Außerdem habe man Zuschläge beim Gehalt angeboten. Warum lehnen Sie das immer noch ab?
"Schon allein aus Solidaritätsgründen können wir solche massiven Einschnitte nicht zulassen"
Handwerg: Es ist eben nicht so einfach, wie die Lufthansa das immer öffentlich darstellt. Erstens sind die Regularien nicht so einfach. Es kann nicht jeder mit 55 aufhören und schon gar nicht mit 60 Prozent der Bezüge. Die Werte sind schon mal überzogen. Aber das dient alles einer gewissen Stimmungsmache.
Zum anderen: Das, was am Tariftisch erzählt wird, das ist das Entscheidende, und da kommt die Lufthansa einfach nicht wirklich mit ernsten Angeboten herüber. Aussagen wie, es kann jeder vorzeitig aufhören, da kann man natürlich sagen, ja selbstverständlich kann jeder jederzeit kündigen. Die Bedingungen, zu denen man aufhören kann, die sind natürlich entscheidend. Und vor allem, was für uns ein Knackpunkt ist, ist, dass man den jungen Piloten, die jetzt nachkommen, der neuen Generation, überhaupt keine Form der Versorgung mehr geben möchte, und wir sagen, schon allein aus Solidaritätsgründen können wir solche massiven Einschnitte nicht zulassen im Personal. Wenn wir aufgeben, dann kollektiv. Wir haben ja angeboten, hier eine Kostendeckelung dieser Versorgung vorzunehmen, aber darum geht es Lufthansa in Wirklichkeit gar nicht, sondern man möchte keine langfristigen Zusagen mehr dem Personal machen.
Hammer: Die Lufthansa, die befindet sich - das werden Sie wahrscheinlich in Ansätzen auch so sehen - möglicherweise in der größten Krise ihrer Geschichte. Sie macht Verluste, die Konkurrenz ist stark und ihre Piloten, die verdienen bis zu - Wir müssen sagen bis zu, weil die Zahl wird oft genannt, das ist natürlich auch manchmal geringer -, aber bis zu 250.000 Euro pro Jahr. Ist es da nicht nachvollziehbar, dass die Lufthansa fragt, könnt ihr ein bisschen länger arbeiten?
Handwerg: Wir haben nie gesagt, dass man nicht über die Konditionen reden kann. Wir haben nur gesagt, wir sehen keine Notwendigkeit, ein System völlig abzuschaffen, und das ist eben einer der Knackpunkte. Natürlich verdienen wir nicht schlecht, aber wir verdienen auch im internationalen Vergleich nicht so wahnsinnig überragend. Es gibt genügend andere Airlines, die genau solche Gehälter bieten, und die Lufthansa kann sich das durchaus leisten. Man darf nicht vergessen, dass unsere Gehaltskosten im einstelligen Eurobereich pro Ticket liegen.
Man muss das deswegen natürlich in der Relation sehen. Die Menschen haben sicherlich die Vorstellung, dass bei diesen Gehältern der Riesen-Kostenblock die Cockpit-Kosten sind. Das ist aber nicht so. Das sind fünf bis sechs Prozent der Gesamtkosten. Wenn sie da zehn Prozent sparen, dann macht das ein paar Cent am Ticket aus, aber nicht die großen Beträge, die uns Probleme bei der Wettbewerbsfähigkeit machen. Deswegen: Der Markt ist anspruchsvoll. Das war aber schon immer so und man muss vielleicht auch reagieren. Aber wir brauchen dazu ein gemeinsames Verständnis und wir müssen uns einigen auf Konditionen. Es kann nicht sein, dass das Management sagt, wir sind die einzigen, die wissen, was geschehen muss, und entweder ihr schluckt das, oder wir gehen an euch vorbei und schaffen außerhalb eurer Strukturen einfach neue Strukturen und umgehen euch. Das ist für uns nicht akzeptabel.
"Bei den Streikmaßnahmen geht es genau um diese Versorgung"
Hammer: Sie sprechen von neuen Strukturen. Wir haben die Übergangsversorgung angesprochen. Neue Strukturen schafft die Lufthansa zum Teil auch mit ihren Billigtöchtern. Da werden die Piloten schlechter bezahlt und die Lufthansa sagt, wir brauchen diese Töchter. Wenn wir unsere Kapazitäten ausbauen, neue Flüge anbieten, dann mit diesen Töchtern. Der Vorwurf lautet, die Pilotengewerkschaft Cockpit setzt zu sehr auf die Übergangsversorgung; das ist aber eigentlich ein Stellvertreterkrieg. Eigentlich geht es um Stichworte wie Eurowings.
Handwerg: Die Übergangsversorgung ist für uns ganz klar eine sehr wichtige Errungenschaft, die wir nicht bereit sind, einfach ohne Not aufzugeben. Wir sehen das nicht, die wirft ungefähr zwei Prozent der Personalkosten des Cockpit-Personals auf. Wir sehen nicht die Notwendigkeit, dass man dieses System komplett abschafft wegen dieser Summe. Wir sind bereit, hier eine Kostendeckelung einzuführen, aber ganz klar: Bei den Streikmaßnahmen geht es genau um diese Versorgung.
Natürlich wird das in der Presse gerne vermischt mit anderen Themen. Wir haben noch eine zweistellige Zahl an offenen Tarifthemen mit der Lufthansa zu besprechen. Genau aus diesem Grund sagen wir ja auch, wir müssen in eine Gesamtschlichtung, um hier das Unternehmen zu befrieden, denn das muss unser Ziel sein auch im Interesse der Kundschaft und auch im Interesse des Unternehmens, dass wir irgendwann wieder ein gemeinsames Verständnis haben, wie wir miteinander umgehen und unter welchen Konditionen die Piloten arbeiten. Das kann aber nicht einseitig vom Management festgelegt werden.
Nicht auszuschließen, "dass auch in den Osterferien gestreikt wird"
Hammer: Herr Handwerg, mit der Bitte um eine kurze Antwort. Die Osterferien stehen an. Werden Sie an Ostern streiken?
Handwerg: Wir werden auf keinerlei Zeitfenster, sei es Ferien oder sonst etwas, noch Rücksicht nehmen können. Wir sehen das nicht mehr als zielführend an. Also ich kann es nicht ausschließen, dass auch in den Osterferien gestreikt wird.
Hammer: Die Piloten der Lufthansa wollen morgen streiken - einer von ihnen ist Jörg Handwerg, Vorstandsmitglied der Pilotenvereinigung Cockpit. Besten Dank!
Handwerg: Gerne.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.