Archiv


Pionier der Herzchirurgie

Herzklappen zu reparieren oder zu ersetzen, ist heute Routine. Dass das so ist, ist mit ein Verdienst des US-amerikanischen Mediziners Charles A. Hufnagel. Er hat die künstliche Herzklappe erfunden und sie am 11. September 1952 erstmals bei einer Patientin erfolgreich eingesetzt.

Von Martin Winkelheide |
    Konrad Brockmeier: ""Ist da irgendwas besser geworden?"."

    Antonio Timineri: ""Ja, ist besser geworden, die Luft ist besser geworden. Auf jeden Fall."

    Herzzentrum der Universität Köln. Antonio Timineri ist zur Kontrolluntersuchung gekommen. Der junge Mann musste seit seiner Geburt mehrfach am Herzen operiert werden. Zuletzt wegen einer defekten Herzklappe.

    Konrad Brockmeier: "Es ist mehr Luft zum Atmen da. Es kann mehr Aktivität laufen."

    Antonio Timineri: "Fußball spielen. Treppensteigen. Ist besser."

    Herzklappen zu reparieren oder komplett zu ersetzen, ist heute Routine.
    Dass das so ist, ist mit ein Verdienst des US-amerikanischen Mediziners Charles Hufnagel. Er hat die künstliche Herzklappe erfunden und auch erprobt.
    Hufnagel wurde am 15. August 1916 in Louisville im US-Bundesstaat Kentucky geboren, studierte Medizin an der katholischen University of Notre Dame in Richmond und promovierte in Boston an der renommierten Harvard Medical School. Dort begann er auch zu experimentieren: Er wollte wissen, ob sich aus Kunststoff Ersatz herstellen lässt für kranke Blutgefäße oder für defekte Herzklappen – insbesondere für die Aorten-Klappe.

    "Die Aorten-Klappe ist die wichtigste Herzklappe im Menschen und ist deshalb immer auch am häufigsten betroffen von irgendwelchen Erkrankungen","
    sagt Prof. Thorsten Wahlers, Leiter der Herz- und Thoraxchirurgie am Herzzentrum der Universität Köln.

    Charles Hufnagel versuchte gar nicht erst, den komplizierten Aufbau einer natürlichen menschlichen Herzklappe nachzuahmen. Er wollte ein möglichst einfaches Ventil konstruieren. Es sollte genug Blut in die Körperschlagader hindurch lassen, aber auch sicherstellen, dass kein Blut zurückfließt ins Herz.
    Thorsten Wahlers: ""Herr Hufnagel hatte nun eine geniale Idee. Wenn Sie sich einen Kugelverschluss auf einer Weinflasche vorstellen, dann könnte man diese Kugel als eine Klappe nutzen, wenn man um die Kugel herum einen kleinen Käfig bastelt, dass die Kugel nicht vom Blutstrom fortgetragen wird."

    Hufnagel, der 1950 an die Georgetown University in Washington D.C. gewechselt war, baute Kugel und Käfig aus einem speziellen Kunststoff. Und er probierte die künstliche Aortenklappe zunächst im Tierversuch aus, an Hunden, erinnert sich Linda Kildea. Sie bediente für Charles Hufnagel im Labor und im Operationssaal die damals noch sehr großen und komplizierten Herz-Lungen-Maschinen, die für solche Eingriffe am offenen Herzen gebraucht wurden:

    "Es gab Zeiten, da gab es bei uns 350 Hunde mit künstlichen Herzklappen, die wir entworfen und hergestellt hatten. Und besonders aufregend war es, wenn wir nach harter Laborarbeit etwas erstmals in der Klinik nutzen konnten und dann den Erfolg gesehen haben."

    Hufnagels erste Patientin war eine 30-jährige Frau. Sie litt unter rheumatischem Fieber – nach dem Zweiten Weltkrieg eine häufige Ursache für Probleme mit der Aortenklappe. Die riskante Operation fand am 11. September 1952 statt. Sie gelang, die Patientin überlebte. Die künstliche Herzklappe, die "Hufnagel-Klappe" wurde nachgebaut. Dabei kamen auch neue Materialien zum Einsatz.

    Prof. Thorsten Wahlers: "Den Käfig der Klappe hat man aus Stahlmaterialien, die nicht rostend waren, hergestellt, und als Kugel hat man Kunststoff verwandt. Und da diese Kugel natürlich mit jedem Herzschlag auf- und abschlug, ist es bei vielen Plastikkugeln zu Ermüdung, zur Zerstörung des Kunststoffs, zur Verkleinerung – teilweise auch zum Durchflutschen dieser Kugel durch den Käfig gekommen."

    Daher wurden statt Plastikkugeln später auch Stahlplättchen oder hohle Stahlkugeln verwandt.

    Prof. Thorsten Wahlers: "Diese Kugelklappen hat man sehr gut gehört, weil natürlich durch den Blutstrom und auch durch die Materialien ein richtiges Klack-, Klack-, Klack-Geräusch auftritt."

    Mechanische Herzklappen sehen heute ganz anders aus als zu Zeiten von Charles Hufnagel.
    Prof. Thorsten Wahlers: "Sie sind so ungefähr wie eine doppelflügelige Wild-West-Tür in einem Saloon. Also zwei Flügel gehen auf, man kann gerade durch die Tür durchgehen, und dann schwingen die Flügel praktisch zurück durch den Blutstrom und verschließen die Klappe."

    Mechanische Herzklappen bergen das Risiko, dass sich an ihrer Oberfläche Blutgerinnsel bilden – Ursache für einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall. Patienten müssen daher ein Leben lang vorbeugend gerinnungshemmende Medikamente einnehmen. Anders ist das bei den sogenannten "biologischen" Klappen, die auf Schweine- oder Rindergewebe basieren. Der Nachteil der biologischen Klappen: Sie halten nur 12 bis 17 Jahre.

    Prof. Thorsten Wahlers: "Junge Patienten zwischen 20 bis 65 Jahre, denen würde man eher eine mechanische Prothese geben - über 65 Jahre würde man eher eine biologische Prothese empfehlen."

    Anders als zu Zeiten von Charles Hufnagel sind Herzklappendefekte heute vor allem eine Erkrankung älterer Menschen. Mechanische Herzklappen kommen daher immer seltener zum Einsatz.