Holger Noltze: Das heißt, vor Mitte der sechziger Jahre war technisch mit der Farbfotografie nicht viel los oder war der Dünkel der Schwarz-Weiß-Heroen?
Stefan Koldehoff: Technisch war das schon alles in Ordnung, aber man wollte sich mal erst auf die Formfähigkeiten der Fotografie konzentrieren. Man wollte sehen, was sich alles an Formen durch die Fotografie abbilden? Die Farbe hat man dann mal erst als störend wahrgenommen. Bis dann 1967 im Museum of Modern Art eben jener William Egglestons das erste Mal mit ausschließlich farbigen Fotografien auftauchte. Die amerikanischen Medien sprachen dann auch sofort von der 'Most Hated Exibition of the Year', also von der meist gehassten Ausstellung des Jahres. Es kommt noch ein zweiter Faktor hinzu. Es gab nicht nur den Faktor Farbe, sondern auch der, dass es nach dem Krieg zwei große Strömungen in der amerikanischen Fotografie gab. Es gab die Leute, die versucht haben, den American Dream of Life zu fotografieren. Das waren Leute, wie Richard Avedon, später dann auch Annie Liebowitz, die das Schöne, das Glamouröse, das Positive, diesen Pursuit of Happyness, dieses Jeder-kann-das-erreichen-was-er-will, abbilden wollten. Es gab auch die andere Schule. Das waren Leute, wie Robert Frank oder eben wie William Egglestons , die das Normale, das Kühle, die Ecken mit den Pizzabuden, die zerknautschten Einpackkartons auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums und die rosafarbenen Zuckerwattebäusche auf einer Kirmes fotografiert haben. Das zeigte den Leuten, dass so unser Land aussieht.
Holger Noltze: 'Los Alamos' heißt der Zyklus, den man jetzt zum ersten Mal sehen kann. Das ist das Frühwerk von William Egglestons . Aber warum heißt es 'Los Alamos'? So hieß ein Atomlabor der Amerikaner? Warum nennt denn ein Fotograf seine Sammlung so?
Stefan Koldehoff: Das war der nackte Zufall. William Egglestons war mit seinem Freund, dem Museumskurator Walter Hopps, auf einer seiner zahlreichen Autofahrten durch die USA unterwegs. Sie kamen an diesem Geheimlabor vorbei. Hopps machte William Egglestons darauf aufmerksam und darauf antwortete William Egglestons : 'Meine Dunkelkammer, das ist auch so etwas, wie ein Geheimlabor'. Damit war der Name für diese Serie gegeben. Das sind 2.500 Aufnahmen, die in der Zeit Mitte der sechziger bis Mitte der siebziger Jahre entstanden sind. Diese sind noch nie veröffentlicht worden. Diese eint eigentlich nichts anderes als diese Spanne von etwa 10 Jahren, in denen sie entstanden sind.
Holger Noltze: Was kann man da sehen? Ist das Schwarz-Weiß-Fotografie mit Farbe? Ich nehme an, es gibt einen ästhetischen Mehrwert der Farbe?
Stefan Koldehoff: Die Farbe ist ganz bewusst eingesetzt. Es gibt diesen schönen Satz, der so schön ist. Man müsste ihn erfinden, wenn William Egglestons ihn nicht tatsächlich gesagt hätte: 'The world is colour and there is nothing we can do about that?' Die Welt ist Farbe und daran können wir nichts ändern. Das will er auch gar nicht. Es hat diesen ungeheuren Blick. Er hat mir im Gespräch gesagt, dass tatsächlich das, was er fotografiert so im Sucher ist. Er wählt später keine Ausschnitte aus oder manipuliert irgendwie noch an den Fotos. Es hat den Blick für diese Farben, die plötzlich eine Eigendynamik entwickeln. Er hat einen Blick für die völlig banalen roten Ketchup-Flaschen, die an irgendeiner völlig verlassenen Hinterhof-Pommesbude plötzlich zum Ereignis werden. Er erkennt, dass das Ganze eine ästhetische Qualität hat und setzt es um.
Holger Noltze: Man sieht auch viel schönes goldenes Spätnachmittagslicht in den Südstaaten.
Stefan Koldehoff: Ja, das ist richtig. Auch da legt er Wert drauf. Nichts davon ist inszeniert, auch nicht das Whiskyglas, das mitten in der Sonne steht. Es gibt übrigens Überlegungen, in Köln sind nur rund 100 Aufnahmen zu sehen, den gesamten Zyklus jetzt auf CD-Rom zu veröffentlichen. Das wäre in der Tat noch einmal ein größeres Ereignis.
Holger Noltze: Vielen Dank, Herr Koldehoff!
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Stefan Koldehoff: Technisch war das schon alles in Ordnung, aber man wollte sich mal erst auf die Formfähigkeiten der Fotografie konzentrieren. Man wollte sehen, was sich alles an Formen durch die Fotografie abbilden? Die Farbe hat man dann mal erst als störend wahrgenommen. Bis dann 1967 im Museum of Modern Art eben jener William Egglestons das erste Mal mit ausschließlich farbigen Fotografien auftauchte. Die amerikanischen Medien sprachen dann auch sofort von der 'Most Hated Exibition of the Year', also von der meist gehassten Ausstellung des Jahres. Es kommt noch ein zweiter Faktor hinzu. Es gab nicht nur den Faktor Farbe, sondern auch der, dass es nach dem Krieg zwei große Strömungen in der amerikanischen Fotografie gab. Es gab die Leute, die versucht haben, den American Dream of Life zu fotografieren. Das waren Leute, wie Richard Avedon, später dann auch Annie Liebowitz, die das Schöne, das Glamouröse, das Positive, diesen Pursuit of Happyness, dieses Jeder-kann-das-erreichen-was-er-will, abbilden wollten. Es gab auch die andere Schule. Das waren Leute, wie Robert Frank oder eben wie William Egglestons , die das Normale, das Kühle, die Ecken mit den Pizzabuden, die zerknautschten Einpackkartons auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums und die rosafarbenen Zuckerwattebäusche auf einer Kirmes fotografiert haben. Das zeigte den Leuten, dass so unser Land aussieht.
Holger Noltze: 'Los Alamos' heißt der Zyklus, den man jetzt zum ersten Mal sehen kann. Das ist das Frühwerk von William Egglestons . Aber warum heißt es 'Los Alamos'? So hieß ein Atomlabor der Amerikaner? Warum nennt denn ein Fotograf seine Sammlung so?
Stefan Koldehoff: Das war der nackte Zufall. William Egglestons war mit seinem Freund, dem Museumskurator Walter Hopps, auf einer seiner zahlreichen Autofahrten durch die USA unterwegs. Sie kamen an diesem Geheimlabor vorbei. Hopps machte William Egglestons darauf aufmerksam und darauf antwortete William Egglestons : 'Meine Dunkelkammer, das ist auch so etwas, wie ein Geheimlabor'. Damit war der Name für diese Serie gegeben. Das sind 2.500 Aufnahmen, die in der Zeit Mitte der sechziger bis Mitte der siebziger Jahre entstanden sind. Diese sind noch nie veröffentlicht worden. Diese eint eigentlich nichts anderes als diese Spanne von etwa 10 Jahren, in denen sie entstanden sind.
Holger Noltze: Was kann man da sehen? Ist das Schwarz-Weiß-Fotografie mit Farbe? Ich nehme an, es gibt einen ästhetischen Mehrwert der Farbe?
Stefan Koldehoff: Die Farbe ist ganz bewusst eingesetzt. Es gibt diesen schönen Satz, der so schön ist. Man müsste ihn erfinden, wenn William Egglestons ihn nicht tatsächlich gesagt hätte: 'The world is colour and there is nothing we can do about that?' Die Welt ist Farbe und daran können wir nichts ändern. Das will er auch gar nicht. Es hat diesen ungeheuren Blick. Er hat mir im Gespräch gesagt, dass tatsächlich das, was er fotografiert so im Sucher ist. Er wählt später keine Ausschnitte aus oder manipuliert irgendwie noch an den Fotos. Es hat den Blick für diese Farben, die plötzlich eine Eigendynamik entwickeln. Er hat einen Blick für die völlig banalen roten Ketchup-Flaschen, die an irgendeiner völlig verlassenen Hinterhof-Pommesbude plötzlich zum Ereignis werden. Er erkennt, dass das Ganze eine ästhetische Qualität hat und setzt es um.
Holger Noltze: Man sieht auch viel schönes goldenes Spätnachmittagslicht in den Südstaaten.
Stefan Koldehoff: Ja, das ist richtig. Auch da legt er Wert drauf. Nichts davon ist inszeniert, auch nicht das Whiskyglas, das mitten in der Sonne steht. Es gibt übrigens Überlegungen, in Köln sind nur rund 100 Aufnahmen zu sehen, den gesamten Zyklus jetzt auf CD-Rom zu veröffentlichen. Das wäre in der Tat noch einmal ein größeres Ereignis.
Holger Noltze: Vielen Dank, Herr Koldehoff!
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