Bundeswehr
Pistorius geht erste Schritte Richtung Wehrpflicht - was ist geplant?

Mit einem neuen Wehrdienstmodell will Bundesverteidigungsminister Pistorius die Personalstärke der Bundeswehr deutlich ausbauen: Im Verteidigungsausschuss des Bundestags erläuterte der SPD-Politiker am Vormittag seine Pläne. Im Zentrum: die Erfassung von Wehrfähigen, der Versand von Fragebögen, Musterungen von zehntausenden jungen Menschen und ein sechsmonatiger Grundwehrdienst.

    Ein Soldat spricht zu wehrfähigen Männern.
    "Kriegstüchtig" will Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius Deutschland machen - und hat dafür Pläne für einen neuen Wehrdienst vorgelegt. (picture-alliance / dpa / Marcel Kusch)

    Wie sehen die Pläne von Pistorius aus?

    Bundesverteidigungsminister Pistorius stellt seine Vorschläge für einen neuen Wehrdienst am Nachmittag der Öffentlichkeit vor. Geplant ist nach übereinstimmenden Berichten von Nachrichtenagenturen, dass künftig alle wehrfähigen Männer und Frauen einen Fragebogen zu ihrer Haltung zur Bundeswehr zugesandt bekommen. Nur die angeschriebenen Männer müssen diesen Fragebogen verbindlich beantworten und sich im Falle einer Einladung auch einer Musterung stellen. Das Ableisten des neuen sechsmonatigen Grundwehrdienstes ist den Plänen zufolge allerdings freiwillig. Eine Rückkehr zu der 2011 ausgesetzten allgemeinen Wehrpflicht ist vorerst nicht geplant.
    Militärplaner gehen dabei davon aus, dass pro Jahr 400.000 Menschen den Fragebogen ausfüllen müssen, und sie schätzen, dass ein Viertel davon Interesse bekunden könnte. Vorgesehen ist es, 40.000 Kandidaten zur Musterung zu bestellen.

    Wie viele Rekruten könnten eingezogen werden?

    Aktuell gibt es Kapazitäten für eine Ausbildung von 5.000 bis 7.000 Rekruten, die aber wachsen sollen. Für 5.000 Wehrpflichtige würden womöglich Kosten in Höhe von 1,4 Milliarden Euro anfallen, wird Minister Pistorius von einem Mitglied des Verteidigungsausschusses gegenüber der Nachrichtenagentur AFP zitiert.
    Langfristiges Ziel sei eine Personalstärke der Bundeswehr von 460.000 Soldaten - 203.000 im stehenden Heer, der Rest in der Reserve. Aktuell verfügt die Bundeswehr über rund 181.0000 aktive Soldatinnen und Soldaten. Trotz einer Personaloffensive war die Truppenstärke der Bundeswehr im vergangenen Jahr geschrumpft.

    Wie fallen die Reaktionen auf die Pläne aus?

    Der neue Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, der FDP-Politiker Faber, äußerte sich positiv über die Vorschläge von Pistorius zur Wehrpflicht. Er sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, erst einmal sollte auf Freiwilligkeit gesetzt werden. Der Truppe sei mehr gedient, wenn sie Leute bekomme, die Lust auf den Job hätten. Dafür seien die Schritte, die Pistorius plane, gut geeignet, so Faber, der heute zum Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses gewählt wurde und damit auf seine Parteikollegin Strack-Zimmermann folgt.
    Der verteidigungspolitische Sprecher der Union, Hahn, kritisierte das Konzept von Pistorius als nicht weitgehend genug. Es handle sich lediglich um einen "verbesserten Freiwilligendienst". Unionspolitiker forderten zudem eine Wehrpflicht auch für Frauen. Fraktionsvize Wadephul sagte im ZDF, die dafür nötigen Änderungen im Grundgesetz müssten geprüft werden. In der heutigen Zeit dürfe es keine Unterscheidung mehr zwischen den Geschlechtern geben. Ähnlich äußerte sich CDU-Verteidigungspolitikerin Güler.
    Die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen, Nanni, erklärte im Deutschlandfunk, sie sei gegen eine Wiedereinführung des Wehrdienstes in der alten Form. Einzelne Pflichtanteile im Rahmen eines neuen Modells seien für junge Menschen aber zumutbar. Diese sollten dann für Männer und Frauen gleichermaßen gelten. Das komplette Interview mit Sara Nanni können Sie hier nachlesen.
    Der Militärexperte Wiegold vom Blog "Augen geradeaus" sagte im Deutschlandfunk, die Bundeswehr könnte die Pläne des Ministers schnell umsetzen. Allerdings habe die Armee nicht nur ein Personalproblem, sondern auch ein Materialproblem, das gelöst werden müsse.

    Inwiefern stellt sich Pistorius mit seinem Vorstoß gegen seine Parteikollegen?

    Gegen die Wiedereinführung eines verpflichtenden Wehrdienstes gab es zuletzt vor allem in Teilen der SPD deutlichen Widerspruch. So hatten sich die SPD-Chefs Klingbeil und Esken dafür ausgesprochen, bei der Rekrutierung weiterhin auf Freiwilligkeit zu setzen. Esken sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, das Freiwillige Soziale Jahr funktioniere seit mehr als 50 Jahren. Kern dieses Engagements sei die Freiwilligkeit - und das sei auch in Bezug auf ein Engagement bei der Bundeswehr das richtige Prinzip.
    Bei einer Regierungsbefragung im Bundestag hatte Pistorius allerdings betont: "Nach meiner festen Überzeugung wird es nicht ohne Pflichtbestandteile gehen." Verpflichtend wäre nach dem Modell von Pistorius nun die Beantwortung des Fragebogens sowie die Musterung, wenn zu dieser eingeladen wird. Er plädiert dem Vernehmen nach dafür, auch schon in Friedenszeiten Wege für einen verpflichtenden Militärdienst freizumachen, falls nicht genug Rekruten gefunden werden.

    Weiterführende Informationen

    Antworten auf die wichtigsten Fragen zur Debatte über die Wiedereinführung der Wehrpflicht.
    Diese Nachricht wurde am 12.06.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.