Eine simple, weiße Chipkarte, das ist der Imfpass von Altötting. Aber Altöttings Landrat Erwin Schneider ist mächtig stolz auf dieses Stück Plastik.
"Es freut einen, dass man zum Beispiel weiter ist als Microsoft oder Oracle, die jetzt daran arbeiten."
Das Besondere am Impfpass von Altötting sind die Daten, die auf ihm gespeichert sind. Neben Name und Adresse des Impflings auch das Impfdatum und der Impfstoff. Und das fälschungsssicher durch Blockchain-Technologie, betont Schneider. "Der enthält nur eine Zahlenreihenfolge, einen Code. Daraus kann man überhaupt nix lesen."
Beleg für die Impfung per QR-Code
Der Pass-Inhaber dagegen kann über einen QR-Code die Daten auf sein Smartphone übertragen. Und damit seine Impfung belegen. Konzipiert hat den Altöttinger Impfpass das junge, deutsche Start-Up UBirch und dessen Gründer Stephan Noller.
"U-Birch ist ein Cyber-Security-Spezialist aus Köln und Berlin. Wir versuchen, mit Technologie Daten abzusichern, die an einem Ort entstehen und an einem anderen Ort verwendet und dabei verifiziert werden sollen."
Wie das genau funktioniert, erklärt der 51-jährige Internet-Unternehmer und studierte Psychologe so:
"Bei dem Impfnachweis in Altötting verwenden wir unsere Blockchain-basierte Technologie. Die sorgt dafür, dass ein kryptografischer Nachweis über die Echtheit eines Impf-Ereignisses hinterlegt wird. In einer sehr datenschutz-freundlichen Art und Weise. So dass an einer anderen Stelle – beispielsweise beim Betreten eines Flugzeugs oder eines Kreuzfahrtschiffes oder eines Fußballstadions – leicht nachgeprüft werden kann, ob der vorgelegte digitale Impfnachweis echt ist und aus einem tatsächlichen Impfzentrum kommt."
Entwickler sprechen von starker Nachfrage
Es ist dieselbe Technologie, die beispielsweise auch bei der Digitalwährung "Bitcoin" zum Einsatz kommt. Dass U-Birch ausgerechnet im oberbayerischen Altötting landete, hat damit zu tun, dass die Kölner mit "gov.digital" kooperieren, einer Genossenschaft kommunaler Rechenzentren. Über diese Plattform stieß der Altöttinger Landrat Erwin Schneider auf U-Birch. Und Schneider liebt Digitaltechnik. Die alten, gelben Papier-Impfpässe würden doch ständig zerfleddern und verloren gehen. Der CSU-Politiker sagt, der Run auf den digitalen Impf-Nachweis sei groß in Altötting.
"Die, die jetzt zum Impfen kommen, werden immer jünger. Die über 80-Jährigen und vor allem die Heimbewohner haben wir schon durchgeimpft. Die brauchen den Impfpass nicht so sehr. Aber die, die jetzt kommen, wollen ihn fast ausnahmslos."
Das bestätigt auch Stephan Noller. Der U-Birch-Gründer sagt, das Impfpass-System laufe in dem 110.000-Einwohner-Landkreis stabil und werde auch von den älteren Geimpften stark nachgefragt.
"Wir haben mehr als 90 Prozent Akzeptanz-Quote für dieses freiwillige Zusatz-Angebot. Was wir sehr bemerkenswert finden, wenn man die ganze Diskussion dazu im Hinterkopf hat. Die Bürgerinnen und Bürger wollen also ganz offensichtlich – oder sehen ein, dass es Sinn macht, auch einen digitalen Nachweis mit auf den Weg zu bekommen, wenn sie diese wichtige zweite Impfung erhalten."
"Ich kann den Pass herzeigen und sagen: 'Ich bin geimpft!'"
Allerdings sind auch im östlich von München gelegenen Altötting bisher weniger als zehn Prozent der Bevölkerung geimpft. Der zwischenzeitliche Stopp des Astra-Zeneca-Vakzins traf den oberbayerischen Landkreis hart. Wer sich auf dem Marktplatz von Altötting umhört, stellt fest: Befürworter und Gegner des Impfpasses halten sich die Waage.
"Impfpass ist Zweiklassengesellschaft."
"Ich find’s richtig. Irgendwo müssen die Geimpften auch belohnt werden."
"Die Jüngeren können doch nichts dafür. Die wollen geimpft werden, kommen aber erst später dran vom Alter her. Das ist dann unfair."
"Es ist halt, dass ich den Pass immer dabei hab‘. Wenn irgendwas ist, dann kann ich ihn herzeigen und sagen: 'Ich bin geimpft!'"
"Ich find’s richtig. Irgendwo müssen die Geimpften auch belohnt werden."
"Die Jüngeren können doch nichts dafür. Die wollen geimpft werden, kommen aber erst später dran vom Alter her. Das ist dann unfair."
"Es ist halt, dass ich den Pass immer dabei hab‘. Wenn irgendwas ist, dann kann ich ihn herzeigen und sagen: 'Ich bin geimpft!'"
Hoffnung auf künftig erleichtertes Reisen
Mehr als herzeigen ist mit dem Impfpass bisher allerdings nicht anzufangen. Sonderberechtigungen gibt es keine. Noch nicht. Aber Prof. Ronald Schmid, langjähriger Chefarzt für Kindermedizin in Altötting, glaubt, dass sich das bald ändern wird. Dann könnte ein Impfpass vor allem Reisen und sonstige Unternehmungen erleichtern.
"Wenn der Flugverkehr und die ganzen Reiseaktivitäten wieder losgehen, wird ein vernünftiger Passagierbetrieb nur mit so einem Ausweis denkbar sein, und zwar auf absehbare Zeit."
Ronald Schmid hat in Altötting den Impfpass mit der Nummer 1 bekommen und geht davon aus, "dass das ab Mitte des Jahres eine gewisse Funktion haben könnte."
Der Landrat sieht Altötting als Modell-Region
Das Bundesgesundheitsministerium stellt dafür gerade die Weichen. In einem Eilverfahren hat es den US-Konzern IBM und das deutsche U-Birch beauftragt, innerhalb der nächsten drei Monate einen bundesweiten Impfpass an den Start zu bringen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn betont allerdings, ein Impfpass sei noch kein Impf-Privileg.
"Das eine folgt nicht automatisch aus dem anderen. Das eine ist sowieso jetzt schon der Fall: Jeder hat einen Anspruch auf einen Impf-Nachweis. Bis jetzt analog, ab 2021 soll es auch digital sein. Die andere Frage ist: folgt daraus was? Und wenn ja – was?"
Folgt daraus zum Beispiel, dass nur Inhaber eines gültigen Impfpasses fliegen dürfen? Ins Ausland reisen? Konzerte besuchen? Der Berliner Infektions-Epidemiologe Prof. Timo Ulrichs sagt:
"Wenn Menschen keine Gefahr mehr für die Umgebung darstellen, weil sie eben durch den Impfschutz nicht nur vor Krankheit und Infektion geschützt sind, sondern diese auch nicht weitergeben können – also den Erreger -, dann sollte man auch die Einschränkung der Grundrechte aufheben."
In Altötting testen sie schon mal, wie das in Zukunft laufen könnte. Landrat Schneider sieht seine Heimat als Modell-Region.
"Wenn man da eine Idee kreiert, die bundesweit Schule macht, dann ist das schon auch ein Aushängeschild für den Landkreis."
Andere Altöttinger dagegen sehen ihre Vorreiter-Rolle eher nüchtern.
"Stolz bin ich nicht. Wir müssen gemeinsam an einem Strang ziehen. Nicht jeder sein eigenes Impfpasserl machen. Wir müssen gemeinsam aus der Misere kommen. Nicht nur Altötting, sondern ganz Europa. Letztlich die ganze Welt."
EU drängt auf Koordination beim digitalen Impfpass
Die Europäische Union hat gerade per EU-Ratsbeschluss verfügt, den digitalen Impfpass zumindest europaweit zu koordinieren. Damit man mit dem deutschen Impfpass auch ins Theater in Paris kommt oder ins Fußballstadion in Mailand. Deshalb sollen alle nationalen Impfpässe in der EU kompatibel sein und auf der gleichen Blockchain-Technologie basieren. Allerdings wird der europäische Impf-Nachweis keine Chipkarte sein, sagt Hanno Kautz, Pressesprecher des Bundesgesundheitsministeriums. Sondern einfach ein QR-Code im Handy.
In Deutschland soll der Impfpass zudem in die digitale Patientenakte integriert werden. Dafür ist unter anderem die Firma U-Birch zuständig. Der Impfpass-Auftrag des Bundesgesundheits-Ministeriums ist für die Kölner ein Meilenstein. Firmen-Gründer Noller darf zwar derzeit noch nicht über Details des bundesweiten Projektes reden. Aber er sieht in der Technologie seiner Firma noch viele weitere Anwendungsmöglichkeiten. Nicht nur beim Corona-Impfen, sondern zum Beispiel auch beim Corona-Testen.
"Denn es gibt weltweit ein immer größeres Problem damit, dass Testergebnisse gefälscht werden. Unsere Technologie kann verwendet werden, um im Labor oder dort, wo im Moment ein Schnelltest gemacht wird, die Echtheit in Form eines QR-Codes zu zertifizieren. So ist es quasi unmöglich, einen Corona-Test zu fälschen, wenn man ihn irgendwo vorlegt."
Vielleicht hat in Zukunft jeder Geimpfte in Deutschland alle seine Corona-Daten fälschungssicher auf einer kleinen, weißen Plastikkarte. Und die wird möglicherweise zur Eintrittskarte. Dann würde dieses Geräusch bald viele Türen öffnen, die bisher noch verschlossen sind und für Nicht-Geimpfte vielleicht auch noch länger verschlossen bleiben.