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Pilze sammeln
Achtung Verwechslungsgefahr!

Vor allem in den Monaten August, September und Oktober sprießen die unterschiedlichsten Pilze. Dann klingelt auch das Telefon beim Giftnotruf häufiger. Denn neben vielen Leckerbissen gibt es auch etliche Pilze, die sich nicht zum Verzehr eigenen. Wer auf Pilzjagd geht, sollte sich deshalb gut informieren.

Von Justin Westhoff |
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    Wer eine Vergiftung mit hochgefährlichen Pilzen überlebt, der bleibt oft mit chronischen Schäden etwa an Leber und Nieren zurück (dpa)
    Den ganzen Herbst hindurch gehen viele Menschen ihrem Hobby im Wald nach - einem durchaus riskantem.
    "Wenn man jetzt gar keine Erfahrung hat, jmit Pilze sammeln, dann ist es hochgefährlich.
    Das Problem: Leckere und gefährliche Pilze kann man verwechseln, betont Vergiftungsexperte Dr. Herbert Desel vom Bundesinstitut für Risikobewertung.
    "Es ist halt so, dass sehr schmackhafte Pilze und giftige Pilze für den Laien dann doch sehr ähnlich aussehen, und ganz einfache Regeln, zu sagen, von der Farbe oder vom Geruch könnte man schließen, ob ein Pilz giftig ist oder nicht giftig ist, das stimmt überhaupt nicht. Das heißt, man braucht umfassende Kenntnisse und auch Erfahrungen, bevor man empfehlen würde, dass jemand auf eigene Faust Pilze sammelt."
    Mindestens ein Wochenendkurs
    Nur weil die Mutter oft Pfifferlinge aus dem Wald geholt hat, ohne dass dies Folgen hatte, heißt das nicht, dass man dies auch selbst kann. Mindestens eine kleine Ausbildung ist notwendig, zum Beispiel an einer Volkshochschule.
    Das beginnt mit Wochenendkursen, und dann würde im Allgemeinen in solchen Kursen begonnen mit den häufigen und den besonders sicheren Pilzen sich auseinander zu setzen. Und wenn man das dann hat, dann kann man sagen: Ok, also den kenne ich, da bin ich sicher, und alle anderen, obwohl die noch so schmackhaft sein könnten, da lasse ich die Finger von.
    So geht man Schritt für Schritt weiter. Zweifellos gibt es erfahrene und kenntnisreiche Pilzsammler. Pilzvergiftungen sind hierzulande auch nicht besonders häufig, weiß Daniela Acquarone, die einen Giftnotruf an der Charité leitet.
    "Aufs Jahr betrachtet ist die Anzahl der Fragen zu Pilzvergiftungen sehr gering, das macht ungefähr ein Prozent aus. Aber natürlich in den Monaten Ende August, September, Oktober kann es doch sehr relevant werden, so dass man mehrfach pro Tag dazu konsultiert wird."
    Erste Anlaufstelle Giftinformationszentrale
    Wenn es sich allerdings doch um eine Pilzvergiftung handelt, kann das alle möglichen Folgen haben, von leichtem Unwohlsein bis hin zu schwersten Krankheiten. Der berühmteste Giftpilz ist der Knollenblätterpilz, dessen Verzehr kann zu Todesfällen führen kann. Wenn also der Verdacht auf eine Vergiftung aufkeimt, sollte man als erste Anlaufstelle eine Giftinformationszentrale anrufen, wie es sie in vielen Bundesländern gibt.
    "Häufig werden wir aber auch kontaktiert, nicht, weil die Menschen schon Symptome haben, sondern weil sie Sorge haben, giftige Pilze gegessen zu haben."
    Von den geschätzten gut 1.500 jährlichen Anrufen bei deutschen Giftinformationszentren sind die weit überwiegenden Verdachtsfälle. Und die häufigsten Vergiftungen sind solche durch verdorbene Pilze. Der Arzt und Chemiker Dr. Herbert Desel:
    "Verdorbene Pilze sind halt meistens durch falsche Lagerung, seltener auch, indem sie schon im Zustand des Sammelns verdorben sind, und das kann man mit gewisser Erfahrung eben genauso gut oder so schlecht erkennen, wie man andere verdorbene Lebensmittel im eigenen Haushalt identifiziert."
    Übelkeit und Bauchschmerzen
    Pilze enthalten viel Eiweiß und verderben deshalb recht schnell. Hinzu kommen noch individuelle Unverträglichkeiten: Fast jeder essbare Egerling kann für den einen Menschen nur lecker schmecken, für den anderen etwa zu Übelkeit oder Bauchschmerzen führen. Zu eventuellen Pilzvergiftungen rufen in mehr als der Hälfte der Fälle besorgte Eltern an.
    "Das sind Kinder, die unterwegs sind im Wald, entweder mit den Eltern oder aber auch mit der Kita, und es reicht eine unbeobachtete Minute oder sogar weniger als eine Minute, und es kann sich schon ein Kind einen Pilz schnappen und dann kosten."
    Welche Wirkungen auf den menschlichen Organismus können Pilzvergiftungen haben?
    Die Pilzart ist wichtig
    Es kann sich auf das Magen-Darm-System auswirken, es kann sich aber auch auf das Zentrale Nervensystem auswirken, kann sich auch auf das Blutbildungs-System auswirken, das ist sehr, sehr unterschiedlich.
    Die eventuell notwendige Behandlung hängt von der Art des giftigen Pilzes ab. Wenn irgend möglich, sollten deshalb Reste davon aufbewahrt werden. Jeder Giftnotruf arbeitet mit Experten zusammen, die herausfinden können, um welche Art es sich handelt.
    "Grundsätzlich ist es so, dass die Deutsche Gesellschaft für Mykologie sich sehr bemüht, solche Sachen zu koordinieren. Auf Seiten der Giftinformationszentren ist das eben eine ganz wertvolle Quelle, weil diese Pilzsachverständigen dort in Fällen von unklarer Situation eine ganz wichtige entscheidende Hilfe bieten."
    Nie falsch: Ein Glas Wasser trinken
    Zur Therapie sagt Expertin Acquarone: Wenn ein hochgradiger Verdacht besteht, einen giftigen Pilz, einen hochgiftigen Pilz gegessen zu haben, dann raten wir natürlich sofort zur Krankenhauseinweisung. Was nie falsch ist, ist ein Glas Wasser zu trinken, aber Giftentfernungsmaßnahmen zu Hause sind nicht indiziert. Insbesondere das, was früher immer gemacht wurde, das Trinken von Salzwasser, das ist absolut kontraindiziert, Giftentfernungsmaßnahmen sind im Krankenhaus unter Umständen notwendig und sinnvoll.
    Von Erste-Hilfe-Maßnahmen rät die Expertin ab. Bei einer Ausnahme kann man es selbst versuchen, mit Medizinalkohle, die das Gift im Magen binden kann. Dies gilt aber nur, wenn ein Kind lediglich minimale Mengen eines Giftpilzes gegessen hat. Ansonsten gibt es keine für alle Pilzvergiftungen allgemein gültige Behandlung.
    Wenn man zum Beispiel jetzt von dem sehr bekannten Knollenblätterpilz ausgeht, in diesem Fall ist es auch sehr richtungweisend, die Symptomatik, die die Patienten zeigen und schildern, es gibt durchaus auch Möglichkeiten, im Labor diese Giftstoffe zu bestimmen, und es gibt die Möglichkeit einer spezifischen Therapie.
    Organschäden nicht ausgeschlossen
    Ganz entscheidend ist, wann Symptome auftreten? Ist das unmittelbar oder bis zu vier Stunden nach dem Verzehr von Pilzen der Fall, besteht im Allgemeinen keine Lebensgefahr. Sind 6 bis 72 Stunden vergangen, besteht höchste Alarmstufe. Selbst wenn eine Vergiftung mit hochgefährlichen Pilzen überlebt wird, bleiben sehr oft chronische Schäden etwa an Leber und Nieren zurück.
    "Es gibt alte Pilzsammler und es gibt mutige Pilzsammler, aber es gibt wenige mutige alte Pilzsammler, die das dann wirklich mit dieser riskanten Form des Pilzsammelns durchhalten."