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Pilotprojekt
Sichtschutzwände gegen Gaffer

Schaulustige behindern Rettungskräfte an einem Unfallort - solche Situationen häufen sich auf deutschen Straßen. Nun startet in Franken ein Pilotprojekt: Spezielle Sichtschutzwände sollen Unfallopfer vor Blicken und Kameras schützen.

Von Susanne Lettenbauer |
    Der bayerische Innen- und Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) präsentiert am 11.08.2017 bei der Autobahnmeisterei Fischbach bei Nürnberg (Bayern) spezielle Sichtschutzwände, die Unfallstellen von neugierigen Blicken abschirmen sollen.
    Bis zu 100 Meter lang: Der bayerische Innen- und Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) bei der Präsentation der Sichtschutzwände. (dpa / Daniel Karmann)
    "Wir sehen jetzt hier drei Anhänger auf denen die Elemente zusammengesteckt sind."
    Von fern sieht Bayerns neuer Schutz gegen Gaffer wie ein kompakter Metallblock aus. Auf speziellen Anhängern warten der Prototyp auf dem Hof der Autobahnmeisterei Nürnberg Fischbach auf den sofortigen Einsatz. Gut zwei Meter hoch und 2,25 Meter breit, dicht an dicht stehen pro Hänger 44 Metallwände.
    "Alles ist für für den Notfall so vorbereitet, dass es schnell gehen kann", erklärt Harald Claußen, Leiter der Autobahndirektion Nordbayern.
    "Die Elemente, die hier aufgehängt sind oder eingerastet sind, werden herausgenommen, auch die Füße und dann stellen wir sukzessive diesen Zaun auf. Eventuell mit zusätzlichem Personal, dass sowieso vor Ort ist, weil wir die Rettungsstelle schon mal abgesichert haben."
    Standfest und windsicher
    Bis zu einer Länge von 100 Meter kann der Sichtschutz bei einem Unfall auf der Autobahn aufgestellt werden, so Claußen. Das sollte reichen. Darüberschauen unmöglich. Gemeinsam mit der Polizei habe man das System in den vergangenen Wochen entwickelt. Es wurde die Standfestigkeit geprüft, ob dieser "Gafferparavent" auch bei starkem Wind und schnell vorbeifahrenden LKW hält. Denn im Prinzip sind diese Metallwände nichts anderes als was bei der Absperrung von Großveranstaltungen oder Baustellen genutzt wird. Nur eben etwas verändert.
    "Ja richtig, wir sind wirklich ins Tüfteln gegangen und haben gesagt, wo können wir optimieren, wo können wir Gewicht sparen, dass wir unseren Mitarbeitern nicht 28 oder 30 Kilogramm an Lasten zumuten müssen, das geht ja auf den Rücken, also sprich, wo können wir Gewicht sparen und trotzdem aber den Spagat erfüllen: Die Zäune müssen standsicher sein, wenn LKWs vorbeifahren, die dürfen ja nicht umwehen. Und das ist wirklich eine Tüftlerarbeit gewesen, die wir mit der Firma gemacht haben. Sie sehen es, wir haben noch Gewebe eingeflochten, das leicht ist und das trotzdem gewährleistet, dass der Wind dort durchwehen kann."
    Tatsächlich konnte das Gewicht eines einzelnen Elements auf 18 Kilogramm heruntergetüftelt werden, eine Person kann die Sichtwand also im Notfall ganz allein aufstellen. Gerade wenn es schnell gehen muss, ein großer Vorteil, so der Chef der Autobahnmeisterei.
    "Es ist furchtbar, wenn da gefilmt wird"
    Bei den Feuerwehren, Rettungssanitätern und dem Technischen Hilfswerk hat sich schnell herumgesprochen, dass es nun endlich ein Mittel gegen immer unverschämter vorgehende Möchtegern-Youtuber geben soll.
    "Also wenn wir Verkehrsabsicherungen machen, werden wir verbal sehr angegriffen und wir werden auch bedroht, also da heißt es schon mal, schleich Dich, sonst hau ich Dir auf die Mütze. Dann sage ich: Ja, genau, schön, fahr weiter! Das wird immer mehr. Es steigen auch Autofahrer aus. Ich habe es schon erlebt, dass Autofahrer dich packen und sagen, jetzt gehst auf die Seiten, ich muss da durch. Das gibt es alles. Das habe ich alles schon miterlebt in meinen 20 Jahren THW."
    Benjamin Schmidt vom THW aus Naila war bei dem verheerenden Busunglück am Münchberg dabei, als ein kompletter Urlaubsbus ausbrannte. Er ist noch immer sprachlos über filmende Gaffer.
    Manchmal helfe da noch nicht mal ein lauter Hinweis, meint Benjamin Schmidt. Er und seine Kollegen erhoffen sich viel von den neuen Sichtschutzwänden, die zwar nach oben nicht schützen, aber zumindest auch einen Durchgang verhindern.
    "Ja, ich glaube schon, dass es helfen kann, dass es die Gaffer und so abhalten kann und dass die Fotos weniger werden. Ich habe das live mitgekriegt, den Busunfall auf der A9. Es ist furchtbar, wenn man da gefilmt wird, also nicht nur von der Autobahn aus, sondern auch von den Seitenstreifen und von oben, von den Begrenzungszäunen sind wir auch gefilmt worden. Das haben wir alles mitgemacht. Ich hoffe, dass es was hilft und dass uns die Arbeit erleichtert wird, ganz wichtig so was."
    Bedarf auch auf anderen Autobahnen
    Bayerns Innenminister Joachim Herrmann zeigt sich begeistert von der Kreativität der Nürnberger Autobahnmeisterei. Noch gibt es erst drei von den Stellwänden für Nordbayern. Dass die Autobahnmeistereien in Südbayern an den viel befahrenen A9 und A8 Richtung Salzburg ebenfalls Bedarf haben, daran lässt er keinen Zweifel.
    "Erfahrungsgemäß zeigen sich bei Pilotprojekten schnell die Schwächen und Stärken der technischen Ausrüstung. Wir wollen also sehen, wie das funktioniert. Wenn es absolut gut und problemlos funktioniert, dann will ich auch nicht ausschließen, dass wir die Probezeit verkürzen und dann vielleicht schon in einem Jahr in eine größere Beschaffung einsteigen."
    Vielleicht beteiligt sich der Freistaat dann auch direkt finanziell an der Produktion der Sichtschutzwände. Die Prototypen zahlte bislang die Autobahnmeisterei aus ihrem eigenen Etat. Aber das ist es Harald Claußen wert.
    "Der Sichtschutz ist auf jeden Fall gegeben und wir hoffen, dass wir es so wenig wie möglich einsetzen müssen."