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Pilotprojekt in der Schweiz
Flüchtlinge als Erntehelfer

Der Schweizerische Bauernverband will von den Behörden anerkannte Flüchtlinge als Erntehelfer beschäftigen. Die sind bereits im Land und würden gerne arbeiten. Was jetzt zu einem bundesweiten Pilotprojekt ausgerufen wurde, praktiziert ein Schweizer Landwirt schon seit über 20 Jahren.

Von Stefanie Müller-Frank |
    Auf dem Hof von Andreas Eschbach ist wieder Alltag eingekehrt – und mit ihm die Gurkenernte. Der Gemüsebauer zieht die Haustür hinter sich zu und geht mit schnellen Schritten Richtung Gewächshaus. Weil sein Familienbetrieb im Baselbiet seit über 20 Jahren Flüchtlinge als Erntehelfer beschäftigt, hat ihn der Schweizerische Bauernverband jetzt zum Beispielhof ernannt für das Pilotprojekt, das er zusammen mit dem Staatssekretariat für Migration ausgerufen hat: In den kommenden drei Jahren wollen sie herausfinden, wie die Integration von anerkannten Flüchtlingen in der Landwirtschaft gefördert werden kann. Nicht allen gefällt das – wie anonyme Kommentare im Internet zeigen.
    "Ich habe von Betriebsleitern, von Kollegen eigentlich direkt noch keine Reaktionen gehört. Ich weiß aber, wie viele Leute denken, ob sie jetzt in der Landwirtschaft Betriebe führen oder sonst. Es gibt Unternehmer, die das nicht toll finden, dass immer mehr Flüchtlinge nach Mitteleuropa und in die Schweiz drücken, und man das nicht unterstützt, dass sie arbeiten können, weil das eigentlich ein falsches Signal gibt."
    Der Gemüsebauer Andreas Eschbach sieht das anders. Vor 23 Jahren, erinnert er sich, fragte eine befreundete Geschäftsfrau aus Liestal im Betrieb an, ob sie nicht Arbeit hätten für einen Flüchtling aus dem Kongo, der bei ihr untergekommen war. Damals führten noch seine Eltern den Hof. Heute sind sieben Flüchtlinge als Erntehelfer angestellt, vier von ihnen unbefristet.
    "Wir haben nie darüber diskutiert. Unsere Ansicht ist, dass wir Flüchtlingen die Möglichkeit geben zur Mitarbeit. Es ist nicht primär eine Integration für uns, war es nie, sondern einfach: Sie sollen arbeiten, sie sollen ihr Geld selbst verdienen, damit sie auch einen Selbstwert haben, eine Tagesstruktur. Und das Resultat ist, dass sie die Staatskasse entlasten."
    Für den Familienbetrieb bedeutet das allerdings erst einmal Aufwand: Margrit Eschbach muss bei den Behörden des Kantons eine Arbeitsbewilligung beantragen – ja sich überhaupt erst einmal erkundigen, ob der Flüchtling anerkannt oder vorläufig aufgenommen ist. Asylbewerber dürfen nämlich in den ersten drei Monate nach ihrer Einreise nicht arbeiten – und auch nicht, solange ihr Asylverfahren noch läuft. Gibt die zuständige Behörde grünes Licht, kostet jede Bewilligung den Betrieb 200 Franken. Dafür kann er sein Personal dann auch mal kurzfristig für ein, zwei Monate anheuern, wenn gerade Bedarf ist. Unter den Flüchtlingen hat sich das rumgesprochen.
    In der Schweiz sind rund 22.000 Menschen als Flüchtlinge anerkannt
    "Wir haben festgestellt, seitdem wir zwei, drei, vier Schwarze haben, das funktioniert auch wie selbst, es ist einfacher. Die Leute kommen, fragen, sie sagen es ihren Kollegen und es hat sich jetzt auch schon eingebürgert, dass die Mitarbeiter selbst sagen: Der passt – und der nicht."
    So hat auch Radna Sawadi vom Gemüsehof Eschbach erfahren. Der 26-Jährige stammt aus Sri Lanka und lebt seit sieben Jahren in der Schweiz.
    "Bei meinem Kollegen habe ich nachgefragt und bin hier vorbeigekommen mit meiner Bewerbung." – "Was arbeiten Sie hier?"- "Salat packen und mit Gemüse." - Wieviel arbeiten Sie hier?" – "Neun bis neuneinhalb Stunden."
    Im Gurkengewächshaus arbeiten Ali Abdisiraq aus Somalia und Jose Maria Peira aus Portugal. Ihre Wochenarbeitszeit beträgt 50 Stunden, der Lohn liegt bei 3.200 Franken (ungefähr 3.000 Euro) brutto. Der Mindestlohn (der per Abstimmung abgelehnt wurde) läge bei 4.000 Franken.
    "Immer ja. Sechs Tage hier, sechs Tage Arbeit, nur Sonntag frei. Ich wohne in Kaiseraugusto. Alleine."
    Die beiden Erntehelfer sind schon die vierte Saison in Folge auf dem Hof, von April bis September kümmern sie sich im Gewächshaus gemeinsam um die Gurken. So ist Ali Abdisiraqs Schweizerdeutsch durchmischt mit portugiesischen Wortsilben. Sein Arbeitskollege aus Portugal steht neben ihm und nickt bestätigend.
    "Viele Kollegen arbeiten hier. Mit Jose drei Jahre arbeiten in Gurken. Und viele Somali hier arbeiten, drei oder vier. Viel sprechen am Mittag. Kollege Jose portugalisch, ich somalisch." – "Wie verständigen Sie sich?" – "Bitzeli portugalisch, bitzeli deutsch." – "Ni problema, keine Probleme. – "Ich Abdi, du Jose: Abdi andere Seite arbeiten. Ok, keine Probleme. Nur Sonntag Pause. Si si."
    In der Schweiz sind rund 22.000 Menschen als Flüchtlinge anerkannt oder vorläufig aufgenommen. Aber nur ein Drittel von ihnen findet Arbeit. Unter den Asylsuchenden beziehen sogar 87 Prozent Sozialhilfe. Dabei wollen die meisten Flüchtlinge unbedingt arbeiten, um sich ein besseres Leben finanzieren zu können. Diese Chance will Landwirt Andreas Eschbach ihnen geben.
    "Meine Überzeugung ist, dass wir eines der reichsten Länder der Welt sind. Und wir in der Schweiz haben leider nicht alles Geld, das wir benutzen, um zu arbeiten, selbst verdient. Sondern wir haben es auch anderen gestohlen. Und jetzt kommen die, denen wir es gestohlen haben, kommen wieder hierher. Und wir ernten jetzt, was wir gesät haben. Und wir müssen mit den Konsequenzen leben jetzt. Nur zu sagen, wir wollen das bewahren, was wir haben, das ist aus meiner Sicht nicht fair. Und absolut egoistisch."